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Aktuelles

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Abgasskandal - Volkswagen zum Schadensersatz verurteilt (LG Freiburg 21.03.2024)

Schadensersatzklage gegen Volkswagen erfolgreich

Statt der Rückabwicklung des Kaufvertrages kann der Käufer eines Dieselfahrzeuges mit unzulässiger Abschalteinrichtung auch Schadensersatz in Höhe des Betrages verlangen, um den er das Fahrzeug wegen des Vorhandenseins der unzulässigen Abschalteinrichtung zu teuer erworben hat. 

Das LG Freiburg folgte damit in zweiter Instanz sinngemäß der Rechtsprechung des OLG Karlsruhe (Beschluss v. 29.10.2019, 17 U 102/18) und gab der Klage eines Mandanten der Kanzlei im Rebland teilweise statt. Wir freuen uns mit dem Mandanten über diesen schönen Erfolg.

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Verwaltungsrecht - Hausverbot muss i. d. R. befristet sein (LRA Lörrach, 21.02.2024)

Widerspruch gegen Hausverbot erfolgreich

Will eine Gemeinde einem Bürger ein Hausverbot für eine kommunale Einrichtung erteilen, etwa wegen einer mutmaßlichen Störung des Hausfriedens, so hat die Gemeinde  strenge verwaltungsrechtliche Anforderungen und Regeln zu beachten:

So unterfällt ein Hausverbot in aller Regel dem öffentlichen Recht, so dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, d. h. der Widerspruch der richtige Rechtsbehelf gegen das Hausverbot ist.

Dem entsprechend muss der Betroffene vor der Verhängung eines Hausverbotes auch gem. § 28 LVwVfG angehört werden. Das setzt voraus, dass die Behörde dem Betroffenen den Sachverhalt darstellt, das Hausverbot ankündigt und dem Betroffenen Gelegenheit gibt, sich zu äußern.

Weiterhin muss die Behörde das Hausverbot gem. § 39 LVwVfG hinreichend begründen, d. h. sie muss die genauen Tatsachen benennen, welche angeblich den Hausfrieden gestört haben.

Ferner muss das Hausverbot erforderlich sein. Erforderlichkeit bedeutet, dass die Gefahr weiterer Störungen des Hausfriedens besteht (1) und es neben dem Hausverbot kein gleich wirksames, aber milderes Mittel zur Gefahrenabwehr gibt (2). 


Schließlich muss ein Hausverbot gem. Art. 20 Abs. 3 GG auch verhältnismäßig sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit setzt in aller Regel voraus, dass ein Hausverbot zeitlich befristet werden muss.

Diesen verwaltungsrechtlichen Vorgaben wurde die Gemeinde Efringen-Kirchen bei dem von ihr verhängten Hausverbot nicht gerecht. Dies stellte das Landratsamt Lörrach als Widerspruchsbehörde in einer interessanten Entscheidung klar. Es folgte damit den Anträgen und der Widerspruchsbegründung der Kanzlei im Rebland und hob das evident rechtswidrige Hausverbot der Gemeinde Efringen-Kirchen auf.

Das ganze Team der Kanzlei im Rebland freut sich mit dem Mandanten über diesen schönen Erfolg.

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Verkehrsrecht - Mutmaßliche Benutzung eines Handys (AG Lörrach, 16.02.2024)

Erfolgreiche Verteidigung gegen Bußgeldbescheid

Eher selten erlebt man in Bußgeldsachen vor Gericht einen Freispruch. Heute war es mal wieder soweit. Nach ausführlicher Beweisaufnahme und Vernehmung des Polizeibeamten als Zeugen sah das Gericht den Vorwurf der Polizei, der Mandant habe während der Fahrt mit einem Mobilfunkgerät telefoniert, als nicht erwiesen an. So folgte das Gericht dann auch dem Antrag der Kanzlei im Rebland und sprach den Betroffenen frei. Wir freuen uns mit dem Mandanten über diesen schönen Erfolg!

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Verkehrsrecht - Zum Beweis des ersten Anscheins (AG Müllheim, 15.11.2023)

Erfolgreiche Klage vor dem Amtsgericht Müllheim

Nach der Lebenserfahrung kann davon ausgegangen werden, dass bei einem Zusammenstoß von Fahrzeugen aufgrund einer Vorfahrtsverletzung die Ursache in der Unaufmerksamkeit des wartepflichtigen Fahrers liegt (sog. Beweis des ersten Anscheins). Der Vorfahrtsberechtigte darf grundsätzlich auf sein Vorrecht vertrauen. Soweit die Beklagtenseite (Anm. der Red.: der Wartepflichtige) einen gegen den Anscheinsbeweis sprechenden Unfallhergang behauptet, ist sie in vollem Umfang darlegungs- und beweispflichtig.

Das stellte das Amtsgericht Müllheim in seinem Urteil fest und folgte damit den Klageanträgen der Kanzlei im Rebland. Ein schöner Erfolg für den Mandanten.  


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Vertragsrecht - Anfechtbarkeit von "Cold-Call"-Verträgen (AG Lörrach, 22.05.2023)

Zahlungsklage der Firmenauskunft P.U.R. GmbH erfolgreich abgewehrt

Wer sich einen Überblick über die Geschäftsgebahren der Fa. Firmenauskunft P.U.R. GmbH verschaffen möchte, wird bei einer google-Suche schnell fündig. Es finden sich zahlreiche Berichte über unerwünschte Werbeanrufe ohne Zustimmung des Angerufenen (sog. "Cold Calls") mit dem Ziel, einen teuren Vertrag über einen Branchenbucheintrag abzuschließen. Der Trick: angerufen werden hauptsächlich Kaufleute und Unternehmer, die - anders als Verbraucher - bei Fernabsatzverträgen kein gesetzliches Widerrufsrecht haben.

Das Amtsgericht Lörrach stärkte nun die Rechte der betroffenen Unternehmer und stellte klar, dass durch "Cold Calls" zustande gekommene Verträge wegen eines Inhaltsirrtums nach § 119 Abs. 1 BGB angefochten werden können.


Das Gericht folgte damit der Rechtsauffassung der Kanzlei im Rebland und wies die Zahlungsklage ab. Das gesamte Team der Kanzlei im Rebland freut sich mit dem Mandanten über diesen schönen Erfolg!

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Deliktsrecht - Schadensersatz nach § 6 Abs. 1 EFZG (AG Lörrach, 13.01.2023)

Zahlungsklage vor dem Amtsgericht Lörrach erfolgreich

Wird ein Arbeitnehmer verletzt und deshalb arbeitsunfähig, hat er gegen den Arbeitgeber einen Anspruch auf Lohnfortzahlung und gegen den Schädiger einen Anspruch auf Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls. Bezahlt der Arbeitgeber das Arbeitsentgelt fort, geht der Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Schäder auf Schadensersatz wegen des Verdienstausfalls auf den Arbeitgeber über (§ 6 EFZG); dieser Anspruch kann dann vom Arbeitgeber als eigener Anspruch aus übergegangenem Recht gegen den Schädiger geltend gemacht werden.

Das entschied das Amtsgericht Lörrach nach einer aufwändigen und langwierigen Beweisaufnahme und folgte damit der Klage der Kanzlei im Rebland. Das gesamte Kanzleiteam freut sich mit der Mandantschaft über diesen schönen Erfolg.

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Mietrecht - Zu den Voraussetzungen für eine Mieterhöhung (LG Freiburg, 20.12.2022)

Mieterhöhung abgewehrt - Berufung vor dem LG Freiburg erfolgreich

In einem spannenden Zivilprozess über zwei Instanzen ist es der Kanzlei im Rebland erfolgreich gelungen, eine Vermieterklage auf Zustimmung zur Mieterhöhung abzuwehren. Dabei folgte das Berufungsgericht der Auffassung der Kanzlei im Rebland. Es stellte fest, dass der Vermieter die formellen Voraussetzungen für eine Mieterhöhung nicht eingehalten hatte, und hob das fehlerhafte Urteil des erstinstanzlichen Gerichtes auf.

Hartnäckigkeit zahlt sich doch meistens aus. Das gesamte Team der Kanzlei im Rebland freut sich mit der Mandantschaft über diesen schönen Erfolg.

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Kaufrecht - Mangelhafte Kaufsache berechtigt zum Rücktritt (LG Chemnitz, 24.11.2022)

Klage der Kanzlei im Rebland in Sachsen erfolgreich

Liefert der Verkäufer einen mangelhaften Whirlpool aus und verweigert er die Beseitigung der Mängel, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten.

Dies entschied das Landgericht Chemnitz, folgte damit der Klage der Kanzlei im Rebland und verurteilte den Verkäufer zur Erstattung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Whirlpools. Wir freuen uns mit der Mandantschaft über diesen schönen Erfolg.

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Vertragsrecht - Nichtabnahme d. Kaufsache: Schadensersatz (LG Konstanz, 11.08.2022)

Schadensersatzklage vor dem Landgericht Konstanz erfolgreich

Nimmt der Käufer nach Abschluss eines Kaufvertrages die Kaufsache nicht ab, stellt dies in der Regel eine schuldhafte Pflichtverletzung dar. Der Verkäufer hat in diesem Fall gemäß § 280 Abs. 1 BGB Anspruch auf Schadensersatz in Höhe des entgangenen Gewinns.

Das entschied das LG Konstanz und gab der Zahlungsklage der Kanzlei im Rebland statt. Wir freuen uns mit dem Mandanten über diesen schönen Erfolg.

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Mietrecht - Zur Frage des Abzuges "Neu für Alt" (AG Lörrach, 22.04.2022)

Klage auf Rückzahlung der Kaution erfolgreich abgewehrt

Zur Nebenpflicht des Mieters gehört die Verpflichtung, mit der Mietsache pflegend und schonend umzugehen. Kommt der Mieter dieser Verpflichtung nicht nach, kann dies Schadensersatzansprüche des Vermieters begründen, die ggf. mit der Kaution verrechnet werden können. 

Bei der Berechnung dieser Schadensersatzansprüche ist ein Abzug "Neu für Alt" nur dann vorzunehmen, wenn durch die Schadensbeseitigung eine Verbesserung eintritt und dem Vermieter dadurch ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst. Dieser kann sich entweder daraus ergeben, dass sich bei einem gedachten Verkauf der betroffenen Sache aufgrund der erfolgten Wiederherstellung ein höherer Gewinn erzielen ließe oder, dass dem Geschädigten aufgrund der Reparatur künftige Aufwendungen erspart bleiben. Bei der Bewertung, ob ein wirtschaftlicher Vorteil besteht, ist nicht auf das einzelne Teil, sondern auf die gesamte Wohnung abzustellen
(OLG Naumburg, 11.11.1994, 6 U 175/94; AG Lörrach, 26.10.2016, 2 C 831/15).

Dies stellte das Amtsgericht Lörrach in einer interessanten Entscheidung fest und verneinte den Eintritt einer Wertverbesserung im konkreten Fall. Es folgte damit dem Vortrag und den Anträgen der Kanzlei im Rebland und wies die gegen den Vermieter gerichtete Klage auf Rückzahlung der Kaution ab.

Wir freuen uns mit dem Mandanten über diesen schönen Erfolg.

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Baurecht - Kein Werklohn ohne Vertrag (AG Lörrach, 24.09.2021)

Zahlungsklage erfolgreich abgewehrt

Eine böse Überraschung erlebte ein Mandant unserer Kanzlei auf seiner Baustelle. Ein eifriger Bauunternehmer, der auf der benachbarten Baustelle tätig war, fuhr nicht nur den Aushub vom Nachbargrundstück weg, sondern - ungefragt - auch vom Grundstück des Mandanten. Hierüber stellte er dem Mandanten dann auch noch eine Rechnung und verlangte Zahlung des Werklohnes für den Abtransport und die Entsorgung.

Zu Unrecht, entschied nun das Amtsgericht Lörrach. Es folgte den Anträgen der Kanzlei im Rebland und wies die Zahlungsklage als unbegründet ab. In seiner Begründung betonte das Gericht, was eigentlich auf der Hand liegt:

Ein vertraglicher Werklohnanspruch besteht grundsätzlich nur dann, wenn die Parteien auch eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. Fehlt eine solche Vereinbarung, kommt ein Zahlungsanspruch nach dem Rechtsgrundsatz der "Geschäftsführung ohne Auftrag" ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die aufgedrängte Leistung dem Willen oder Interesse der anderen Partei entspricht, oder wenn die andere Partei durch die aufgedrängte Leistung bereichert ist.

Beide Voraussetzungen lagen nach der Überzeugung des Gerichtes im vorliegenden Fall nicht vor, weshalb es die Zahlungsklage abwies. Ein schöner Erfolg für den Mandanten der Kanzlei im Rebland!

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Mietrecht - Keine Minderung bei Mangel nach Mietende (LG Freiburg, 10.08.2021)

Landgericht Freiburg stärkt Rechte der Vermieter

Gibt der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht oder nicht rechtzeitig zurück, ist er zur Bezahlung einer Entschädigung in Höhe der Miete verpflichtet (§ 546a BGB). Dieser Anspruch entfällt nicht und wird auch nicht dadurch gemindert, dass der Mieter erstmals nach Vertragsbeendigung Mängel geltend macht. Eine Minderung kommt demnach nur für solche Mängel in Betracht, die schon während der Vertragszeit bestanden haben.

Dies hat das Landgericht Freiburg klargestellt und der Klage der Kanzlei im Rebland in vollem Umfang stattgegeben (LG Freiburg, Urteil v. 10.08.2021, 2 O 323/20, noch nicht rechtskräftig). Wir freuen uns mit dem Mandanten über diesen tollen Erfolg!

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Maklerrecht - Reservierungsgebühr in der Regel unwirksam (LG Freiburg, 18.01.2021)

Klage auf Zahlung des Maklerlohns ("Provision") erfolgreich abgewehrt - Makler muss Reservierungsgebühr erstatten

Ein Immobilienmakler hat gegen den Kaufinteressenten keinen Anspruch auf Zahlung einer Provision nach § 652 BGB, wenn der Kaufinteressent bereits alle für den konkreten Vertragsschluss relevanten Informationen hatte und wenn der Makler - gleichsam als Bote - lediglich Informationen zwischen Verkäufer und Kaufinteressent weitergegeben hat, ohne darüber hinausgehend auf den Willensentschluss des Verkäufers einzuwirken. 

Verlangt der Makler in allgemeinen Geschäftsbedingungen vom Kaufinteressenten eine "Reservierungsgebühr" dafür, dass er die Immobilie für einen bestimmten Zeitraum nicht weiter am Markt anbietet, so ist diese Regelung gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam mit der Folge, dass die Reservieungsgebühr gemäß § 812 Abs. 1 BGB an den Kaufinteressenten zu erstatten ist. 


Das stellte das Landgericht Freiburg in einem interessanten Urteil klar. (Urteil vom 18.01.2021, Az. 6 O 82/20). Der Richter folgte den Anträgen der Kanzlei im Rebland, wies die Klage auf Zahlung der Maklercoutage ab und verurteilte den Immobilienmakler zur Erstattung der Reservierungsgebühr.

Das Team der Kanzlei im Rebland freut sich mit den Mandanten über diesen tollen Erfolg!

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Verkehrsrecht - Kein Fahrverbot bei Existenzverlust (AG Überlingen, 19.11.2020)

Erfolgreiche Verteidigung gegen drohendes Fahrverbot

Schwerwiegende Geschwindigkeitsüberschreitungen haben nach dem Bußgeldkatalog in der Regel die Verhängung eines Fahrverbotes zur Folge. Von einem solchen Fahrverbot kann gem. § 4 Abs. 4 BKatV nur in Ausnahmefällen abgesehen werden, wenn das Fahrverbot für den Betroffenen eine ungewöhnliche Härte bedeutet. Eine solche ungewöhnliche Härte ist im Falle eines selbständigen Unternehmers dann anzunehmen, wenn das Fahrverbot zu dessen Existenzverlust führen würde. Dies stellte das Amstgericht Überlingen in einer interessanten Entscheidung klar. Der Richter folgte dem Antrag der Kanzlei im Rebland und hob das Fahrverbot auf. 

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Abgasskandal - Volkswagen zum Schadensersatz verurteilt (BGH, 25.05.2020)

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Deliktsrecht - Unterlassungsanspruch bei Beleidigungen (AG Lörrach, 23.03.2020)

Erfolgreicher Kampf der Kanzlei im Rebland gegen Beleidigungen ("Hate Speech"):

Der Ton in der gesellschaftlichen Kommunikation scheint in den vergangenen Jahren rauer geworden zu sein. So muss sich auch die hiesige Justiz ab und zu mit Fällen massiver Beleidigungen beschäftigen. Ín einem solchen Fall stellte das Amtsgericht Lörrach nun fest, was eigentlich selbstverständlich ist und jedem anständigen Menschen einleuchtet: Die Bezeichnungen "total verblödet", "dumm" und "Betrüger" stellen einen Angriff auf die Ehre und das Persönlichkeitsrecht dar und begründen einen Anspruch auf strafbewehrte Unterlassung.

Das Gericht gab insweit der Klage von Mandanten der Kanzlei im Rebland statt und verurteilte den Schädiger unter Androhung u. a. von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, derartige Behauptungen zu unterlassen.

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Verkehrsrecht - Standgebühren nach schweizerischem Recht (AG Lörrach, 28.02.2020)

Unverschuldeter Verkehrsunfall eines deutschen Staatsbürgers in der Schweiz:

Auch nach schweizerischem Recht sind die in der Werkstatt anfallenden Standgebühren eine erstattungsfähige Schadensposition. 

Das hat das Amtsgericht Lörrach in einer interessanten Entscheidung klargestellt und der Klage des Mandanten der Kanzlei im Rebland in vollem Umfang stattgegeben.


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Vertragsrecht - Zahlung ohne Quittung: Forderung erlischt (AG Müllheim, 04.12.2019)

Zahlungsklage erfolgreich abgewehrt

Einen schönen Erfolg konnte die Kanzlei im Rebland für eine Mandantin erringen, die nach Barzahlung des gelieferten Heizöls den Kaufpreis ein zweites Mal bezahlen sollte. Das prekäre an dem Fall: die Mandantin hatte sich die Barzahlung vom Heizöllieferanten nicht quittieren lassen. Trotz fehlender Quittung ist es der Kanzlei im Rebland gelungen, den Beweis zu führen, dass das gelieferte Heizöl tatsächlich bezahlt wurde, d. h. die Kaufpreisforderung durch Erfüllung gem. § 362 BGB erloschen ist.

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Verwaltungsrecht - Anordnung Standsicherheitsnachweis (VG Freiburg, 30.10.2019)

Erfolg der Kanzlei im Rebland: Anordnung eines Standsicherheitsnachweises rechtswidrig

Die Anordnung eines Standsicherheitsnachweises setzt nach § 28 Abs. 1 LVwVfG (BW) voraus, dass der Betroffene zuvor angehört worden ist. Unterlässt das Amt diese Anhörung, so ist der Bescheid formell rechtswidrig.

In materieller Hinsicht muss die Anordnung eines Standsicherheitsnachweises hinreichend genau bestimmt sein, d. h. es muss sich aus dem Bescheid eindeutig ergeben, welches Gebäude auf einem bestimmten Grundstück gemeint ist. Ferner setzt eine solche Anordnung voraus, dass hinreichende objektive Anhaltspunkte vorliegen, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen, wobei an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der mögliche Schaden ist. Sind in der Verwaltungsakte solche objektiven Anhaltspunkte nicht dokumentiert, ist die Anordnung eines Standsicherheitsnachweises nicht zulässig.


Dies hat das Verwaltungsgericht Freiburg in einem interessanten Beschluss klargestellt und auf Antrag der Kanzlei im Rebland die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die entsprechende Enscheidung des Landratsamtes Lörrach wiederhergestellt.

Um den kompletten Beschluss (noch nicht bestandskräftig) zu lesen (PDF), klicken Sie bitte auf die erste Seite:

Verkehrsrecht - Schadensersatz nach schweizerischem Recht (AG Lörrach, 13.09.2019)

Unverschuldeter Verkehrsunfall eines deutschen Staatsbürgers in der Schweiz:

Auch nach schweizerischem Recht sind die Reparaturkosten zu erstatten, solange sie den Marktwert des betreffenden Fahrzeuges nicht übersteigen. Der Begriff des "Totalschadens" nach schweizerischem Recht entspricht insoweit dem hiesigen Terminus des "wirtschaftlichen Totalschadens", den die deutsche Rechtsprechung entwickelt hat.

Das hat das Amtsgericht Lörrach in einer interessanten Entscheidung klargestellt und der Klage des Mandanten der Kanzlei im Rebland weit überwiegend stattgegeben.

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Kaufrecht - Rücktritt bei mangelhaftem Elektro-Rollstuhl (LG Freiburg, 19.06.2019)

Erfolg der Kanzlei im Rebland vor dem Landgericht Freiburg

Der Käufer eines Elektro-Rollstuhls darf erwarten, dass der Rollstuhl im gewöhnlichen Straßenverkehr gefahrlos eingesetzt werden kann. Hierzu gehört, dass er auch bei mehrfachen Bremsungen auf steilem Gelände einwandfrei Befehle annimmt, die etwa ein Ausweichen oder zur Seite fahren ermöglichen.
Verweigert der Verkäufer eine Beseitigung derartiger Mängel, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten.


Das hat das Landgericht Freiburg klargestellt und der Klage eines Mandanten der Kanzlei im Rebland auf Ersattung des Kaufpreises stattgegeben.

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Mietrecht - Keine Minderung bei niedriger Raumhöhe (AG Bühl, 12.04.2019)

Amtsgericht Bühl stärkt Rechte der Vermieter

Mit seinem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil vom 12.04.2019 (3 C 223/18) folgte das Amtsgericht Bühl den Anträgen der Klageerwiderung der Kanzlei im Rebland. Es wies die gegen die Mandanten der Kanzlei im Rebland gerichtete Klage der Mieter auf Erstattung von Mieten i.H.v. 11.520,00 € wegen angeblich zu geringer Wohnfläche ab. Gleichzeitig gab es der Widerklage des Mandanten überwiegend statt und verurteilte die Mieter zur Bezahlung rückständiger Mieten und einer höheren Nebenkostenvorauszahlung sowie zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Ein schöner Erfolg für den Mandanten der Kanzlei im Rebland.

In dem (noch nicht rechtskräftigen) Urteil traf das Amtsgericht Bühl unter anderem sinngemäß folgende interessante Feststellungen, die im Mietrecht durchaus bedeutend sein können:

Allein die Tatsache, dass die Höhe eines vermieteten Wohnraumes und die Fensterfläche nicht den bauordnungsrechtlichen Vorschriften entsprechen, führt nicht dazu, dass dieser Raum nicht bei der Wohnflächenberechnung zu berücksichtigen ist. Sofern die Nutzbarkeit des Raumes mangels Einschreiten der zuständigen Behörden nicht eingeschränkt ist, hat der Mieter kein Recht zur Mietminderung. 

Stützt der Vermieter sein Mieterhöhungsverlangen gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB auf entsprechende Entgelte, die für vergleichbare Wohnungen bezahlt werden (ortsübliche Vergleichsmiete), so müssen die in Bezug genommenen Vergleichswohnungen auch hinsichtlich der Wohnfläche ähnlich sein.  Weicht die Wohnfläche der in Bezug genommenen Vergleichswohnung um mehr als 1/3 der Wohnfläche ab, so ist die Wohnung nicht vergleichbar im Sinne von § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB.

Macht ein Mieter fahrlässig gegen seinen Vermieter einen unberechtigten Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der bereits gezahlten Mietzinsen geltend, so stellt dies eine vertragliche Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB dar. Sind dem Vermieter durch diese Pflichtverletzung Rechtsanwaltskosten zur Abwehr dieses unberechtigten Anspruchs entstanden, hat der Mieter dem Vermieter diesen Schaden gemäß §§ 249 ff. BGB zu ersetzen.


Hier das durchaus interessante, noch nicht rechtskräftige Urteil des Amtsgerichtes Bühl im Volltext (Layout geändert):



Aktenzeichen:
3 C 223/18
 
Amtsgericht Bühl
Im Namen des Volkes

U r t e i l
 
In dem Rechtsstreit
 
1. ---, --- Straße --, 77815 Bühl
- Kläger -
 
2. ---, --- Straße 11, 77815 Bühl
- Klägerin -
 
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte --- & ---, ---, 76547 Sinzheim, Gz.: 323/2018B1 jk
 
gegen
 
---, ---, 79418 Schliengen
- Beklagte -
 
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Kanzlei im Rebland, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen
 
wegen Forderung
 
hat das Amtsgericht Bühl durch die Richterin --- am 12.04.2019 aufgrund der mündlichen
Verhandlung vom 21.01.2019 für Recht erkannt:
 
1.
Die Klage wird abgewiesen.
 
2.
Auf die Widerklage wird festgestellt, dass die monatliche Betriebskosten-Vorauszahlung für die Wohnung im Erdgeschoss des Hausanwesens --- in 77815 Bühl, OT Weitenung, seit dem 01.08.2018 monatlich 165,00 € beträgt.
 
3.
Die Kläger werden als Gesamtschuldner auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 368,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 92,00 € seit 07.05.2018, 06.06.2018, 05.07.2018 und seit 06.08.2018 zu zahlen.
 
4.
Die Kläger werden als Gesamtschuldner auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte 931 ,72 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.09.2018 zu zahlen.
 
5.
Die Kläger werden als Gesamtschuldner auf die Widerklage verurteilt, an die Beklagte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171 ,67 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.09.2018 zu zahlen.
 
6.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
 
7.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger als Gesamtschuldner 20 % sowie alleine jeweils 36 % und die Beklagte 8 % zu tragen.
 
8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
 
T a t b e s t a n d
 
Die Parteien streiten über einen Anspruch der Kläger auf Rückzahlung eines Teils der gezahlten Miete sowie im Rahmen der Widerklage um die Zustimmung zur Mieterhöhung, Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung sowie Zahlung rückständiger Miete und Nebenkostenvorauszahlung.

Zwischen den Parteien besteht ein Mietverhältnis, wobei die Kläger die Mieter sind und die Beklagte die Vermieterin ist. Mietbeginn war am 01.10.2000. Die Miete beträgt seit dem 01.10.2015 insgesamt 670,00 € (530,00 € kalt; 30,00 € Garage; 110,00 € Nebenkostenvorauszahlung).

Mit Schreiben vom 06.03.2018 begehrt die Klägerin eine Mieterhöhung auf 580,00 € Kaltmiete, 50,00 € für die Garage und die Anpassung der Nebenkostenvorauszahlung auf 150,00 €. Als Grundlage für die Mieterhöhung wurde eine Fläche von 132,35 € zu Grunde gelegt. Diese Fläche ergibt sich nach der beigefügten Skizze aus 104,98 m2 im Erdgeschoss und 27,37 m2 für ein Zimmer im Untergeschoss. Das Mieterhöhungsverlangen wurde auf folgende Vergleichswohnungen gestützt:
 
- Bühl, ---str. --, 3-Zimmer-Wohnung im Erdgeschoss links (Fam. ---), 90 qm, Kaltmiete 630,00 Euro (6,89 Euro/qm),
 
- Bühl, --- Str. --, Doppelhaushälfte (Fam. ---), 130 qm, Kaltmiete 900,00 Euro (6,92 Euro/qm),
 
- Bühl, ---str. --, 4-Zimmer-Wohnung im 1 Obergeschoss (Familie --- / ---), 105 qm, 570,00 Euro (5,43 Euro/qm),
 
- Bühl, ---str. --, 3,5-Zimmer-Wohnung im Dachgeschoss (Familie --- / ---), 77,70 qm, Nettomiete 500,00 Euro (6,44 Euro/qm)."

Die Kläger haben dieses Begehren mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Raum im Keller nicht als Wohnfläche zu berücksichtigen sei und haben im gleichen Schreiben vom 17.04.2018 eine Rückzahlung eines Teils der gezahlten Miete seit Mietbeginn bis zum 01.05.2018 in Höhe von insgesamt 20.017,80 € geltend gemacht. Seit dem 01.05.2018 zahlen die Kläger eine um 92,00 € geminderte Miete.
 
Die Kläger tragen vor, dass sie sich durch das Mieterhöhungsverlangen veranlasst gesehen hatten zu überprüfen, ob das Zimmer im Kellergeschoss im Rahmen der Wohnflächenberechnung hätte berücksichtigt werden dürfen. Hierzu sei im April 2018 die Höhe des Raumes gemessen worden, wobei festgestellt worden sei, dass diese nur 2,25 m betrage. Bauordnungsrechtlich sei allerdings eine Mindesthöhe von 2,30 m einzuhalten. Der Raum sei daher objektiv nicht zum Wohnen geeignet und dürfe nicht bei der Flächenberechnung berücksichtigt werden.
Die Kläger tragen weiter vor, dass die Höhe des Kellerraumes vor der Messung im April 2018 nicht bekannt gewesen sei und die Höhe von 2,24 m vom Boden bis zur ursprünglichen Decke gemessen sei. Zudem sei laut Mietvertrag kein weiterer Raum im Keller mitvermietet, auch kein Abstellraum, weshalb der Kellerraum zum Abstellen von Gegenständen genutzt worden sei. Die Sauna im Kellerraum sei ebenso nur selten in Anspruch genommen worden. Lediglich im Jahr 2005 hab die Nichte das Zimmer zum Schlafen genuut. Nach Ende deren Ausbildung wiederum dann nur als Abstellraum.
 
Die Kläger tragen zur Widerklage vor, dass die im Mieterhöhungsverlangen genannten Wohnungen nicht vergleichbar seien und zudem Angaben zu bspw. Baujahr, Ausstattung und Beschaffenheit fehlen würden.

Die Kläger sind zudem der Ansicht, dass die Abrechnungen auf Grund der zu Grunde gelegten Wohnfläche falsch seien und die Anpassung der Vorauszahlungen daher auch nicht berechtigt seien.

Hinsichtlich der Rückzahlung machen die Kläger mit der Klage lediglich noch einen Zeitraum von 10 Jahren und somit vom 01.05.2008 bis zum 30.04.2018 geltend.
 
Die Kläger beantragen daher:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 11.520,00 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
 
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
 
Widerklagend beantragt die Beklagte:
 
1.
Die Kläger werden verurteilt, der Erhöhung der Netto-Miete für die Wohnung im Erdgschoss des Hausanwesens --- Straße -- in 77815 Bühl, OT Weitenung, von bisher monatlich 560,00 Euro auf nunmehr monatlich 665,00 Euro netto mit Wirkung ab dem 01.08.2018 zuzustimmen.
 
2.
Es wird festgestellt, dass die monatliche Betriebskosten-Vorauszahlung für die Wohnung im Erdgeschoss des Hausanwesens --- Straße -- in 77815 Bühl, OT Weitenung, seit dem 01.08.2018 monatlich 165,00 Euro beträgt.
 
3.
Die Kläger werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte 368,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 92,00 Euro seit dem 07.05.2018 aus 92,00 Euro seit dem 06.06.2018, aus 92,00 Euro seit dem 05.07.2018 sowie aus 92,00 Euro seit dem 06.08.2018 zu bezahlen.
 
4.
Die Kläger werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagten 931,72 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
 
5.
Die Kläger werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Beklagte vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.172,67 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinss& hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
 
Die Kläger beantragen,
die Widerklage abzuweisen.
 
Die Beklagte trägt zur Begründung vor, dass zur Ermittlung der Wohnfläche auch der Raum im Keller mit Sauna zu berücksichtigen sei, dass die Wohnfläche 132,35 m2 betrage. Der Raum sei zu Mietbeginn auch höher als 2,25 m gewesen, da die Kläger ca. 2005 eine neue Decke mit Unterkonstruktion im Kellerraum angebracht haben, wodurch die Decke niedriger sei. Die Raumhöhe betrage daher vermutlich 2,30 m. Zudem sei der Raum auch objektiv betrachtet als Wohnraum nutzbar. So sei das Zimmer auch von 2005 bis 2007 untervermietet gewesen.
Die Beklagte trägt weiter vor, dass die Wohnung zu Mietbeginn auch besichtigt worden sei, so dass die Raumhöhe bekannt gewesen sei, weshalb ihrer Ansicht nach der geltend gemachte Anspruch auch bereits auf Grund von S 536 b BGB ausgeschlossen sei. Zudem erhebt die Beklagte die Einrede der Verjährung und macht Verwirkung geltend.
 
Zur Widerklage trägt die Beklagte vor, dass die aufgeführten Wohnungen mit der von den Klägern bewohnten Wohnung in jeder Hinsicht vergleichbar seien, vor allem auch hinsichtlich ihrer jeweiligen Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit, Lage und Baujahr.

Sie trägt weiter vor, dass die Nebenkostenabrechnung für den Zeitraum vom 01.06.2017 bis 31.05.2018 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 931 ,72 € ergibt, was eine Vorauszahlung von 187,64 € ergäbe. Es bestehe somit ein Anspruch auf Anpassung, welcher in Höhe von 165,00 € monatlich geltend gemachte werde. Zudem werde die rückständige Nebenkostennachzahlung in Höhe von 931 € sowie die rückständige Miete für Mai bis August 2018 in Höhe von jeweils 92,00 € pro Monat geltend gemacht.
 
Die Beklagt ist des Weiteren der Ansicht, dass die durch die Abwehr der geltend gemachten Rückzahlung von Miete in Höhe von 20.017,80 € entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171 ,67 € von den Kläger zu erstatten seien, da diese durch die unberechtigte Geltendmachung der Rückforderung eine Nebenpflicht aus dem Mietverhältnis verleut hätten.
 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsäte nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21 .OI .2019 (AS 209 ff.) Bezug genommen. Das Gericht hat ohne Beweisaufnahme entschieden.
 
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
 
Die Klage ist zwar zulässig, aber unbegründet. Die Widerklage ist zulässig und im tenorierten Umfang begründet.
 
I.
 
Die zulässige Klage ist unbegründet.
 
Die Kläger haben gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von 1 1.520,00 G.
 
1.
Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rückzahlung eines Teils der Miete in Höhe von insgesamt 11.520,00 € aus ungerechtfertigter Bereichung gemäß § 812 BGB.

Hinsichtlich der durch die Kläger von der Beklagten angemieteten Wohnung im Anwesen --- Straße -- in 77815 Bühl-Weitenung liegt kein Mangel durch eine abweichende Wohnfläche vor, welcher zur Minderung der Miete gemäß § 536 BGB berechtigt, weshalb keine Miete ohne Rechtsgrund bezahlt wurde.
 
Ausweislich des Mietvertrages haben die Kläger von den Beklagten eine 5-Zimmer-Wohnung gemietet, wobei ausweislich des S 1 des Mietvertrages sich die Wohnung im Erdgeschoss und ein Zimmer im Untergeschoss befindet. Unter Heranziehung dieser 5 Zimmer ergibt sich eine Wohnfläche der angemieteten Wohnung von insgesamt 132,35 m2, so dass die im Mietvertrag angegebene Mietfläche von ca. 123 rn2 nicht, wie von den Klägem geltend gemacht, unterschritten wird, sondern sogar um 9 ma und somit um 7 % überschritten wird.
 
Entgegen dem Vortrag der Kläger ist der Raum im Untergeschoss bei der Ermittlung der vermieteten und für die Abrechnung etc. maßgeblichen Wohnfläche zu berücksichtigen. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich bereits aus dem Mietvertrag, dass auch der Raum im Untergeschoss zu Wohnzwecken an die Kläger vermietet worden ist. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil vom 16.09.2009 – VIII ZR 275108 -, NJW 2009, 3421, beck-online) spielt hierbei eine öffentlich-rechtliche Nutzungsbeschränkung keine Rolle und berechtigen nicht zur Mietminderung, wenn deren Nutzbarkeit mangels Einschreiten der zuständigen Behörden nicht eingeschränkt ist. Ein solches Einschreiten ist vorliegend wiederum nicht gegeben. Allein die bestrittene Tatsache, dass die Höhe des Raumes im Keller und die Fensterfläche nicht den bauordnungsrechtlichen Vorschriften entspreche, führt somit nicht dazu, dass dieser Raum nicht bei der Wohnflächenberechnung zu berücksichtigen ist. Gleiches gilt für die Bestimmungen der Il. BerechnungsVO. Da die Parteien vorliegend ausweislich des Mietvertrages explizit einen Raum im Untergeschoss als Wohnraum vermietet haben, ist die Fläche dieses Raumes bei der Wohnflächenermittlung unabhängig davon mit einzurechnen, ob sie bei der Flächenberechnung nach der genannten Verordnung als Wohnraum anzurechnen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16.09.2009 - VIII ZR 275/08 -, NJW 2009, 3421 , beck-online).
 
Entgegen der Ansicht der Kläger widerspricht die Tatsache, dass neben dem Raum im Untergeschoss mit der mitvermieteten Sauna kein weiterer Kellerraum oder Abstellraum vermietet wurde, nicht der Vermietung des Raumes als Wohnraum. Es gibt keinerlei Verpflichtung in Deutschland dazu, eine Mietwohnung mit einem Kellerraum oder sonstigem Abstellraum zu vermieten. Gleiches gilt für die Nutzung des Raumes durch die Kläger zum Lagem von Gegenständen. Allein durch die konkrete Nutzung eines Raumes durch die Mieter kann keine einseitige Änderung des Mietvertrages herbeigeführt werden. Andemfalls könnte allein durch die tatsächliche Nutzung eines Raumes durch die Mieter, worauf der Vermieter wiederum keinerlei Einflussmöglichkeit hat, die Wohnfläche einer Wohnung verringert werden und dadurch ein Mangel herbeigeführt werden, welcher zur Mietminderung berechtigt.
 
Zudem wurde der Raum im Untergeschoss unstreitig zeitweise auch als Wohnraum von der Nichte der Kläger genutzt, was wiederum zeigt, dass der Raum im Untergeschoss als Wohnraum geeignet und nutzbar ist. Dass die Kläger augenscheinlich wenig Interesse an der Nutzung des Raumes im Untergeschoss haben, zeigt sich wiederum auch darin, dass sie auch die mitvermietete Sauna, welche durch diesen Raum betreten und genutzt werden kann, ebenso wie den Raum selbst nach eigenen Angaben nur nutzen würden. Alleine diese geringe Nutzung der Sauna ändert allerdings ebensowenig deren Zweckbestimmung als Sauna. GleiChes gilt, wie bereits ausgeführt, für den angrenzenden Raum.
 
2.
Andere Anspruchsgrundlagen für einen Anspruch auf Zahlung von 11.520,00 € gegenüber der Beklagten wurden nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich.
 
II.
 
Die Widerklage ist zulässig.
 
1.
Insbesondere liegen die Voraussetzungen von § 33 ZPO vor. Nach dieser Vorschrift kann bei dem Gericht der Klage eine Widerklage erhoben werden, wenn der Gegenanspruch mit dem in der Klage geltend gemachten Anspruch im Zusammenhang steht. Das ist hier der Fall. Die mit der Widerklage geltend gemachten Ansprüche auf Zustimmung zur Mieterhöhung, Feststellung der erhöhten Nebenkostenvorauszahlung, Nebenkostennachzahlung und Mietnachzahlung sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten der Beklagten beruhen alle auf dem gleichen Mietverhältnis zwischen den Parteien und auf dem bereits außergerichtlich geltend gemachten streitgegenständlichen Rückzahlungsanspruch der Kläger.
 
2.
Ebenso liegt das besondere Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 BGB hinsichtlich des Feststellungsantrages vor. Nach dieser Vorschrift kann u.a. Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis festgestellt werde. Diese Voraussetzung liegt hier vor. Die Parteien streiten sich darüber, ob die Anpassung der Nebenkostenvorauszahlung durch die Beklagte wirksam ist. Die Beklagte hat somit ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass diese Anpassung wirksam ist und die Kläger verpflichtet sind, die erhöhten Nebenkostenvorauszahlungen zu leisten, da auf anderem Wege der mögliche Anspruch aus § 560 Abs. 4 BGB nicht durchsetzbar ist und die Kläger bis zur nächsten Abrechnung weiterhin nur die ursprüngliche Vorauszahlung leisten.
 
III.
 
Die Widerklage ist im tenorierten Umfang begründet.
 
1.
Die Beklagte hat gegenüber den Klägern keinen Anspruch auf Zustimmung zur Mieterhöhung gemäß § 558 Abs. 1 BGB.
 
Die Beklagte hat mangels ausreichender und richtiger Begründung gemäß § 558a Abs. 2 Nr. 4 BGB die für ein wirksames Mieterhöhungsverlangen erforderliche Form des § 558a Abs. 1 BGB nicht eingehalten, so dass das Mieterhöhungsverlangen unwirksam ist. Nach der genannten Vorschrift kann zur Begründung des Mieterhöhungsverlangens auf entsprechende Entgelte für einzelne vergleichbare Wohnungen Bezug genommen werden, wobei eine Benennung von drei Wohnungen ausreichend ist. Vorliegend hat die Beklagte in ihrem Schreiben vom 06.03.2018 zwar vier Wohnungen genannt, so dass die erforderliche Anzahl erreicht ist. Die genannten Wohnungen sind allerdings nicht mit der von den Klägern angemieteten und von dem Erhöhungsverlangen betroffenen Wohnung vergleichbar. So ist die als zweites angeführte Wohnung bereits keine Wohnung, sondern eine Doppelhaushälfte und bereits deshalb nicht mit einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus vergleichbar. Die letztgenannte Wohnung hat wiederum lediglich 77,70 m2 und somit über 50 rn2 weniger Wohnfläche, was mehr als 1/3 der Wohnfläche ausmacht, so dass es sich auf Grund des Zuschnitts der Wohnungen nicht um vergleichbare Wohnungen handelt. Da die zwei dann übrig gebliebenen Wohnungen nicht ausreichend für ein formell wirksames Mieterhöhungsverlangen sind, muss diesbezüglich nicht geprüft werden, ob sie auch tatsächlich vergleichbar im Hinblick auf Ausstattung etc. sind.
 
2.
Die Beklagte hat allerdings einen Anspruch auf Feststellung, dass die Betriebskostenvorauszahlung seit 01.08.2018 monatlich 165,00 € beträgt.
 
Gemäß § 560 Abs. 4 BGB kann jede Vertragspartei nach einer Abrechnung durch Erklärung in Textform eine Anpassung der Betriebskostenvorauszahlungen auf eine angemessene Höhe vornehmen.
 
Dies wurde seitens der Beklagten mit Schreiben vom 07.05.2018 zum 01.08.2018 vorgenommen. Die dieser Anpassung zu Grunde liegende Abrechnung ist auch wirksam, da entgegen dem Einwand der Kläger die Umlegung der Nebenkosten in Bezug auf die zu Grunde gelegte Wohnfläche nicht falsch ist. Wie bereits oben ausgeführt, beträgt die vermietete Wohnfläche nicht lediglich 104,98 m2, da auch der Raum im Untergeschoss zu berücksichtigen ist. Die Nebenkostenabrechnung ist daher materiell richtig und kann als Grundlage für eine Anpassung der Vorauszahlungen gemäß § 560 Abs. 4 BGB herangezogen werden.
 
3.
Die Beklagte hat gegenüber den Klägern einen Anspruch auf Zahlung rückständiger Miete in Höhe von insgesamt 368,00 € aus § 535 Abs. 2 BGB.
 
Gemäß § 535 Abs. 2 BGB schulden die Kläger die im Mietvertrag vereinbarte Miete. Diese beträgt seit dem 01.10.2015 unstreitig insgesamt 640,00 €. Diese haben die Beklagten wiederum in den Monaten Mai bis August 2018 um jeweils 92,00 € gemindert. Da allerdings, wie oben bereits ausgeführt (vgl. l. 1 die Mietsache keinen zur Minderung gemäß § 536 BGB berechtigenden Mangel aufrveist, schulden die Kläger weiterhin die geminderte Miete in Höhe von insgesamt 368,00 €. Diese rückständige Miete war auch jeweils zum dritten Werktag des jeweiligen Monats fällig, so dass sich die Kläger mit Ablauf dieses Tages jeweils in Verzug mit der restlichen Miete von jeweils 92,00 € befinden, so dass gemäß §§ 288, 286 BGB jeweils Zinsen ab dem Tag nach dem dritten Werktag geschuldet sind.
 
4.
Die Beklagte hat ebenso einen Anspruch gegenüber den Klägern auf Zahlung der Nebenkostennachzahlung in Höhe von 931 € gemäß § 556 BGB i.V.m. dem Mietvertrag.
 
Die Kläger schulden gemäß § 556 BGB i.V.m. dem Mietvertrag zudem die sich aus der Nebenkostenabrechnung vom 02.07.2018 für den Zeitraum 01.06.2017 bis 31.05.2018 ergebende Nachzahlung in Höhe von 931 ,72 €. Wie oben bereits ausgeführt, ist die Abrechnung über die Nebenkosten gemäß § 556a BGB materiell richtig und auch innerhalb der Frist des § 556 Abs. 3 BGB erfolgt. Mangels anderweitiger Einwendungen ist der Nachzahlungsbetrag aus der Abrechnung fällig und von den Klägern als Mieter zu zahlen. Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich wiederum aus §§ 291, 288 BGB. Die Widerklage wurde den Klägern über ihren Prozessbevollmächtigten am 12.09.2018 zugestellt, so dass ab dem 13.09.2018 Zinsen geschuldet sind.
 
5.
Die Beklagte hat zudem einen Anspruch gegenüber den Kläger auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171 € aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Mietvertrag.
 
Da ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch nicht in Betracht kommt, ist ein solcher lediglich gegeben, wenn ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch besteht. Denn ein genereller Kostenerstattungsanspruch gegen denjenigen, der sich unberechtigt eines Rechts berühmt, kennt die deutsche Rechtsordnung nicht. Mit unberechtigten Ansprüchen konfrontiert zu werden, gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, soweit nicht die Voraussetzungen einer speziellen Haftungsnorm vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2006 - VI ZR 224/05, Rn. 14, juris). Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch ist vorliegend gegeben. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 12.12.2006 - VI ZR 224/05, juris) wird der materiellrechtliche Kostenerstattungsanspruch zwar nicht von vomherein durch die Regelungen der §§ 91 ff. ZPO ausgeschlossen. Jedoch müssen die Voraussetzungen einer materiellrechtlichen Anspruchsgrundlage erfüllt sein. Ein materiellrechtlicher Kostenerstattungsanspruch kann sich etwa aus Vertrag, Verzug, positiver Vertragsverletzung, culpa in contrahendo, Geschäftsführung ohne Auftrag oder Delikt ergeben. Wird jemand unberechtigt als angeblicher Schuldner mit einer Forderung konfrontiert und entstehen ihm bei der Abwehr dieser Forderung Kosten, dann kommen als Anspruchsgrundlage für einen Ersatz regelmäßig culpa in contrahendo, positive Vertragsverletzung oder die deliktischen Vorschriften (§§ 823, 826 BGB) in Betracht.
 
Ein Kostenerstattungsanspruch aus positiver Vertragsverletzung oder aus culpa in contrahendo setzt voraus, dass der vermeintliche Anspruch im Rahmen einer (vor-) vertraglichen Beziehung der Parteien geltend gemacht wird. Dies ist vorliegend der Fall. Die Kläger haben sich vorgerichtlich eines Anspruchs auf Rückzahlung von zu viel gezahlter Miete in Höhe von 20.017,80 € im Rahmen des zwischen den Parteien bestehenden Mietverhältnisses gerühmt. Es besteht somit zwischen den Parteien ein Vertragsverhältnis in Form des Mietverhältnisses. Der von den Klägern geltend gemachte Anspruch stammt wiederum auch gerade aus diesem Vertragsverhältnis.
 
Gemäß § 241 Abs. 2 BGB sind die Parteien im Rahmen des bestehenden Mietverhältnisses verpflichtet auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils Rücksicht zu nehmen. Die Kläger haben dadurch, dass sie sich unberechtigterweise eines Anspruchs auf Rückzahlung eines Teils der im Laufe des Mietverhältnisses gezahlten Mietzinsen gerühmt haben, gegen diese Rücksichtnahmepflicht verstoßen und somit eine Pflichtverletzung gemäß § 280 Abs. 1 BGB begangen. Die Pflichtverletzung geschah hierbei auch zumindest fahrlässig im Sinne des § 276 Abs. 2 BGB, da die Kläger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen habe als sie sich eines Zahlungsanspruches wegen zu viel gezahlter Miete rühmten, obwohl sie selbst ihrem Mietvertrag entnehmen konnten, dass zur Wohnfläche auch der im Untergeschoss mitvermietete Raum gehört.

Der durch die Pflichtverletzung entstandene und gemäß §§ 249 ff. BGB zu ersetzende Schaden besteht wiederum in den durch die Abwehr dieses unberechtigten Anspruchs entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171,67 €.

 
Der Anspruch auf die geltend gemachten Zinsen ergibt sich wiederum aus §§ 291 , 288 BGB. Die Widerklage wurde den Klägern über ihren Prozessbevollmächtigten am 12.09.2018 zugestellt, so dass ab dem 13.09.2018 Zinsen geschuldet sind.
 
IV.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
(…)
---
Richterin
 
Verkündet am 12.04.2019
---, JHSekMin
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Beglaubigt
Bühl, 17.04.2019

Abgasskandal - Schadensersatzanspruch gegen VW (OLG Karlsruhe, 05.03.2019)

OLG Karlsruhe zum Abgasskandal:

Fahrzeugkäufer kann von Volkswagen AG wohl Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verlangen.

 

(OLG Karlsruhe, Hinweisbeschluss vom 05.03.2019, 13 U 142/18)
 

Nach vorläufiger Auffassung des Oberlandesgerichts Karlsruhe kann ein vom VW-Abgasskandal betroffener Fahrzeugkäufer von der Volkswagen AG als Herstellerin des Fahrzeuges wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung Schadenersatz in Form der Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen. Grundlage dafür sei, so die Richter aus Karlsruhe, § 826 BGB. Ebenfalls in Erwägung zieht das Gericht eine Haftung für einen Verrichtungsgehilfen aus § 831 BGB. Dies geht aus einem Hinweisbeschluss des OLG Karlsruhe vom 05.03.2019 hervor (Az.13 U 142/18).

Die mündliche Verhandlung über die Berufung ist in diesem Verfahren auf den 12.04.2019 terminiert.

Der Hinweis des OLG Karlsruhe, dessen Rechtssprechung hier bei uns im Markgräflerland maßgeblich ist, stimmt zuversichtlich. Nachdem das Landgericht Freiburg bereits im September 2018 einer Klage der Kanzlei im Rebland stattgegeben und VW zum Schadensersatz verurteilt hatte, besteht nun die berechtigte Hoffnung, dass auch das OLG Karlsruhe zugunsten der geschädigten Diesel-Käufer entscheiden und die Berufung von VW gegen das Urteil des LG Freiburg zurückweisen wird.

Abgasskandal - Volkswagen zum Schadensersatz verurteilt (LG Freiburg, 07.09.2018)

 

Klage der Kanzlei im Rebland gegen Volkswagen AG erfolgreich


VW-Dieselskandal – Landgericht Freiburg stärkt Rechte der Autokäufer


Der Unmut der Autofahrer gegenüber den Autoherstellern wächst. Sie sind verärgert, weil sie durch die Schummelsoftware, die teilweise in Fahrzeuge verbaut wurde, nun von den drohenden Diesel-fahrverboten betroffen sein könnten. Ferner fürchten sie einen massiven Wertverlust ihrer Pkw.

 

So ging es auch Mandanten der Kanzlei im Rebland, die sich zur Wehr setzten und den VW-Konzern auf Schadensersatz verklagten. Mit Erfolg: in einer aktuellen, noch nicht rechtskräftigen Entscheidung verurteilte das Landgericht Freiburg die Volkswagen AG zur Rücknahme des PKW, Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises (Landgericht Freiburg, Urteil vom 07.09.2018, 5 O 55/18, noch nicht rechtskräftig)

 

Nach den Feststellungen des Gerichts verbaute der VW-Konzern in dem betroffenen Pkw, einem VW Caddy, eine Software der Motorsteuerung, die erkennen kann, ob sich das Fahrzeug in einem Testzyklus auf dem Prüfstand oder im Realbetrieb befindet, und den Motor unterschiedlich steuert. Mit dem Inverkehrbringen von Fahrzeugen mit einer solchen Abschaltsoftware habe VW sittenwidrig gehandelt. Der Konzern habe in großem Umfang und mit erheblichem Aufwand gegen wichtige gesetzliche Umweltvorschriften verstoßen.

 

Es ist zu erwarten, dass VW gegen dieses Urteil aus Freiburg Berufung einlegen wird. Bundesweit ist die Rechtsprechung zum VW-Dieselskandal noch uneinheitlich. Es gibt noch kein klärendes Urteil des Bundesgerichtshofes. Die neue Entscheidung macht jedoch Mut und stimmt zuversichtlich. Von daher sollten betroffene Diesel-Fahrer, auch wenn sie das Software-Update schon durchgeführt haben, nicht zögern, sich anwaltlich beraten zu lassen und gegebenenfalls ihre Rechte gegen den VW-Konzern geltend zu machen.

Hier die interessante Entscheidung im Volltext (anonymisiert, Layout geändert):

 



Aktenzeichen:

5 O 55/18

 

Landgericht Freiburg im

Breisgau

 

Im Namen des Volkes

 

U r t e i l

 

In dem Rechtsstreit

 

---, ---, 79415 Bad Bellingen - Kläger -

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte Kanzlei im Rebland, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 86/17

 

gegen

 

Volkswagen Aktiengesellschaft, vertreten durch d. Vorstandsvorsitzenden ---, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg - Beklagte –

 

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte --- Kanzlei Dr. ---, Dr. --- Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, ---, ---, Gz.: VT1810336 wegen Schadensersatz

 

hat das Landgericht Freiburg im Breisgau - 5. Zivilkammer - durch den Richter am Landgericht --- als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29.06.2018 für Recht erkannt:

 

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei 19.218,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2018 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des PKW Marke Volkswagen Caddy Maxi Fahrgestellnummer WV2ZZZ2KZCX021341 zu zahlen.

 

2.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Übernahme des vorgenannten PKW in Annahmeverzug befindet.

 

3.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Klagepartei vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.171 ,67 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem

Basiszinssatz seit dem 27.02.2018 zu zahlen.

 

4.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

 

5.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

 

T a t b e s t a n d

 

Die Klagepartei macht im Zusammenhang mit dem VW-Abgasskandal gegenüber der Beklagten im Hinblick auf den Erwerb eines Fahrzeugs VW Caddy Maxi 1 ,6 TDI als Schadensersatz die Zahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs geltend.

 

Die Klagepartei erwarb mit verbindlicher Bestellung vom 18.03.2011 vom Autohaus --- GmbH zum Kaufpreis von 27.644,76 € (Rechnung K 12) ein Neufahrzeug der Marke VW Caddy Maxi 1 TDI, Fahrzeugidentifizierungsnummer WV2ZZZ2KZCX021341 , der von der Beklagten hergestellt wurde. In dem streitgegenständlichen Fahrzeug, das in der Emissionsklasse Euro 5 eingestuft ist, ist ein Dieselmotor des Typs EA 189 EU 5 eingebaut.

Das betroffene Fahrzeug verfügt über eine Software der Motorsteuerung, die angesichts verschiedener Umstände erkennen kann, ob sich das Fahrzeug in einem Testzyklus für die Abgasmessung im „Neuen Europäischen Fahrzyklus" (NEFZ) auf einem Prüfstand befindet oder nicht, und den Motor unterschiedlich steuert. Für den Abgastest auf dem Prüfstand wird das Fahrzeug so betrieben, dass der Motor in einem Modus mit relativ hoher Abgasrückführung und einem niedrigen Stickoxidausstoß, der die Grenzwerte einhält, gebracht wird, während der Motor im realen Fahrbetrieb in einem geänderten Modus eine geringere Abgasrückführung mit einem höheren Stickoxidausstoß erzeugt.

Mit Bescheid des Kraftfahrzeugbundesamts (KBA) vom 14.10.2015 wurde die Beklagte verpflichtet, bei allen betroffenen Fahrzeugen mit dem Motor EA 189 die aus Sicht des Bundesamts vorliegenden unzulässigen Abschaltvorrichtungen zu entfernen und nachzuweisen, dass nun die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden.

Mit Bescheid vom 03.11.2016 (Anlage B 1) hat das KBA die für das streitgegenständliche Fahrzeug von der Beklagten entwickelte technische Lösung durch Aufspielen eines Software-Updates freigegeben.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 07.12.2017 hat die Klagepartei gegenüber der Beklagten die Rückabwicklung geltend gemacht.

Das Software-Update wurde ohne Wissen und Zustimmung der Klagepartei auf das Fahrzeug am 16.01.2018 durch das Autohaus --- aufgespielt (vgl. Anl. 1 z. P. v. 29.06.18).

Unstreitig betrug der Kilometerstand zum Zeitpunkt letzten mündlichen Verhandlung 76.199 Kilometer.

 

Die Klagepartei macht geltend, das streitgegenständliche Fahrzeug sei bei Übergabe mit einem Mangel behaftet gewesen. Bei der verwendeten Software der Motorsteuerung handele es sich um eine unzulässige Abschalteinrichtung. Im tatsächlichen Betrieb erzeuge das Fahrzeug einen höheren Stickoxidausstoß als dies nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zulässig sei. Die Haftung der Beklagten auf Schadensersatz ergebe sich insbesondere aus Delikt. Der Vorstand der Beklagten habe gewusst, dass in Fahrzeuge mit dem streitgegenständlichen Motortyp EA 189 eine Software in die Motorsteuerung eingebaut wurde, die die Abgasrückführung auf dem Prüfstand anders als im realen Fahrbetrieb regelt, um die Abgasgrenzwerte einzuhalten. Die Beklagte müsse sich die Kenntnis ihres Vorstands über die manipulierte Software zurechnen lassen. Jedenfalls sei die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast zur Frage der Kenntnis des Vorstands von der Manipulation der Motorsteuerungssoftware nicht nachgekommen. Die Manipulation ihrer unmittelbar handelnden Ingenieure müsse sie sich nach § 831 BGB zurechnen lassen. Ein ersetzbarer Schaden ergebe sich nicht nur aus einem Minderwert des Fahrzeugs infolge einer zu erwartenden Funktionsbeeinträchtigung oder fehlenden Zulassungsfähigkeit. Ein zum Ersatz verpflichtender Schaden bestehe schon in der unerwünschten Vertragsbindung, die einen zweckwidrigen Einsatz des Vermögens der Klagepartei darstelle.

 

Die Klagepartei beantragt nach übereinstimmender teilweiser Erledigungserklärung zuletzt:

 

1.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 19.218,75 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.01.2018 zu zahlen und zwar Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw Hersteller Volkswagenmodell Caddy Maxi Fahrgestellnummer WV2ZZZ2KZCX021341.

 

2.

Es wird festgestellt, dass ich die Beklagte mit der Entgegennahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten PKW in Annahmeverzug befindet.

 

3.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1171 ,67 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Die Beklagte bestreitet, dass die verbaute Software eine unzulässige Abschalteinrichtung oder einen Mangel des Fahrzeugs darstelle. Die Beklagte habe die Klagepartei nicht getäuscht. Ihr Vorstand habe von der Entwicklung der manipulierten Software nichts gewusst und auch keine Kenntnis von deren Verwendung im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gehabt. Die Grundsätze der sekundären Darlegungslast seien nicht anwendbar. Die Beklagte meint außerdem, die Softwarekonfiguration bei Dieselmotoren des Typs EA 189 EIJ5 habe weder sittenwidrigen Zwecken gedient noch seien durch deren Verwendung Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB verletzt worden. Im Übrigen sei der Klagepartei auch kein Schaden entstanden. Durch das bereits Softwareupdate sei ein vorschriftsmäßiger Fahrzeugzustand hergestellt worden, ohne dass hierdurch Nachteile entstanden seien.

 

Das Gericht hat am 29.06.2018 mündlich verhandelt (Protokoll Aktenseite 315-329).

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst zugehöriger Anlagen und die übrigen Aktenbestandteile.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB in Höhe von 19.218,75 EUR Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des im Tenor näher bezeichneten Fahrzeugs.

 

1 .

Das Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit eingebauter Abschaltvorrichtung durch die Beklagte stellt ein sittenwidriges Verhalten dar.

a)

Objektiv sittenwidrig ist eine Handlung, die gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Wer bewusst täuscht, um einen anderen zu einem Vertragsschluss zu bringen, handelt in der Regel sittenwidrig (BGH, Urteil vom 21.12.2004, VI ZR

306/03, BGHZ 161, 361

b)

Das Inverkehrbringen der Fahrzeuge mit Abschalteinrichtung war danach sittenwidrig. Denn die Beklagte hat in großem Umfang und mit erheblichem technischen Aufiwand gegen wichtige gesetzliche Umweltschutzvorschriften verstoßen. Andere Gründe als das Streben nach Gewinn sind nicht erkennbar und auch nicht vorgetragen. Die Beklagte hat dabei nicht einfach nur gesetzliche Abgaswerte außer Acht gelassen, sondern mit der Abschaltvorrichtung zugleich ein System zur planmäßigen Verschleierung ihres Vorgehens gegenüber den Aufsichtsbehörden und den Verbrauchern geschaffen. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist dieses Verhalten als Sittenverstoß zu bewerten.

 

2.

Der Klagepartei hat dadurch ein Fahrzeug mit der von der Beklagten eingebauten Steuerungs-Software erworben und daher einen Schaden erlitten.

a)

§ 826 BGB stellt hinsichtlich des Schadens nicht auf die Verletzung bestimmter Rechte oder Rechtsgüter ab: Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, Az. Il ZR 402/02, juris). Es genügt jede Schadenszufügung im weitesten Sinne, also jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage in ihrer Gesamtheit (BeckOK BGB/Förster, BGB, 42. Edition, S 826 Rn. 25, beck-online). Nach dem subjektbezogenen Schadensbegriff stellt auch der Abschluss eines Geschäfts, welches nicht den Zielen des Geschädigten entspricht, einen Schaden im Rahmen des § 826 BGB dar, ohne dass es darauf ankäme, ob die erhaltene Leistung wirtschaftlich betrachtet hinter der Gegenleistung zurückbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, Az. Il ZR 402/02, juris; BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014, Az.Vl ZR 15/14, juris; Harke, vuR 2017, 83, 90).

b)

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes hat die Klagepartei durch den Erwerb des Fahrzeugs mit der eingebauten Abschalteinrichtungen ein Schaden erlitten, weil sie ein Fahrzeug erworben hat, das nicht ihren Vorstellungen entsprach.

Die von der Beklagten verbaute Software führt - auch unabhängig vom europarechtlichen

Begriff der verbotene Abschaltvorrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 zu erheblichen Nachteilen für den Kunden. Zum einen entsprechen die Abgaswerte nicht jenen, die er aufgrund der Fahrzeugbeschreibung und der gesetzlichen Grenzwerte erwarten durfte. Zwar geht der Kunde insoweit davon aus, dass die bekanntermaßen unter Laborbedingungen ermittelten Werte im Alltagsbetrieb regelmäßig nicht erreicht werden können. Er erwartet jedoch nicht, dass diese normale Abweichung durch den Einsatz einer verbotenen Software erheblich vergrößert wird. Zum anderen besteht für den Kunden das rechtliche Risiko, dass die zuständigen Behörden den Einsatz der Software als unzulässige Abschalteinrichtung qualifizieren und gegen den Betrieb des Fahrzeugs vorgehen.

 

Diese Sorge teilt offenbar auch die Beklagte, da sie Kunden mitteilt, dass den betroffenen Fahrzeugen die Stilllegung drohe, wenn die Nachrüstung nicht durchgeführt werde. Dass die Gefahr bestand, zeigt aber auch die spätere Entwicklung, insbesondere der Umstand, dass die Beklagte den Bescheid des KBA vom 14.10.2015, in dem die verbaute Software als verbotene Abschaltvorrichtung gemäß Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 eingestuft wurde, akzeptiert hat.

Es ist bereits nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon auszugehen, dass ein Neuwagenkäufer stillschweigend davon ausgeht, dass das erworbene Fahrzeug den gesetzlichen Vorschriften genügt und ohne Einschränkungen am öffentlichen Straßenverkehr teilnehmen darf und dass diese Vorstellungen für seinen Kaufentschluss von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1995 , Az. V ZR 34/94, juris; Harke, vuR 2017, 83). Es kommt daher nicht darauf an, ob im Verkaufsgespräch konkrete Äußerungen über die Umweltverträglichkeit stattgefunden haben.

c)

Dieses Ergebnis ist auch nicht unter Schutzzweckgesichtspunkten zu korrigieren.

Der Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB folgt - anders als ein möglicher Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB - nicht unmittelbar aus dem Verstoß gegen die Verordnung, sondern aus dem Inverkehrbringen eines gesetzeswidrigen Fahrzeugs. Diese Verstöße sind für den Rechtskreis des Kunden ersichtlich von Bedeutung. Denn der Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften kann dazu führen, dass dem Fahrzeug behördliche Maßnahmen bis hin zur Stilllegung drohen.

 

3.

Bei der Beklagten haben auch die subjektiven Voraussetzungen des S 826 BGB vorgelegen.

a)

Der Schädiger braucht nicht im Einzelnen zu wissen, wer durch sein Verhalten geschädigt wird. Er muss nur die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden anderer auswirken könnte, und die Art des möglichen Schadens vorausgesehen und gebilligt haben (BGH, Urteil vom 19. Juli 2004, Az. II ZR 402/02 , juris)

Im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit ist ein Bewusstsein der Sittenwidrigkeit nicht erforderlich. Der Schädiger muss aber die Tatumstände kennen, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (Palandt-Sprau, BGB, 77. Aufl. 2018, zu § 826 BGB Rn 8).

b)

Danach haben bei der Beklagten auch die subjektiven Voraussetzungen des § 826 BGB vorgelegen. Die Beklagte hat mit Schädigungsvorsatz gehandelt und kannte die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände.

(1)

Aus prozessualen Gründen ist der Entscheidung zugrunde zu legen, dass der Einbau der Abschalteinrichtung mit Wissen und Wollen des seinerzeitigen Vorstands der Beklagten erfolgte und somit der Beklagten gemäß § 31 BGB analog zurechenbar ist.

Die Klagepartei hat eine solche Kenntnis hinreichend substantiiert behauptet. Sie hat keinen Einblick in die inneren Abläufe der Beklagten und kann deswegen dazu nicht im Einzelnen vortragen. Prüfungsmaßstab ist damit lediglich, ob ihr Vortrag ohne greifbare Anhaltspunkte ins Blaue hinein erfolgt (vgl. Zöller-Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, vor § 284 Rn. 34). Dies ist zu verneinen, da es naheliegend ist, dass der millionenfache Einbau der Software nicht ohne Wissen des Vorstandes erfolgen konnte.

Die klägerische Behauptung hat die Beklagte nicht wirksam bestritten. Die Behauptung betrifft Umstände, die die interne Organisation der Beklagten betreffen und in welche der Klagepartei keinen Einblick hat. Die Beklagte konnte sich nicht mit einem einfachen Bestreiten begnügen. Sie musste sich vielmehr gemäß § 138 Abs. 2 und 4 ZPO im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Auflage, Rn. 1898f; Zöller-Gerger, ZPO, 32. Aufl. 2018, vor § 284 Rn. 34; aA Kehrberger/Roggenkemper, EWiR 2017, 175, 176) im Einzelnen zu der Klageparteiischen Behauptung erklären. Dieser Verpflichtung, im Einzelnen darzulegen, auf wessen Veranlassung es zur Entwicklung und zum Einbau der Software gekommen ist und wer davon Kenntnis gehabt hat, ist die Beklagte nicht nachgekommen. Soweit die Beklagte darauf verweist, dass ihr nach dem derzeitigen Stand ihrer internen Untersuchungen keine Erkenntnisse dazu vorlägen, dass Vorstandsmitglieder den Einbau der Software gebilligt hätten, genügt auch dies den Anforderungen an den Vortrag der Beklagten im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast nicht. Zum einen fehlt es insofern an den detaillierten Vortrag dazu, was Gegenstand der Ermittlungen durch die Beklagten gewesen ist und was diese Ermittlungen im Einzelnen ergeben haben, was die ehemaligen Vorstände auf Frage ausgesagt haben, welche Unterlagen gesichtet worden sind und welches Ergebnis die Sichtung dieser Unterlagen im Einzelnen ergeben hat. Zudem war der Beklagten zwar - wie geschehen - ein gewisser Zeitraum für Erkundigungen einzuräumen, sie hätte sich jedoch nach Ablauf dieses Zeitraums abschließend und entsprechend ihrer sekundären Darlegungslast erklären müssen. Da die Beklagte dem nicht nachkommen kann oder will und stattdessen darauf verweist, dass die vorläufigen Ermittlungen noch nicht abgeschlossen seien, ist der klägerische Vortrag gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden zu behandeln.

(2)

 

 
 

Für den Vorstand der Beklagten war daher ohne weiteres erkennbar, dass Kunden Fahrzeuge erwerben würden, welche nicht ihren Vorstellungen entsprachen und objektiv mangelhaft waren. Die sich daraus ergebende Schädigung der Kunden hat die Beklagte damit billigend in Kauf genommen.

Daher kannte Vorstand der Beklagten auch die die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände.

 

4.

Dieser zunächst entstandene Schadensersatzanspruch der Klagepartei gegen die Beklagte ist auch nicht zwischenzeitlich erloschen, insbesondere auch nicht dadurch, dass auf das streitgegenständliche Fahrzeug mittlerweile ohne Wissen und Zustimmung der Klagepartei das Software-Update aufgespielt worden ist.

Selbst wenn das Update das Fahrzeug der Klagepartei in einen ordnungsgemäßen Zustand versetzt haben sollte, liegt darin dennoch keine Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch der Klagepartei. Denn wie dargelegt, ist der

 

 
 

Schadensersatzanspruch nicht auf das positive Interesse gerichtet, also nicht darauf, das Auto in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen, sondern vielmehr auf das negative Interesse, was bedeutet, den durchgeführten Vertrag rückabzuwickeln. Durch die Durchführung des Updates ist der Schadensersatzanspruch aber auch nicht aufgrund einer Annahme an Erfüllungs statt gemäß S 364 Abs. 1 BGB erloschen. Die Durchführung des Updates kann vorliegend bereits deshalb nicht als Zustimmung der Klagepartei zu einer Annahme an Erfüllungs statt gewertet werden, weil das Update unstreitig ohne Wissen der Klagepartei aufgespielt worden ist (vgl. dazu allgemein OLG Köln, Beschluss vom 27.03.2018, 18 U 134/17, juris Rn. 17 f.). Ungeachtet dessen hat die Beklagte nicht einmal behauptet, dass sie der Klagepartei das Update als Leistung anstatt einer eigentlich geschuldeten Schadenersatzleistung zur Verfügung habe stellen wollen, vielmehr bestreitet sie in diesem Verfahren, dass überhaupt eine unzulässige Abschalteinrichtung und ein Verstoß gegen die Vorschriften über die Übereinstimmungsbescheinigung vorlagen. Die Klagepartei muss sich schließlich auch nicht im Rahmen einer Schadensminderungspflicht gemäß S 254 BGB oder sonst auf der Grundlage von Treu und Glauben gemäß S 242 BGB von der Beklagten auf das Update anstatt einer Rückabwicklung des Kaufvertrages verweisen lassen. Denn die Beklagte hat durch vorsätzlich-deliktisches Ausstellen und Beifügen einer inhaltlich unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung bewirkt, dass die Klagepartei gegen Zahlung des Kaufpreises ein Fahrzeug erhalten hat, dass sie gemäß SS 6 Abs. 1 S. 1, 27 Abs. 1 S. 1 EG-FGV nicht hätte erhalten dürfen. Angesichts dessen kann sie nun die Klagepartei nicht unter Verweis auf von Treu und Glauben an diesem Fahrzeug festhalten.

 

5.

Als Rechtsfolge kann die Klagepartei von der Beklagten im Rahmen des Schadensersatzes aus § 826 BGB die Rückgewähr des gezahlten Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen.

Im Rahmen des § 826 BGB richtet sich die Rechtsfolge des Schadenersatzanspruchs auf den Ersatz des sog. "negativen Interesses". Der Geschädigte hat einen Anspruch, so gestellt zu werden, wie er ohne Eintritt des schädigenden Ereignisses stünde (vgl. Oechsler in Staudinger BGB, Neubearbeitung 2014, § 826, Rn. 153; Sprau in Palandt/BGB, 76. Auflage, 2017, § 826, Rn. 15; Einf. v. 823, Rn. 24). Die Beklagte muss die Klagepartei so stellen, wie sie ohne die vorsätzliche sittenwidrige Schädigung durch die nicht gesetzeskonforme Motorsteuerungssoftware gestanden hätte. Die Klagepartei ist daher so zu stellen, als wenn sie den schädigenden Vertrag nicht abgeschlossen hätte und hat folglich einen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gegenüber der Beklagten. Der Kaufvertrag ist analog S 346 Abs. 1 BGB rückabzuwickeln und dem Klagepartei ist der Kaufpreis zurückzuerstatten, aber gemindert um die von der Klagepartei zu leistende Nutzungsentschädigung im Wege der Vorteilsausgleichung.

b)

Da die Nutzungen, die Fahrt mit dem PKW, nicht in Natur herausgegeben werden können, schuldet die Klagepartei hierfür entsprechend § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB Wertersatz. Die Nutzungen berechnen sich wie folgt: Bruttokaufpreis mal gefahrene Kilometer geteilt durch voraussichtliche Restlaufleistung (Reinking/Eggert, Der Autokauf, 13. Aufl. 2017, Rn. 1166, Rn. 3564). Das Gericht schätzt die Gesamtlaufleistung auf 250.000 km (§ 287 Abs. 1 ZPO analog). Die Laufleistung eines PKW ist von zahlreichen Faktoren abhängig, etwa Motorleistung, Nutzungsverhalten des Fahrers (kurze Fahrtstrecke oder lange Fahrtstrecke, Nutzungsverhalten kurz nach Start etc.). Dabei ist davon

 

auszugehen, dass Dieselfahrzeuge wie der im Streit befangene PKW durchschnittlich eine Laufleistung von 250.000 km haben.

Danach ergibt sich unter Berücksichtigung der vom Klagepartei gefahrenen Kilometer bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung von 76.199 km ein Nutzungsentschädigungen in Höhe von 8.426,01 Euro.

c)

Die Klagepartei kann den Schadensersatz unter Anrechnung des Nutzungsersatzes nur Zug um Zug gegen Rückgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verlangen. Denn ihr dürfen neben dem Schadensersatzanspruch nicht die Vorteile verbleiben, die ihr durch das schädigende Ereignis zugeflossen sind. Dem Prinzip der Vorteilsausgleichung wird in dem Fall, dass Ersatzanspruch und Vorteil nicht gleichartig sind, durch den tenorierten Zug-um Zug-Vorbehalt Rechnung getragen (vgl. Grüneberg in Palandt/BGB, 76. Auflage, 2017, Vorb. v. § 249, Rn. 71; st. Rspr. des BGH, vgl. Urteil vom 23.06.2015 - XI 536/14, NJW

2015, 3160, Rn. 22 m. w. N.)

 

Il.

Die Klagepartei hat Anspruch auf gerichtliche Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des streitgegenständlichen Fahrzeugs in Annahmeverzug befindet.

Die Beklagte befindet sich mit der Annahme des Fahrzeugs in Verzug gemäß § 293 BGB. Die Klagepartei hat der Beklagten mit Schreiben vom 07.12.2017 (Anlage K4) die Rückgabe des Fahrzeugs angeboten. Ein wörtliches Angebot war gemäß § 295 S. 1 BGB ausreichend, da die Beklagte angesichts des einheitlichen Erfüllungsortes wie bei einem Rückgewährschuldverhältnis als Gläubigerin das Fahrzeug bei der Klagepartei als Schuldner gemäß § 269 Abs.l BGB abzuholen hat. Das nach § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse der Klagepartei besteht, weil die Feststellung der erleichterten Vollstreckung des geltend gemachten Leistungsanspruchs dient und hierzu erforderlich ist, § 756 ZPO.

Die Klagepartei hat gegen die Beklagte einen Anspruch Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten gemäß §§ 826, 249 BGB in Höhe von 1.171 EUR.

Die außergerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts durch die Klagepartei ist erforderlich und zweckmäßig gewesen, zumal es um die vorgerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gegenüber einem Weltkonzern ging.

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten können nur aus einem Gegenstandswert geltend gemacht werden, der vorgerichtlich berechtigt gewesen ist, vorliegend also von 21.260,07 EUR. Angemessen ist eine 1 Geschäftsgebühr aus diesem Gegenstandswert.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 , 91 a ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Abs. 1 ZPO.

 

---

Richter am Landgericht

 

Verkündet am 07.09.2018

---, JAng te

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Mietrecht - Keine Renovierungspflicht bei unrenovierter Wohnung (BGH, 22.08.2018)

Formularmäßige Übertragung der Schönheitsreparaturen bei unrenoviert übergebener Wohnung auch bei "Renovierungsvereinbarung" zwischen Mieter und Vormieter unwirksam

 
[Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 138/2018]

 

Urteil vom 22. August 2018 - VIII ZR 277/16

 

Sachverhalt und Prozessverlauf:

 

Der Beklagte war von Januar 2009 bis Ende Februar 2014 Mieter einer Wohnung der Klägerin, die ihm bei Mietbeginn in nicht renoviertem Zustand und mit Gebrauchsspuren der Vormieterin übergeben worden war. Der von der Klägerin verwendete Formularmietvertrag sah vor, dass die Schönheitsreparaturen dem Mieter oblagen.

Am Ende der Mietzeit führte der Beklagte Schönheitsreparaturen durch, die die Klägerin als mangelhaft ansah und deshalb durch einen Malerbetrieb zu Kosten von 799,89 € nacharbeiten ließ. Wegen dieses Betrages begehrt die Klägerin – unter Verrechnung anderer zwischen den Parteien geltend gemachten Forderungen – Schadensersatz wegen nicht beziehungsweise mangelhaft durchgeführter Schönheitsreparaturen.

 

Der Beklagte hat sich auf die Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa Urteil vom 18. März 2015 - VIII ZR 185/14; Pressemitteilung Nr. 39/2015) berufen, wonach eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist.

Die Klägerin war demgegenüber der Auffassung, diese Rechtsprechung könne hier mit Rücksicht auf eine zwischen dem Beklagten und der Vormieterin im Jahr 2008 getroffene "Renovierungsvereinbarung" keine Anwendung finden. In dieser Vereinbarung hatte der Beklagte von der Vormieterin einige Gegenstände übernommen, sich zur Zahlung eines nicht näher festgestellten Geldbetrages verpflichtet und sich zur Übernahme der Renovierungsarbeiten bereit erklärt.

 

Die Klage hat in den Vorinstanzen Erfolg gehabt. Dabei hat das Berufungsgericht seine Entscheidung auf die Erwägung gestützt, angesichts der Vereinbarung zwischen dem Beklagten und der Vormieterin sei es interessengerecht, den Beklagten so zu behandeln, als habe ihm die Klägerin die Mietsache im renovierten Zustand übergeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte der Beklagte (unter anderem) sein Klageabweisungsbegehren weiter.

 

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs:

 

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und entschieden, dass eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert oder renovierungsbedürftig übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt auch dann unwirksam ist, wenn der Mieter sich durch zweiseitige Vereinbarung gegenüber dem Vormieter verpflichtet hat, Renovierungsarbeiten in der Wohnung vorzunehmen.

Nach der Rechtsprechung des Senats hält die formularvertragliche Überwälzung der nach der gesetzlichen Regelung (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) den Vermieter treffenden Verpflichtung zur Vornahme laufender Schönheitsreparaturen im Falle einer dem Mieter unrenoviert oder renovierungsbedürftig überlassenen Wohnung der Inhaltskontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht stand, sofern der Vermieter dem Mieter keinen angemessenen Ausgleich gewährt, der ihn so stellt, als habe der Vermieter ihm eine renovierte Wohnung überlassen. Denn eine solche Vornahmeklausel verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste, als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.

Diese Grundsätze bleiben auch dann anwendbar, wenn der betreffende Mieter sich wie hier durch zweiseitige Vereinbarung gegenüber seinem Vormieter zur Vornahme von Renovierungsarbeiten in der Mietwohnung verpflichtet hat. Denn eine derartige Vereinbarung ist in ihren Wirkungen von vornherein auf die sie treffenden Parteien, also den Mieter und den Vormieter, beschränkt. Sie vermag deshalb keinen Einfluss auf die Wirksamkeit der im Mietvertrag zwischen Vermieter und neuem Mieter enthaltenen Verpflichtungen zu nehmen; insbesondere nicht dergestalt, dass der Vermieter so gestellt würde, als hätte er dem neuen Mieter eine renovierte Wohnung übergeben.

 

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

 

§ 307 BGB Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. […]

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist […]

 

§ 535 BGB Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags

(1) […] 2Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. […]

 

Vorinstanzen:

 

Amtsgericht Celle – Urteil vom 25. Mai 2016 – 14 C 1146/14

Landgericht Lüneburg – Urteil vom 16. November 2016 – 6 S 58/16

 

Karlsruhe, den 22. August 2018

 

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Mietrecht - Fluchtweg im Treppenhaus mindestens 1 m breit (AG Lörrach, 15.08.2018)

Amtsgericht Lörrach stärkt Rechte der Vermieter

Mit Erfolg konnte die Kanzlei im Rebland einem Vermieter zu seinem Recht verhelfen und dessen Ansprüche auf Zustimmung zur Mieterhöhung, Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung, Nebenkostennachzahlung und Freihaltung der Fluchtwege durchsetzen. Dabei traf das Amtsgericht Lörrach in seiner (noch nicht rechtskräftigen) Entscheidung sinngemäß u. a. zwei interessante Feststellungen:

Hat der Vermieter in der Vergangenheit nicht über die Nebenkosten abgerechnet, so liegt darin kein Verzicht auf die Abrechung über die Nebenkosten in Zukunft.

Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass das Abstellen eines Kinderwagens im Hausflur vom Wohngebrauch gedeckt ist, wenn die Fläche hierzu geeignet ist. Dies ist nur der Fall, wenn ein Fluchtweg gewährleistet ist. Gemäß der Allgemeinen Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung (LBO AVO), § 10 Abs. 4 und § 11 Abs. 2 Ziffer 1 muss zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Fluchtweges die nutzbare Breite der Treppe, der Podeste und der Wege ins Freie mindestens 1 Meter betragen.

Hier die interessente, noch nicht rechtskräftige Entscheidung im Volltext (anonymisiert; Layout geändert):



Amtsgericht Lörrach
 
Im Namen des Volkes
 
U r t e i l
 
In dem Rechtsstreit
 
---, ---, 79415 Bad Bellingen
- Kläger -
 
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 190/17
 
Gegen
 
1. ---, ---, 79539 Lörrach - Beklagte -
 
2. ---, ---, 79539 Lörrach - Beklagter -
 
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte ---, ---, 79650 Schopfheim, Gz.: ---
 
wegen Zustimmung zur Mieterhöhung u.a.
 
hat das Amtsgericht Lörrach durch den Richter am Amtsgericht --- aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2018 und 17.07.2018 für Recht erkannt:
 
1.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Erhöhung der Nettomiete für die Wohnung im 2. OG links des Hausanwesens --- in 79539 Lörrach von bisher monatlich 500,00 Euro auf nun mehr monatlich 575,00 Euro netto mit Wirkung ab dem 1.10.2017 zuzustimmen.
 
2.
Es wird festgestellt, das die monatliche Betriebskostenvorauszahlung für die Wohnung im 2. OG links des Hausanwesens --- in 79539 Lörrach ab dem 01.10.2017 140,00 Euro beträgt.
 
3.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 824,69 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins p.a. hieraus seit dem 21.11.2017 zu zahlen.
 
4.
Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, in dem Flur im Treppenhaus unten an der Treppe des Hausanwesens --- in 79539 Lörrach einen Kinderwagen abzustellen.
Den Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt wird.
 
5.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 147,56 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins p.a. hieraus seit dem 21.11.2017 zu bezahlen.
 
6.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
 
7.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits .
 
8.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 4.000 Euro vorläufig vollstreckbar.
 
T a t b e s t a n d
 
Der Kläger ist der Vermieter, die Beklagten sind die Mieter einer Wohnung im Gerichtsbezirk. Gemäß schriftlichem Mietvertrag vom 21.07.2010 vereinbarten die Parteien die Zahlung einer Nettokaltmiete in Höhe von 500 € und einer Nebenkostenvorauszahlung von 80 €. Mit Schreiben vom 19.07.2017 (Aktenseite 29, Anklage K 4) begehrte der Kläger ab dem 01.10.2017 unter Benennung von vier Vergleichsmieten für Wohnungen im gleichen Hause die Zustimmung zur Erhöhung der Nettokaltmiete um 15 Prozent, mithin von 500 € auf 575 €.
 
Mit gleichem Datum rechnete der Kläger die Nebenkosten 2016 ab. Die Abrechnung endigt mit einer Forderung des Klägers gegen die Beklagten in Höhe von 824,69 € (Aktenseite 35, Anlage K 5/1). Mit dem Abrechnungsschreiben erhöht der Kläger die Vorauszahlungen von 80 € monatlich auf 140 € monatlich.
 
Die Beklagten haben seit Dezember 2016 ein kleines Kind. Für dieses wurde ein Kinderwagen angeschafft, welcher im Flur im Erdgeschoß vor der Treppe abgestellt wird. Unter Hinweis auf den erforderlichen Fluchtweg begehrt der Kläger Unterlassung der Abstellung im Flur.
 
Letztendlich begehrt der Kläger Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten aus einem Streitwert von 4.120 € (Erhöhung der Nettomiete 900 €, Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlung 720 € und Unterlassung Kinderwagen 2,500 €).
 
Der Kläger beantragt:
 
 
1.
Die Beklagten werden verurteilt, der Erhöhung der Nettomiete für die Wohnung im 2. OG links des Hausanwesens --- in 79539 Lörrach von bisher monatlich 500 € auf nunmehr monatlich 575 € netto mit Wirkung ab dem 01.10.2017 zuzustimmen.
 
2.
Es wird festgestellt, dass die monatliche Betriebskostenvorauszahlung für die Wohnung im 2. OG links des Hausanwesens --- in 79539 Lörrach ab dem 01.10.2017 € 140 beträgt.
 
3.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 824,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssaü hieraus seit 21.11.2107 zu bezahlen.
 
4.
Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, in dem Flur im Treppenhaus unten an der Treppe des Hausanwesens --- in 79539 Lörrach einen Kinderwagen abzustellen.
Den Beklagten wird angedroht, dass für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten gegen sie festgesetzt.
 
5.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 21.11.2017 zu bezahlen.
 
Die Beklagten beantragen,
 
die Klage abzuweisen.
 
 
Sie bestreiten die Ortsüblichkeit der begehrten Nettokaltmiete von 575 €. Die Parteien hätten nach Abschluss des Mietvertrages die Zahlung einer Nebenkostenpauschale von 80 € im Monat vereinbart. Die Forderung des Klägers aus der Nebenkostenabrechnung 2016 bestehe daher nicht. Die Beklagten schuldeten deshalb auch keine Erhöhung der Nebenkostenvorauszahlungen. Ein Abstellen des Kinderwagens in der Wohnung im 2. OG oder im Keller sei unzumutbar. Der Fluchtweg werde nicht beeinträchtigt. 
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Ortsüblichkeit der geforderten Miete durch Einholung eines schriftlichen Mietwertgutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Gutachten des Sachverständigen --- vom 28.05.2018, Aktenseite 175 ff..
 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.01.2018 und 17.07.2018 verwiesen.
 
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e


Die zulässige Klage ist überwiegend begründet. Die Mieterhöhung vom 19.07.2017 ist gemäß § 558 BGB begründet. Die Mieterhöhungserklärung vom 19.07.2017 erfolgte formgerecht gemäß S 558 a Abs. 1 BGB und wurde ausreichend begründet durch Verweis auf Entgelte für vergleichbare Wohnungen. Dabei kann dahinstehen, ob die angegebenen Vergleichswohnungen in einem besseren Renovierungszustand sind, da die Vergleichswohnungen in einem Mieterhöhungsschreiben nur ungefähr vergleichbar sein müssen (vergl.: Palandt/Weidenkaff, BGB, § 558 a, R.z.ll m. w. N.). Dies ist hier zweifelsohne der Fall. Die Vergleichswohnungen sind identisch oder fast identisch gleich groß und liegen im gleichen Haus.
Die verlangte erhöhte Miete, bei der die Kappungsgrenze eingehalten wurde, ist auch ortsüblich. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen --- vom 28.05.2018, welches von den Beklagten auch nicht in Frage gestellt wird.
 
 
Gemäß § 535 BGB in Verbindung mit dem abgeschlossenen Mietvertrag und der Nebenkostenabrechnung vom 19.07.2017 hat der Kläger gegen die Beklagten einen Anspruch auf Nachzahlung von Nebenkosten für 2016 in Höhe des zugesprochenen Betrages. Im Mietvertrag haben die Parteien die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Nebenkosten und die Leistung von Vorauszahlungen auf diese vereinbart. Die Abrechnung selbst ist unstreitig. Soweit die Beklagten beanstanden, nach Abschluss des Mietvertrages hätten die Parteien die Vorauszahlungen von 80 € pro Monat auf die Nebenkosten in eine Pauschale umgewandelt, mit der sämtliche Nebenkosten abgegolten sein sollen, sind die Beklagten für ihr Vorbringen beweispflichtig. Einen Beweis haben sie hierfür nicht angeboten. Ein solcher liegt auch nicht darin, dass der Kläger unstreitig seit Beginn des Mietverhältnisses im Jahre 2011 bis zu der Abrechnung aus dem Jahre 2017 keine Nebenkosten abgerechnet hat. Der Kläger hat insoweit nachvollziehbar dargelegt, dass er für das gesamte Haus keine Abrechnung erstellt hat und bei den übrigen Wohnungen - erleichtert durch häufigen Mieterwechsel - die Vorauszahlungen in erforderlichem Umfang erhöht hat. Erst nachdem sich die Beklagten geweigert haben, einer Erhöhung der Vorauszahlung zuzustimmen, habe er sich zur Abrechnung veranlasst gesehen. Dies ist nicht zu beanstanden. In der bloßen Nichterstellung der Abrechnungen in der Vergangenheit liegt kein Verzicht auf solche für die Zukunft. Gemäß § 560 Abs. 4 BGB kann jede Vertragspartei nach einer Abrechnung von Betriebskostenvorauszahlungen durch Erklärung in Textform eine Anpassung auf eine angemessene Höhe vornehmen. Hiervon hat der Kläger wirksam Gebrauch gemacht. Gemäß Abrechnung vom 19.07.2016 betragen die von dem Beklagten in 2016 zu tragenden Betriebskosten insgesamt 1.784,69 €. Dieser Betrag dividiert durch 12 ergibt knapp 150 € im Monat. Die begehrte neue Vorauszahlung von 140 € pro Monat ab dem 01.10.2017 ist daher wirksam.
 
Gemäß den §§ 541, 1004 Abs. 1 BGB hat der Kläger einen Anspruch auf Unterlassung des Abstellens des Kinderwagens im Treppenhaus durch die Beklagten. Zwar entspricht es gefestigter Rechtsprechung, dass das Abstellen eines Kinderwagens im Hausflur oder auf einer entsprechenden Gemeinschaftsfläche vom Wohngebrauch gedeckt ist, wenn die Fläche hierzu geeignet ist und die Mieter auf diese Abstellmöglichkeit angewiesen sind. Indessen ist eben Voraussetzung, dass die Fläche dazu geeignet ist, was vorliegend nicht gegeben ist. Denn das Abstellen des Kinderwagens verstößt gegen die feuerschutzrechtlichen Vorschriften der LBO. Gemäß der Allgemeinen Ausführungsverordnung zur Landesbauordnung (LBO AVO), § 10 Abs. 4 und § 11 Abs. 2 Ziffer 1 muss zur Gewährleistung eines ordnungsgemäßen Fluchtweges die nutzbare Breite der Treppe, der Podeste und der Wege ins Freie mindestens 1 Meter betragen. Diese Mindestbreite des Fluchtweges wird durch das Abstellen des Kinderwagens deutlich unterschritten. Wie auf dem Lichtbild, Aktenseite 117 c, zu sehen, wird durch den Kinderwagen der Fluchtweg auf 85 cm verengt. Zur Einhaltung der Vorschriften der LBO ist der Kläger daher gehalten, das Unterlassen des Abstellens des Kinderwagens an dem streitgegenständlichen Ort zu verlangen.
 
   
Der Anspruch des Klägers auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist indessen nur teilweise begründet. Die Kosten für die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für die Erhöhung der Kaltmiete und der Nebenkostenvorauszahlungen sind nicht ersatzfähig. Die Beklagten haben im Vorfeld zu Recht die Erhöhung von Kaltmiete und Vorauszahlungen abgelehnt, da die entsprechenden Voraussetzungen nicht vorlagen. Es ist Sache des Vermieters, ein ordnungsgemäßes Mieterhöhungsverlangen zu erstellen. Zu ersetzen haben die Beklagten damit lediglich die vorgerichtlich entstandenen Kosten für das Unterlassungsbegehren. Bei einem angemessenen Streitwert von 1.000 € sind dies die zugesprochenen 147,56 €. Im Übrigen war die Klage abzuweisen. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO.
 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre rechtliche Grundlage in § 709 ZPO.
 
Rechtsbehelfsbelehrung:
 
(…)
 
---
Richter am Amtsgericht
 
Verkündet am 14.08.2018
 
---, JAng'e
 
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Vertragsrecht - Widerruf (§ 355 BGB) auch mündlich möglich (AG Lörrach, 11.05.2018)

Zahlungsklage erfolgreich abgewehrt

Verbraucher haben bei Verträgen mit Unternehmern, die außerhalb der Geschäftsräume geschlossen werden (z. B. in der Wohnung des Verbrauchers) ein gesetzliches Widerrufsrecht nach §§ 312g, 355 BGB. Dieses Widerrufsrecht kann auch mündlich ausgeübt werden (§ 355 Abs. 1 Satz 2 BGB).
Eine Vertragsklausel, wonach das Widerrufsrecht bei bereits erbrachter Leistung ausgeschossen sein soll, ist nach § 361 Abs. 2 BGB unwirksam.


Das hat das Amtsgericht Lörrach in einem interessanten Urteil festgestellt. Es folgte den Anträgen der Kanzlei im Rebland in vollem Umfang und wies die Klage gegen einen Mandanten der Kanzlei im Rebland ab; gleichzeitig verurteilte das Gericht das klagende Unternehmen zur Erstattung der vorgerichtlich entstandenen Rechtsanwaltskosten - ein schöner Erfolg für den Mandanten der Kanzlei im Rebland.

Hier die Entscheidung im Volltext:


Aktenzeichen:
4 C 1373/17
 
Amtsgericht Lörrach
 
Im Namen des Volkes
 
U r t e i l
 
In dem Rechtsstreit
--- GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer ---, ---, 74889 Sinsheim
- Klägerin/Widerbeklagte -
 
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwältin ---, ---, 74889 Sinsheim, Gz.: ---
 
gegen
 
---, ---, 79415 Bad Bellingen - Beklagte/Widerklägerin -
 
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 94/17
 
wegen Forderung
 
hat das Amtsgericht Lörrach durch die Richterin Dr. --- aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2018 für Recht erkannt:
 
1.
Die Klage wird abgewiesen.
 
2.
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.12.2017 zu bezahlen.
 
3.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
 
4.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
 
B e s c h l u s s
 
Der Streitwert wird zunächst auf 4.022,20 € und ab dem 27.11.2017 (AS 37) auf
4.514,74 € festgesetzt.
 
T a t b e s t a n d
 
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Kaufvertrag über einen Badewannenlift.

Die Klägerin vertreibt individuelle Dusch- und Mobilitätssysteme. Mit Vertrag vom 14.03.2017 kaufte die Beklagte im Rahmen eines Besuchs des Geschäftsführers der Klägerin bei der Beklagten zu Hause von der Klägerin einen Badelifter nebst Unterkonstruktion zu einem Preis von 4.022,20 € (Vertrag, Anlage K 1, AS 9; Rechnung, Anlage K 2, AS 11). Der Kaufvertrag nimmt auf eine Widerrufsbelehrung über ein Widerrufsrecht binnen 14 Tagen Bezug (Anlage K 6, AS 191 ).
 
Der Lift wurde am 16.03.2017 von einem Monteur der Klägerin, der als Subunternehmer tätig ist, montiert. Am 27.03.2017 fand ein Nachbesserungsversuch statt, dessen Erfolg und Ablauf zwischen den Parteien in Streit steht. Unstreitig hat die Beklagte im Rahmen des Termins mitgeteilt, den Lift nicht mehr zu wollen. Der Monteur hat dies telefonisch an den Geschäftsführer der Klägerin weitergegeben. Die Beklagte beglich die Rechnung auch auf Mahnung vom 04.04.2017 unter Fristsetzung zum 12.04.2017 nicht. Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.04.2017 teilte die Beklagte mit, der Lift sei instabil und damit mangelhaft und forderte die Klägerin zur Mangelbeseitigung auf. Die Klägerin teilte mit, dass ein Nachgeben der Unterkonstruktion konstruktionsbedingt sei, bot aber gleichzeitig Maßnahmen zur Abhilfe an. Die Beklagte ist mit Schreiben vom 11.05.2017 vom Vertrag zurückgetreten (Anlage B 5, AS 77).
 
Die Klägerin behauptet, die aus Kulanz angebotene Nacherfüllung sei möglich gewesen. In einem Telefonat am 21.03.2017 sei zwischen dem Monteur und dem Ehemann der Beklagten, dem Zeugen ---, vereinbart worden, dass das Untergestell verlängert werden solle. Jedoch habe die Beklagte dem Monteur beim Nachbesserungsversuch am 27.03.2018 verweigert die verlängerte Unterkonstruktion zur Mangelbeseitigung zu montieren. Den Beklagten sei zudem keine Probezeit eingeräumt worden, sondern lediglich ein Widerrufsrecht. Dieses stünde der Beklagten aber jedenfalls aufgrund der getroffenen Individualvereinbarung über die Verlängerung des Untergestells nicht zu. Die Beklagten hätten im Nachbesserungsversuch ohne Angaben von Gründen zum Ausdruck gebracht, den Lift nicht mehr zu wollen. Die Klägerin hat zuletzt vorgetragen, die Beklagte habe sich auf ein nicht bestehendes Proberecht berufen.
 
Die Klägerin beantragt wie folgt zu erkennen:
 
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.022,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.04.2017 sowie 3,00 € Mahnkosten zu zahlen.
Hilfsweise:
Die Beklagte wird verurteilt, Zug-um-Zug gegen die Beseitigung etwaiger Mängel an dem Idumo Tuchlifter Modell Premium und / oder an der Edelstahl-Unterkonstruktion an die Klägerin 4.022,20 € zu zahlen.
 
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 216,95 € vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten hieraus seit dem 01.06.2017 zu zahlen.
 
Die Beklagte beantragt:
 
Die Klage wird abgewiesen.
 
Die Beklagte beantragt widerklagend:
Die Klägerin wird verurteilt, an die Beklagte 492,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basisszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
 
Die Klägerin beantragt:
Die Widerklage abzuweisen.
 
Die Beklagte behauptet, der Geschäftsführer der Klägerin habe ihr zugesichert, dass sie den Lift 14 Tage auf Probe nutzen dürfe. Die Widerrufsbelehrung (Anlage K 6, AS 191) habe sie nicht erhalten. Die Beklagte behauptet, der Badewannenlift sei mangelhaft, insbesondere da sich das Band, mit dem der Patient in der Badewanne herabgelassen wird, zu weit hinten in Richtung der Schräge des Kopfteils der Badewanne befunden habe, sodass dieser nicht auf dem Boden, sondern auf der Schräge des Kopfteils aufkomme. Sie habe die Klägerin daher zur Nachbesserung aufgefordert. Es sei dann ein Monteur vorbeigekommen und habe einen Nachbesserungsversuch vorgenommen, der aber nur zu einer weiteren Verschlechterung geführt habe. Insbesondere sei der Lift nun instabil und damit nicht mehr betriebssicher. Der Monteur habe zudem mitgeteilt, dass eine Verlängerung des Untergestells durch längere Tragschenkel eine Sonderanfertigung sei und dies nicht möglich sei. Es seien daher durch den Monteur nur die Leitbleche verändert worden, was zu der beschriebenen Verschlechterung geführt habe. Die Beklagte behauptet, sie habe deswegen den Monteur unter Hinweis auf die vom Geschäftsführer zugesicherte Probezeit aufgefordert, den Lift wieder mitzunehmen. Dieser habe aber die Rücknahme verweigert. Der Ehemann der Klägerin habe dann am 27.03.2017 die Klägerin nochmal telefonisch zur Nachbesserung auf. Der im Zuge dessen versprochene Rückruf seitens der Klägerin sei aber nie erfolgt. Nach dem Schreiben der Klägerin vom 21.04.2017 habe der Ehemann der Beklagten mehrmals bei der Klägerin angerufen und diese um einen Termin zur Nachbesserung gebeten. Dies sei aber nicht erfolgt. Daher sei die Beklagte dann vom Vertrag zurückgetreten. Später hat die Beklagte vorgetragen, sie habe den Kaufvertrag wirksam widerrufen. Ihr seien daher ihre im Wege der Widerklage geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten zu ersetzen.
 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen --- und ---. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2018 (AS 221 ff.) Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags, insbesondere auch hinsichtlich der geäußerten Rechtsauffassung, wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 19.12.2017 (AS 111 ff.) und 27.03.2018 (AS 221 ff.) hingewiesen.
 
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
 
l.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
 
1.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Kaufpreiszahlung i.H.v. 4.022,20 € nach § 433 Abs. 2 BGB zu. Die Beklagte hat den zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrag am 27.03.2017 wirksam nach §§ 312b Nr. 1, 312g, 355 BGB widerrufen.
 
a.
Der zwischen den Parteien geschlossene Kaufvertrag mit Montageverpflichtung (MüKoBGB/Westermann, 7. Aufl. 2016, BGB § 434 Rn. 36 f.) stellt einen außerhalb von Geschäftsräumen, namentlich in der Privatwohnung der Beklagten, geschlossenen Vertrag nach § 312b Nr. 1 BGB dar (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 312b BGB Rn. 4). Hiernach sind außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge solche Verträge, die bei gleichzeitiger körperlicher Anwesenheit des Verbrauchers und des Unternehmers an einem Ort geschlossen werden, der kein Geschäftsraum des Unternehmers ist. Der Geschäftsführer der Klägerin als Unternehmerin (§ 14 BGB) hat die Beklagte als Verbraucherin (§ 13 BGB) zum Vertragsabschluss zu Hause aufgesucht. Damit steht der Beklagten nach § 312g BGB i.V.m. § 355 BGB ein gesetzliches Widerrufsrecht zu. Darauf, ob der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten darüber hinaus ein vertragliches 14-tägiges Widerrufsrecht eingeräumt hat, kommt es mithin nicht an.
 
b.
Das Widerrufsrecht der Beklagten ist auch nicht nach § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB oder aufgrund der in der Widerrufsbelehrung enthaltenen Einschränkungen, unbeschadet der Frage nach deren Zugang, ausgeschlossen. Die Klägerin hat nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass es sich vorliegend um eine individuell auf persönliche Bedürfnisse des Verbrauchers zugeschnittene Ware i.S.d. § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB und der vorliegenden Widerrufsbelehrung handelt. Dies setzt voraus, dass die Sache wegen der Berücksichtigung der Wünsche des Verbrauchers anderweitig nicht oder nur mit einem unzumutbaren Preisnachlass abgesetzt werden kann (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 312g BGB Rn. 4). Vorliegend handelt es sich jedoch um einen Badelift, der lediglich hinsichtlich der Befestigung im Einzelfall an die konkret vor Ort vorgefundene Badewanne angepasst werden muss. Hierbei handelt es sich nicht um die Berücksichtigung spezifischer Kundenwünsche, sondern lediglich einer Erfüllung des Leistungsversprechens des Verkäufers, wie sie in jedem Fall des Vertriebs des Badewannenlifts geschuldet ist. 
Das Widerrufsrecht ist auch nicht aufgrund bereits erbrachter Leistung, insbesondere aufgrund der Vornahme einer Sonderanfertigung, ausgeschlossen. Der vorliegend in der Widerrufsbelehrung der Klägerin enthaltene dahingehende Einschränkung des Widerrufsrechts, dass dieses bei bereits erbrachter Leistung ausgeschossen sein soll, ist als Verstoß gegen § 361 Abs. 2 BGB unwirksam. Nach § 356 Abs. 4 BGB erlischt das Widerrufsrecht nur bei einem Vertrag zur Erbringung von Dienstleistungen, wenn diese vollständig erbracht sind und die dort genannten weiteren Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 361 Abs. 2 BGB sind die Regelungen des Untertitels zugunsten des Verbrauchers zwingend. Eine gesetzlich nicht vorgesehene Erstreckung des Erlöschens des Widerrufsrechts auch im Fall eines Kaufvertrags stellt mithin eine unzulässige Abweichung zulasten des Verbrauchers dar. Im Übrigen ist zur Überzeugung des Gerichts auch nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme offen, ob es im vorliegenden Fall überhaupt zu einer Sonderanfertigung gekommen ist. Die Zeugen --- und --- haben insoweit lediglich übereinstimmend vorgetragen, dass die Leitbleche des Badewannenlifts versetzt worden sind. Ob darüber hinaus eine Sonderanfertigung hinsichtlich der Verlängerung der Unterkonstruktion erfolgt ist, ist angesichts der widersprechenden Zeugenangaben nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme offen geblieben. Während der Zeuge --- angegeben hat, er habe in Absprache mit dem Zeugen --- eine Verlängerung extra anfertigen lassen und der Zeuge --- habe es ihm dann aber verwehrt, diese zu installieren, hat der Zeuge --- angegeben, dass er dem Zeugen --- gesagt habe, er solle längere Schenkel bringen. Der Zeuge --- hätte dies aber abgelehnt, da es sich um eine Sonderanfertigung handele. Keine dieser Zeugenangaben ist ersichtlich unwahr. Damit hat die Klägerin nicht zur Überzeugung des Gerichts den Nachweis geführt, dass es überhaupt zu einer Sonderanfertigung gekommen ist.
 
c.
Die Erklärung der Beklagten im Rahmen des Termins am 27.03.2017 den Badewannenlift nicht mehr zu wollen ist als Widerruf des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags auszulegen. Der Widerruf bedarf keiner Begründung. Das Wort „Widerruf' muss nicht verwendet werden. Erforderlich ist lediglich eine Äußerung, aus der sich eindeutig ergibt, dass der Verbraucher den Vertrag nicht mehr gelten lassen will (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 355 BGB Rn. 5). Ergibt sich aus dem Vorbringen des Verbrauchers nicht eindeutig, auf welches Lösungsrecht er sich stützt, ist im Zweifel davon auszugehen, dass er den für ihn günstigeren Rechtsbehelf, regelmäßig also das Widerrufsrecht, wählt (MüKoBGB/Fritsche, 7. Aufl. 2016, BGB § 355 Rn. 34).
 
d.
Die Widerrufserklärung ist wirksam erklärt worden. Sie ist insbesondere formwirksam erfolgt und der Klägerin auch fristgemäß (§§ 355 Abs. 2, 356 BGB) am 27.03.2017 zugegangen. Der Widerruf kann nach § 355 Abs. 1 S. 2 BGB formlos, mithin wie vorliegend auch mündlich, erklärt werden. Diese Erklärung ist der Klägerin nach § 130 Abs. 1 BGB auch zugegangen. Die Erklärung des Monteurs, der unstreitig als Subunternehmer der Klägerin tätig geworden ist, er dürfe den Lift nicht wieder mitnehmen, kann nicht als Ablehnung der Entgegennahme der Widerrufserklärung gedeutet werden. Unstreitig hat dieser zuvor mit dem Geschäftsführer der Klägerin telefoniert und diesem mitgeteilt, dass die Beklagte den Lift nicht behalten wolle.
 
e.
Das Widerrufsrecht der Beklagten wird nicht durch das zunächst, d.h. vor der Widerrufserklärung, geltend gemachte Nacherfüllungsverlangen berührt. Das Widerrufsrecht nach § 355 steht dem Verbraucher unabhängig davon zu, ob zugleich andere zivilrechtliche Rechtsbehelfe bestehen, mit deren Hilfe sich der Verbraucher von einem Vertrag lösen und dessen Rückabwicklung herbeiführen kann (MüKoBGB/Fritsche, 7. Aufl. 2016, BGB § 355 Rn. 32). Ebenso gehen die dem Widerruf folgenden Nachbesserungsverlangen wie auch die Rücktrittserklärung ins Leere. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Kaufvertrag aufgrund des wirksamen Widerrufs bereits ex nunc in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt (Palandt/Grüneberg, 77. Aufl. 2018, § 355 BGB Rn. 12). Als Gestaltungserklärung ist der Widerruf unwiderruflich (BeckOK BGB/Müller-Christmann BGB § 355 Rn. 22 ff.).
 
2.
Aus vorgenannten Gründen ist auch der Hilfsantrag abzuweisen. Ein Anspruch auf Kaufpreiszahlung besteht auch nicht Zug-um-Zug gegen eine etwaige Mängelbeseitigung. Ob der Badlifter tatsächlich Mängel aufweist, kann mithin offen bleiben.

3.
Damit besteht auch kein Anspruch der Klägerin auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die nach § 33 ZPO zulässige Widerklage ist begründet. Indem die Klägerin die Rückabwicklung des Kaufvertrags infolge des Widerrufs ausdrücklich verweigert hatte, als der Geschäftsführer der Klägerin den Monteur angewiesen hatte, die Kaufsache nicht zurückzunehmen, befand diese sich in Verzug (§ 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB). Der Beklagten steht mithin ein Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltkosten in Höhe einer 1,3 Gebühr, mithin auf 492,54 € nach §§ 280, 286 BGB zu. Diese waren wie beantragt ab Rechtshängigkeit zu verzinsen, §§ 280, 286, 288 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.11, 711 ZPO.
 
R e c h t s b e h e l f s b e l e h r u n g :
 
---
 
Dr. --- Richterin
 
Verkündet am 11.05.2018
 
---, JAng'e
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Mietrecht - Kündigung wegen Störung des Wohnungsverkaufs (AG Lörrach, 08.05.2018)

Räumungsklage der Kanzlei im Rebland vor dem Amtsgericht Lörrach erfolgreich

Bemüht sich der Vermieter darum, die vermietete Wohnung zu verkaufen, darf der Mieter gegenüber Kaufinteressenten die Wohnung nicht in unsachlicher Weise schlecht machen; ferner darf er Besichtigungen nicht unzulässig stören oder unterbinden. Verstößt der Mieter gegen diese Pflichten, kann der Vermieter das Mietverhältnis kündigen. Dies hat das Amtsgericht Lörrach in einer interessanten Entscheidung klargestellt und der Räumungsklage eines Mandanten der Kanzlei im Rebland stattgegeben (Urteil vom 08.05.2018, 4 C 1407/17, noch nicht rechtskräftig). 

Hier das (noch nicht rechtskräftige) Urteil im Volltext:


Aktenzeichen:
4 c 1407/17

 

Amtsgericht Lörrach

 

Im Namen des Volkes

 

U r t e i l

 

In dem Rechtsstreit

 

---, --- Straße ---, 79395 Neuenburg am Rhein

- Kläger -

 

Prozessbevollmächtigter:

Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 71/17 gegen

 

  1.   ---, ---straße ---, --- - Beklagte -

 2.   ---, ---straße ---, --- - Beklagter -

 

Prozessbevollmächtigter zu 1 und 2:

Rechtsanwalt Dr. ---, ---straße ---, ---, Gz.: ---

 

wegen Räumung

 

hat das Amtsgericht Lörrach durch die Richterin Dr. --- aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2018 für Recht erkannt:
 

1.  Die Beklagten werden verurteilt, die Wohnung im 1. Obergeschoss des Hausanwesens ---straße --- in --- ---, ---, bestehend aus vier Zimmern, einer Küche, einer Diele, einem Bad mit WC einem Balkon, einer Dusche mit WC und einem Kellerraum (von der Kellertreppe abwärts gesehen die 1. Türe links) zu räumen und in geräumtem Zustand an den Kläger herauszugeben.

2. Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 29.07.2018 gewährt.

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 729,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.11.2017 zu zahlen.

4.  Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

5.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers hinsichtlich des Tenors Ziff. 1 durch Sicherheitsleistung in Höhe von 9.900,00 € abwenden,  wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers im Übrigen durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Beschluss: Der Streitwert wird auf 7.080,00 € festgesetzt.

 

T a t b e s t a n d

 

Die Parteien streiten über Räumung und Herausgabe der von den Beklagten bewohnten Wohnung.

Der Kläger ist Vermieter, die Beklagten sind Mieter der im Tenor bezeichneten Wohnung. Die im Jahr 2016 verstorbene Schwester des Klägers, deren Alleinerbe der Kläger geworden ist, schloss mit den Beklagten am 25.03.2006 einen Mietvertrag (Anlage K 1, AS 19 ff.). Das Mietverhältnis begann am 01.05.2006 und wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. In der Anlage zum Mietvertrag (Anlage K 2, AS 31) wurde unter anderem vereinbart, dass die Mieter sich an der Gartenpflege „in Form von anteiligem Rasenmähen, Heckenschneiden u.a." beteiligen. Der seit 02.02.2017 im Grundbuch als Eigentümer eingetragene Kläger beabsichtigt das Anwesen, das die Beklagten nach dem Tod der Schwester des Klägers zunächst allein bewohnten, zu verkaufen. Der Kläger hat die Beklagten mit verschiedenen Schreiben aufgefordert den Garten aufzuräumen und die dort gelagerten Sachen zu entfernen (Anlage K 4/2 - K4/4, AS 61 ff.). Die Beklagten kamen dem nicht nach. Die Beklagten wurden mit anwaltlichen Schreiben vom 21.03.2017 (Anlage K 5, AS 73 f.) abgemahnt. Eine erneute Abmahnung erfolgte am 12.04.2017 (Anlage K 6, AS 81). Der Kläger kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 31.05.2017, das den Beklagten am 01.06.2018 zugestellt wurde, ordentlich auf den 28.02.2018 (Anlage K 8, AS 93 f.). Die Kündigung wurde auf die Verletzung der Verpflichtung zum sorgfältigen Umgang mit der Mietsache und die Verhinderung der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gestützt. Die Beklagten haben der Kündigung mit Schreiben vom 20.06.2017 widersprochen (Anlage K 9, AS 101). Der Kläger hat das Mietverhältnis nochmals mit der Klageschrift zum nächst zulässigen Termin gekündigt. Die Beklagte haben der Kündigung unter Hinweis auf den angespannten Wohnungsmarkt und ihre familiäre Situation mit drei schulpflichtigen Kindern widersprochen. Der Kläger hat das Mietverhältnis mit Schriftsatz vom 15.12.2017 (AS 151) nochmals fristlos, hilfsweise ordentlich, unter Berufung auf Störungen der Besichtigungstermine gekündigt.

 

Der Kläger behauptet, die Beklagten hätten sich auf dem gesamten Grundstück breit gemacht und den Garten vernachlässigt und diesen vollständig verwildern lassen. Insbesondere lagerten die Beklagten auf dem Grundstück verschiedene Gegenstände und Unrat (siehe im Einzelnen die Aufstellung in der Klageschrift AS 7, 11). Die Beklagten hätten zudem den Dachboden in Beschlag genommen, obgleich dieser nicht mit vermietet sei. In diesem Zustand sei das Grundstück unverkäuflich. Grundstücksinteressenten hätten schon bei Ansicht des Grundstücks das Interesse am Kauf verloren. Der Kläger habe auch bereits selbst versucht Abhilfe zu schaffen und das Grundstück aufzuräumen, der Beklagte Ziff. 2 habe dies dem Kläger aber verboten und mit Strafanzeige gedroht. Der Beklagte Ziff. 2 hätte zudem die Besichtigungstermine gestört und den Makler, den Zeugen ---, beschimpft und mit einer Anzeige wegen Hausfriedensbruch gedroht. An einem weiteren Besichtigungstermin habe der Beklagte Ziff. 2 die Polizei gerufen, da dieser unangemeldet Gartenarbeiten vorgenommen habe und diese nur nach Absprache ausgeführt werden dürften. Die Beklagte Ziff. 1 habe sich zudem gegenüber mehreren Kaufinteressenten abfällig und negativ über das Haus geäußert. Der Kläger behauptet, er sei zudem an der angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert. Der erforderliche Sanierungsaufwand könne vom Kläger selbst nicht getragen werden, weswegen er das Grundstück verkaufen wolle. Angesichts des Zustands der an die Beklagten vermieteten Wohnung und der Unsicherheit hinsichtlich der Entwicklung des Mietverhältnisses sei ein Verkauf bislang nicht geglückt. Zudem sei der Verkehrswert mit dem vorliegenden Mietverhältnis erheblich belastet.

 

Der Kläger beantragte zuletzt,

 

  1. Die Beklagten werden verurteilt, die Wohnung im 1. Obergeschoss des Hausanwesens --- in ---, Ortsteil ---, bestehend aus vier Zimmern, einer Küche, einer Diele, einem Bad mit WC einem Balkon, einer Dusche mit WC und einem Kellerraum (von der Kellertreppe abwärts gesehen die 1. Türe links) zu räumen und in geräumtem Zustand an den Kläger herauszugeben.
  2.  Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 729,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

 

Die Beklagten beantragen,

 

Klageabweisung.

 

Die Beklagten sind der Auffassung, ein Kündigungsgrund sei nicht gegeben. Insbesondere liege keine Vernachlässigung der Gartenpflege vor. Die Beklagten seien nur zur Beteiligung an der Gartenpflege verpflichtet, eine konkrete Regelung welche Pflegearbeiten geschuldet seien, bestehe nicht. Eine Vermüllung des Grundstücks liege ebenfalls nicht vor. Die mit der Schwester des Klägers getroffenen Vereinbarungen, insbesondere zur Errichtung eines Parkplatzes und eines Freisitzes, aber auch zur Nutzung des Dachbodens, gälten fort. Daher sei es auch zulässig die zugehörigen Baumaterialien auf dem Grundstück zu lagern. Die Lagerung von Gegenständen sei mit Einverständnis der Schwester des Klägers erfolgt. Die Beklagten bestreiten, dass das Misslingen der Verkaufsversuche vornehmlich an den Beklagten liege und deren Verhalten Einfluss auf die Kaufinteressenten gehabt haben solle.

 

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeuginnen ---, ---, ---, --- und des Zeugen ---. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2018 (AS 177), 22.02.2018 (AS 263 ff.) und 05.04.2018 (AS 389 ff.) Bezug genommen. Bezüglich des weiteren Parteivortrags wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die oben genannten Sitzungsprotokolle hingewiesen.

 

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

 

Die Klage ist zulässig und begründet.

 

l.

1. Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung nach § 546 Abs. 1 BGB zu. Das zwischen den Parteien bestehende Mietverhältnis ist jedenfalls durch die mit Schriftsatz vom 15.12.2017 formwirksam erklärte Kündigung beendet worden, § 542 Abs. 1 BGB.

 

a. Der Kläger ist nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB aufgrund des Verhaltens der Beklagten im Rahmen der Besichtigungstermine mit Kaufinteressenten zur außerordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt.

Nach § 543 Abs. 1 S. 2 BGB liegt ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung eines Mietverhältnisses vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens des Vertragspartners, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Beklagten im Rahmen der Besichtigungen des Grundstücks mit Kaufinteressenten das Kaufobjekt in unsachlicher Weise schlecht gemacht haben und die Besichtigung in unzulässiger Weise zu unterbinden versucht haben. Hierin ist eine erhebliche Vertragsverletzung der Beklagten zu sehen, die dem Kläger einer Fortsetzung des Mietverhältnisses unzumutbar macht.

Insbesondere haben die Zeuginnen ---, --- und --- glaubhaft und übereinstimmend geschildert, wie die Beklagten im Rahmen der verschiedenen Besichtigungstermine ungefragt behauptete Mängel des Objekts mitgeteilt haben. Nach den übereinstimmenden und ohne Belastungseifer gemachten Angaben der Zeuginnen hat der Beklagte Ziff. 2 insbesondere vom Balkon aus gerufen, dass das Haus Schimmel aufweise und Mängel des Hauses mitgeteilt. So hat die Zeugin --- angegeben, dass der Beklagte Ziff. 2 die Kunden vom Balkon aus direkt angesprochen und behauptet hat, dass „alles verschimmelt sei und nichts gemacht werde". Zudem hat er sich nach den Angaben der Zeugin --- gegenüber dem Eigentümer, d.h. dem Kläger und dessen Lebensgefährtin sehr frech verhalten und damit einen schlechten Eindruck für die Kunden erweckt. Auch die Zeugin --- konnte zwar den genauen Ablauf nicht wiedergeben, hat sich jedoch erinnert, dass es zwischen Mieter und Vermieter unruhig gewesen ist und eine gewisse Spannung geherrscht hat. Die Zeugin --- hat zudem ebenfalls glaubhaft geschildert, dass der Mieter versucht hat vom Balkon herunter den Interessenten Mängeln mitzuteilen, so dass diese sich veranlasst sah, die Kunden zur Seite zu nehmen. Sie schilderte glaubhaft ihren Eindruck, dass die Beklagten keinen neuen Hausherr dulden wollten und das Ganze madig gemacht werden sollte. Die Zeugin --- hat diese Angaben bestätigt und erklärt, die Beklagten hätten vom Balkon her gebrüllt das Haus sei nicht in Ordnung und es wäre überall Schimmel. Sie schilderte glaubhaft ihren Eindruck, dass die Kaufinteressenten systematisch weggekelt werden sollten. Weiter hat der Zeuge --- glaubhaft geschildert, wie die Beklagten den potentiellen Kaufinteressenten untersagt haben, das Grundstück zu betreten und diese an manchen Terminen lautstark mit dem Worten „macht euch weg" oder man solle sich vom Acker machen aufgefordert haben zu gehen. Weiterhin hat der Zeuge --- glaubhaft geschildert, dass ihm von den Beklagten mit der Polizei gedroht worden sei. Die Einlassung der Beklagten, der Beklagte Ziff. 2 hätte den Zeugen --- lediglich gefragt, warum eine Besichtigung ohne Ankündigung erfolge, nachdem alle Kaufinteressenten schon weg gewesen seien, vermag vor diesem Hintergrund nicht zu überzeugen.

Angesichts der unabhängig voneinander abgegeben und lebensnahen Schilderungen der Zeugen vom Ablauf der Besichtigungstermine ist das Gericht überzeugt, dass es zu den oben genannten Vorfällen gekommen ist. Hiermit haben die Beklagten ihre vertraglichen Pflichten in ganz erheblichem Maße verletzt. Zwar ist es den Beklagten unbenommen, auf Fragen potentieller Interessenten hin auf etwaige Mängel hinzuweisen. Das vorliegende lautstarke und unaufgeforderte mehrfache Eingreifen der Beklagten in die Besichtigungstermine auf dem Grundstück, auch unter Außerachtlassung der üblichen Höflichkeitsformen, stellt jedoch nach einer Gesamtschau der Beweisaufnahme im vorliegenden Fall eine erhebliche Verletzung der mietvertraglichen Pflichten dar, die den Vermieter zur fristlosen Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt (LG Hannover, Urteil vom 02.06.1995 - 9 S 199/94 -, juris; Schmidt-Futterer/Blank, 13. Aufl. 2017, BGB § 543 Rn. 192). Dies auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des Umstands, dass versucht worden ist, Interessenten bereits das Betreten des Grundstücks und des Gartens zu untersagen. Hinsichtlich des Gartens sind die Beklagten ausweislich Ziff. 1 (3) des Mietvertrags lediglich zu einer Mitnutzung des Gartens als gemeinschaftliche Einrichtung berechtigt. Dabei kommt es auch nicht darauf an, ob die Besichtigungstermine angekündigt gewesen sind oder nicht, da dieser Umstand die Beklagten jedenfalls nicht zu den beschriebenen Verhaltensweisen berechtigt.

Vorliegend ist zudem erschwerend zu sehen, dass die von den Zeuginnen --- und --- geschilderten Vorfälle bereits im Frühjahr 2017 stattgefunden haben und diese Vorfälle auch Eingang in die qualifizierte mietrechtliche Abmahnung vom 21.03.2017 gefunden haben. Weiter ist zu sehen, dass bereits die mit Datum von 31.05.2017 ausgesprochene ordentliche Kündigung auch auf diese Vorfälle Bezug nimmt. Spätestens ab diesem Zeitpunkt musste den Beklagten mithin klar sein, dass es nicht zu einer Wiederholung dieses Verhaltens kommen durfte. Auch eine qualifizierte Abmahnung nach § 543 Abs. 3 S. 1 BGB liegt mithin vor. Gleichwohl ist es zu einer Fortsetzung dieses Verhaltens im Rahmen der Besichtigungstermine mit dem Zeugen ---, die im November und Dezember 2017 stattgefunden haben, gekommen.

Hierbei kann es nicht darauf ankommen, ob ein Kaufvertragsabschluss ohne das Verhalten der Beklagten tatsächlich zustande gekommen wäre. Vielmehr ist ausreichend, dass die Beklagten durch ihr Verhalten zum Ausdruck bringen, die Verkaufsabsicht des Klägers nicht respektieren zu wollen. Das Verhalten der Beklagten ist offensichtlich nicht auf einen sachlichen Austausch oder auf eine Wahrung ihrer Interessen als Mieter ausgerichtet, sondern schwächt lediglich in unsachgemäßer Weise die Verkaufsposition des Klägers.

 

b. Damit kann offen bleiben, ob auch die mit Schreiben vom 31.05.2017 und mit der Klageschrift erklärten ordentlichen Kündigungen das Mietverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist nach § 573c BGB beendet hätten. Zum frühest möglichen Beendigungszeitpunkt der ordentlichen Kündigung, mithin zum 28.02.2018, war das Mietverhältnis bereits durch die ausgesprochene außerordentliche Kündigung beendet. Auf die Frage inwieweit die Unterlassung der Pflege des Gartens bzw. dessen Nutzung durch die Beklagten vorliegend ein Ausmaß erreicht hat, das eine erhebliche Verletzung vertraglicher Pflichten darstellt, kann mithin dahinstehen (vgl. dazu LG Oldenburg, Urteil vom 30.06.1995 - 2 S 415/95 -, juris; Schmidt-Futterer, Mietrecht, 13. Aufl. 2017, S 535 Rn. 344 ff.). Demnach kommt es auch auf die streitigen Vereinbarungen zwischen den Beklagten und der Schwester des Klägers nicht an. Ebenso bedarf die Frage eines etwaigen Widerrufs einer Nutzungsgestattung des Dachbodens durch den Kläger keiner weiteren Erörterung (siehe dazu nur KG, Urteil vom 14.12.2006 - 8 U 83/06, BeckRS 2007, 1199; KG, Urteil vom 01.12.2008 - 8 U 121/08, BeckRS 2009, 2875). Offen bleiben kann mithin auch, ob die Voraussetzungen einer Kündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB gegeben sind.

 

2. Dem Kläger steht aus vorgenannten Gründen auch ein Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Gebühr aus dem Streitwert von 7.080,00 €, mithin i.H.v. 729,23 € nebst Zinsen zu, da bereits die vorgerichtliche ordentliche Kündigung auf das zur Kündigung berechtigende Verhalten der Beklagten im Rahmen der Besichtigungstermine bis zu diesem Zeitpunkt Bezug nimmt (vgl. Schmidt-Futterer/Blank, 13. Aufl. 2017, BGB S 542

Rn. 105).

 

Il.

Den Beklagten war eine Räumungsfrist bis zum 29.07.2018 zu gewähren. Gemäß § 721 Abs. 1 ZPO kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist gewähren. Die Bemessung der Räumungsfrist richtet sich dabei nach den Umständen des Einzelfalls unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, wobei die Räumungsfrist nach § 721 Abs. 5 ZPO nicht mehr als ein Jahr ab Rechtskraft des Urteils betragen darf. (vgl. Seibel in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 721 ZPO, Rn. 6). Hierbei verkennt das Gericht nicht das erhebliche Erlangungsinteresse seitens des Klägers, auch angesichts des Umstands, dass die erste Kündigung bereits im Mai 2017 ausgesprochen worden ist und die Beklagten auch nicht dargelegt haben, sich seither um Ersatzwohnraum bemüht zu haben. Trotz dieser Umstände und unter Berücksichtigung des Verschuldens der Beklagten an der Kündigung des Mietverhältnisses war diesen in Anbetracht des Umstands, dass diese drei schulpflichtige Kinder haben, eine Räumungsfrist bis zum Beginn der Sommerferien zu gewähren, um diesen so eine geordnete Übergabe zu ermöglichen (vgl. LG Krefeld, Urteil vom 10. März 2010 —2 S 66/09 —, Rn. 41 , juris; Schmidt-Futterer/Lehmann-Richter, 13. Aufl. 2017, ZPO § 721 Rn. 24).

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.7 und Nr. 11, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

(…)

 

Dr. --- Richterin

 

Verkündet am 08.05.2018

---, JAng'e

Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

---

Vertragsrecht - Verkauf eines mangelhaften Wohnmobils (OLG Köln, 23.03.2018)

Sieg der Kanzlei im Rebland vor dem Oberlandesgericht Köln

Ist ein Wohnmobil (Neuwagen) mit Mängeln behaftet, erhält der Verkäufer den (anteiligen) Kaufpreis nur Zug um Zug gegen Beseitigung der Mängel. Ferner ist es das Risiko des Verkäufers, wenn ihm durch die vertraglich geschuldete Zulassung in der Schweiz zusätzliche Gutachterkosten entstehen; diese Kosten kann der Verkäufer nicht vom Käufer erstattet verlangen. 

Das hat das OLG Köln nach über zweijährigem Rechtsstreit entschieden und der Berufung der Kanzlei im Rebland stattgegeben. Hier die rechtskräftige Entscheidung im Volltext:



19 U 97/17                                          


Oberlandesgericht Köln


IM NAMEN DES VOLKES


U r t e i l                                                                    

                                                                                                                                      
In dem Rechtsstreit

des Herrn ---, ---, 5454 Bellikon, Schweiz,

Beklagten und Berufungsklägers,

Prozessbevollmächtigte:                                  
Rechtsanwälte Kanzlei im Rebland, Jens
Hugenschmidt, Eisenbahnstr. 7, 79418 Schliengen,

g e g e n

die ---gesellschaft (haftungsbeschränkt), vertreten durch den geschäftsführenden Gesellschafter ---, Straße ---, 51588 Nümbrecht,

Klägerin und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte:                                   
Rechtsanwälte --- & Partner, ---, 50678 Köln,

 

hat der 19. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln

auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2018


durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. ---, die Richterin am Oberlandesgericht --- und die Richterin am Landgericht ---

für Recht erkannt:

 

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 26.05.2017 verkündete

Schlussurteil des Landgerichts Bonn (10 0 239/15) wie folgt abgeändert:

   D

D Das Versäumnisurteil vom 18.12.2015 wird teilweise aufrechterhalten und insgesamt wie folgt neu
  gefasst:  Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 3.860,94 zu zahlen, Zug um Zug gegen Beseitigung folgender Mängel an dem Wohnmobil „SpaceCamper classic", VW T5, grün-metallic, Fahrzeugidentifikations-Nr.: ---, amtliches Kennzeichen AG---:

1)   fehlende Bedienbarkeit des Warm-Kaltwassermischers an der Schwenkküche von Innen;

2)         Spalt von bis zu 5 mm an der Innenverkleidung der C-Säule hinter der linken Schiebetüre zwischen Türdichtgummi und Säuleninnenverkleidung;

3)         fehlende aktuellste Version der Navigations-CD „Volkswagen Navigation CY" (Folgeversion nach der Version vom 30.08.2011);

4)  nicht ordnungsgemäße Reparatur der Farbabplatzungen an zwei Felgen;  Reparaturrückstände durch Abklebespuren;

5) schief angebrachtes Riffelblech am hinteren Unterboden des Fahrzeugs;

6)       Einbau von 4 kleineren Tanks anstatt einer Warmwasseranlage bestehend aus zwei Tanks — einem 40 l Kaltwassertank und einem 40 l Warmwassertank;

7)          fehlende Lieferung der hinteren Fußmatten im Wert von 41 ,90 €           

8)          Austausch des Zeltbalges (Moskitonetz)   

Im Übrigen wird das Versäumnisurteil vom 18.12.2015 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

l.

Der Darstellung eines Tatbestandes bedarf es mangels Vorliegens der Voraussetzungen für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gemäß §§ 313 a Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 Satz 2 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO nicht.

Die zulässige, da form- und fristgerecht eingelegte und begründete, beschränkte Berufung des Beklagten hat in vollem Umfang Erfolg. Das Versäumnisurteil vom 18.12.2015 ist teilweise aufzuheben und die Klage teilweise abzuweisen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, an die Klägerin Euro 1.350 für die Position „Gutachterkosten" zu zahlen, da die Klägerin gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz dieser Kosten gemäß §§ 677, 683, 670 BGB hat. Zudem liegen die Voraussetzungen vor, unter denen das von dem Beklagten ausgeübte Zurückbehaltungsrecht auf den Riss im Zeltbalg (Moskitonetz) gestützt werden kann, so dass dieser Mangel ebenfalls in den Tenor aufzunehmen und das Urteil des Landgerichtes entsprechend abzuändern ist. Des Weiteren sind die Kosten des Rechtsstreits abweichend von der Kostenentscheidung des Landgerichtes der Klägerin aufzuerlegen.

1. Ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der Gutachterkosten ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht aus §§ 677, 683, 670 BGB.

Voraussetzung für einen Aufwendungsersatzanspruch gemäß §§ 677, 683, 670 BGB ist, dass jemand ein Geschäft für einen anderen besorgt, ohne von ihm beauftragt oder ihm gegenüber sonst berechtigt zu sein, er die Aufwendungen nach den Umständen für erforderlich halten darf und die Übernahme des Geschäftes dem Interesse und dem wirklichen oder dem mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprochen hat.

Vorliegend kann dahinstehen, ob die Klägerin mit dem Einholen der Gutachten (ausschließlich) ein Geschäft für einen anderen, nämlich den Beklagten, besorgt hat. Zweifel bestehen hieran vor dem Hintergrund, dass die Klägerin mit E-Mail vom 12.10.2012 mitgeteilt hat, dass sie im Gespräch mit einem Schweizer Partner von VB sei, um dessen Gutachten zu kaufen und „für Sie / uns" zu nutzen, so dass der Einwand des Beklagten, dass die Klägerin die Gutachten zu eigenen Zwecken eingeholt hat, durchaus beachtlich ist.
Jedenfalls hat der Tätigkeit der Klägerin ein Auftrag bzw. eine vertragliche Grundlage zugrunde gelegen. Die Klägerin hat sich durch den Vertrag vom 31.12.2011 zur Durchführung der Zulassung des Fahrzeuges  für den Beklagten verpflichtet. Dementsprechend findet sich in dem Vertrag eine Position „Fahrzeugablieferung, Zulassung CH (Garage, MFK, Vignette, Tankfüllung) und Aufbereitung", für die Euro 990 berechnet werden. Die Zulassungskosten sollten dabei nach dem Klammerzusatz die Motorfahrzeugkontrolle (MFK) in der Schweiz umfassen. Bezüglich der Position „Luftfahrwerk", welche mit Euro 6.900 berechnet  wird, findet sich der Zusatz, dass „gemäß Auskunft TÜV (...) als zulässiges Gesamtgewicht des Fahrzeuges 3.350 kg eingetragen (wird)".
Zwar bedeutet dies nicht in jedem Fall, dass auch die Kosten etwaiger Gutachten hiervon umfasst sein sollten. Jedoch ergibt sich unter Berücksichtigung der (vor Abschluss des Vertrages)  gewechselten E-Mails, dass das streitgegenständliche Fahrzeug in der zwischen den  Parteien vereinbarten Beschaffenheit in der Schweiz zugelassen werden sollte und konnte. So hat die Klägerin gegenüber dem Beklagten vor Vertragsschluss in einer E-Mail vom 13.12.2011 (Anlage B1, BI. 181 GA) erklärt, dass sie gerade vom TÜV kämen und dass bei dem „Spacy" ein Gesamtgewicht von 3.350 kg eingetragen werden könne, bei einer Achslast von kleiner / gleich 1.700 kg, was in der Folge zu der Formulierung des Kaufvertrages in der Position „Luftfahrwerk" führte.
Bei einer Auslegung der E-Mail nach dem objektiven Empfängerhorizont unter Berücksichtigung von Treu und Glauben gemäß §§ 133,157 BGB lässt sich die Auskunft der Klägerin nur dahin gehend verstehen, dass die Zulassung des „Spacy" in der gewählten Ausführung einer Zulassung in der Schweiz keinen Bedenken begegnet und insbesondere auch keine Zusatzkosten für weitere Gutachten entstehen. Insoweit ergibt sich auch aus der E-Mail der Klägerin vom 12.10.2012 (Anlage B1, BI. 181 GA), dass verschiedene Gutachten für die Auflastung vorlägen, aber durch die MFK nicht anerkannt würden. Zwar wurde diese E-Mail nach Abschluss des Kaufvertrages verfasst, gleichwohl ergibt sich hieraus, dass die Notwendigkeit, für die gewählte Ausstattung Gutachten vorzulegen, der. Klägerin bekannt gewesen ist. Nach den konkreten Umständen des vorliegenden Einzelfalles obliegt das (wirtschaftliche) Risiko, dass die vorliegenden Gutachten durch die Schweizer Behörden nicht anerkannt werden, der Klägerin, da sie in der vorprozessualen Korrespondenz objektiv den Eindruck erweckt hat, dass die Zulassung kein Problem sei.
Für dieses Auslegungsergebnis spricht im Übrigen auch, dass die Klägerin gegenüber dem Beklagten in der E-Mail vom 12.10.2012 nicht schon angesprochen hat, dass hierfür Kosten entstehen und diese von dem Beklagten zu tragen sind. Soweit die Klägerin schon von vornherein der Auffassung gewesen wäre, dass die Gutachterkosten von dem Beklagten zu tragen wären, hätte es nahe gelegen, den Beklagten über die voraussichtlich entstehenden Kosten zu informieren. Ebenso hat die Klägerin die Kosten der eingeholten Gutachten dem Beklagten nicht in Rechnung gestellt, sondern mit E-Mails vom 08.11.2012 und 15.11.2012 unter Hinweis auf die Rechnungen der Firma --- nachgefragt, ob und in welcher Höhe sich der Beklagte an den Kosten der Gutachten beteiligten möchte. Zwar mag es sein, dass die Klägerin die entsprechenden E-Mails im Hinblick auf die Kundenbindung verbindlich formuliert hat. Allerdings hätte es auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes nahe gelegen, auf einen aus gutem Willen erfolgten Verzicht auf einen bestehenden Anspruch hinzuweisen. Die Kosten der Gutachten in Höhe von Euro 1.350 waren daher von -dem mit Schlussurteil vom 26.05.2017 zugesprochenen Betrag von Euro 5.210,94 abzusetzen, so dass sich der Betrag auf Euro 3.860,94 reduziert.


 

2. Zudem steht dem Beklagten gegenüber den Ansprüchen der Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht gemäß § 273 Abs. 1 BGB auch bezüglich des Mangels an dem Zeltbalg (Moskitonetz) zu, welches der Beklagte auch geltend gemacht hat. Der Beklagte kann die geschuldete Leistung, mithin die Zahlung, verweigern, da er aus demselben rechtlichen Verhältnis, auf dem seine Verpflichtung beruht, einen fälligen Anspruch gegen die Klägerin auf Nacherfüllung im Hinblick auf den Zeltbalg / das Moskitonetz gemäß §§ 439 Abs. 1, 437 Nr. 1 BGB hat.

Ein Mangel an dem Fahrzeug liegt mit der Beschädigung am Moskitonetz, welche der Sachverständige Steinacker in seinem Gutachten festgestellt hat, vor, da ein Kratzer im Netz ist und im Verlauf dieses Kratzers sich drei Beschädigungen des Netzes befinden, welche mit einer klebeartigen Masse provisorisch instand gesetzt worden sind. Zwar hat der Beklagte nicht bewiesen, dass der Mangel bereits im Zeitpunkt des Gefahrübergangs vorgelegen hat, wie § 434 BGB dies voraussetzt.

Der Sachverständige konnte zu dem Zeitpunkt der Beschädigung keine fundierten Angaben machen. Allerdings greift zugunsten des Beklagten die Beweislastumkehr des § 477 BGB ein.

Ein Verbrauchsgüterkauf im Sinne des § 474 BGB ist gegeben, denn der Beklagte hat als Verbraucher von der Klägerin als Unternehmerin eine bewegliche Sache gekauft. Zum einen hat der Beklagte im Rahmen der Bestimmung der internationalen Zuständigkeit darauf hingewiesen, dass es sich um eine Verbrauchersache handele. Zum anderen handelt es sich bei dem Beklagten um eine natürliche Person, wobei nicht ersichtlich ist, dass der Kauf des „Spacys" anderen als privaten Zwecken dienen sollte.

Zwar trägt der Verbraucher die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass nach dem von ihm objektiv verfolgten Zweck ein seinem privaten Rechtskreis zuzuordnendes Rechtsgeschäft vorliegt (hierzu und zu Folgenden BGH, Urteil 30.09.2009 — VIII ZR 7/09 —, Rn. 11, juris, m.w.N.). Unsicherheiten und Zweifel aufgrund der äußeren, für den Vertragspartner erkennbaren Umstände des Geschäfts gehen indes nach der negativen Formulierung des Gesetzes nicht zu Lasten des Verbrauchers. Bei einem Vertragsschluss mit einer natürlichen Person ist grundsätzlich von Verbraucherhandeln auszugehen. Anders ist dies nur dann, wenn Umstände vorliegen, nach denen das Handeln aus der Sicht des anderen Teils, eindeutig und zweifelsfrei einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit zuzurechnen ist. Hierzu fehlt es an entsprechendem Vortrag der Klägerin.


Der Mangel am Moskitonetz hat sich auch innerhalb von sechs Monaten nach der Übergabe am 21.12.2012 gezeigt. Der gerügte Mangel war bereits in der Mängelliste vom 27.12.2012 enthalten. Darüber hinaus hat die Klägerin unter dem 01.02.2013, 28.03.2013 und dem 02.04.2013 mit dem Beklagten über die Beseitigung des Mangels korrespondiert, was unnötig gewesen wäre, wenn ihr der Mangel zu diesem Zeitpunkt nicht bereits mitgeteilt bzw. vorhanden gewesen wäre. Soweit die Klägerin insoweit darauf verweist, dass der Beklagte diesbezüglich eine Berichtigung des Tatbestandes hätte beantragen müssen und daher mit diesem Vortrag ausgeschlossen sei, so trifft dieser Einwand nicht zu: Das Landgericht hat im Tatbestand ausdrücklich auf die Mängelliste vom 21.12.2012 (BI. 190 GA) Bezug genommen hat, wodurch diese Teil des Tatbestandes wird. Unrichtig ist daher lediglich die Schlussfolgerung des Landgerichtes, weshalb Tatbestand und Entscheidungsgründe im Ergebnis widersprüchlich sind, und dem Tatbestand diesbezüglich keine Beweiskraft zukommt (Feskorn, in: Zöller, ZPO, 32. Aufl. 2017, S 314, Rn. 6)

Die Art des Mangels ist auch nicht unvereinbar mit der Vermutung. Der  Sachverständige hat ausgeführt, dass es sich um eine Beschädigung handelt, die nicht durch eine einfache Benutzung hervorgerufen worden ist (BI. 395 GA).

3. Auf die Berufung des Beklagten war zudem auch die Kostenentscheidung des Landgerichtes abzuändern, da die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz aufgrund des seitens des Beklagten zu Recht geltend gemachten Zurückbehaltungsrechtes der Klägerin aufzuerlegen sind. Im Fall der Verurteilung Zug-um-Zug ist gemäß § 92 Abs. 1 ZPO eine Kostenquote zu bilden, wobei der Kläger hierbei je mehr unterliegt, je mehr das Urteil hinsichtlich der Berücksichtigung der Gegenforderung von seinem Antrag abweicht (vgl. zu den Grundsätzen für die Kostenentscheidung im Rahmen einer Zug-um-Zug-Verurteilung: Schwarze, in: Staudinger (2015), BGB, § 322 BGB, Rn. 23). Aus diesem Grunde ist eine Quote auf Grundlage des der Klägerin zugesprochenen Betrages im Verhältnis zu dem Wert des Zurückbehaltungsrechtes zu bilden. Die Klägerin obsiegt mit einem Betrag von Euro 3.860,94. Der Wert des seitens des Beklagten ausgeübten Zurückbehaltungsrechtes wird seitens des Senates gemäß § 287 ZPO auf Grundlage der seitens des Sachverständigen ermittelten Beseitigungskosten bzw. den seitens des Beklagten mitgeteilten Werten für die Beseitigung entsprechender Mängel auf Euro 5.546,91 geschätzt. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung darauf verwiesen hat, dass ihr für die Beseitigung etwaiger Mängel geringere Kosten entstünden und z. B. für Ersatzteile die Händlereinkaufspreise anzusetzen seien, so hat sie schon keine belastbaren Werte für die von ihr behaupteten geringeren Kosten angegeben, wobei es sich im Übrigen um in der Berufungsinstanz neuen Vortrag handelt und nicht dargetan oder sonst ersichtlich ist, dass die Voraussetzungen, unter denen dieses neue Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO ausnahmsweise zulässig ist, vorliegen. Abgesehen davon handelt es sich bei dem Zurückbehaltungsrecht um ein Sicherungsmittel, dessen Zweck es in erster Linie ist, den Schuldner davor zu schützen, einseitig leisten zu müssen, auf die Gefahr hin, die ihm gebührende Leistung nicht zu erhalten (BGH, Urteil vom 26.09.2013, VII ZR 2/13, Rn. 33, juris). Vor diesem Hintergrund ist es angemessen, auf die für den Beklagten entstehenden Mangelbeseitigungskosten abzustellen. Selbst wenn man von den geschätzten Mangelbeseitigungskosten in Höhe von Euro 5.546,91 einen erheblichen Abschlag für bei der Klägerin anfallende geringere Kosten vornehmen würde, erreichten diese im Übrigen immer noch den Wert des zugesprochenen Betrags, so dass die Kosten auch dann der Klägerin aufzuerlegen wären.

Im Einzelnen gilt für die Schätzung der Kosten der Mangelbeseitigung folgendes: Nach Mitteilung der Firma --- (Anlage B3, BI. 188 GA) entstehen für die Herstellung der Bedienbarkeit des Warm-Kaltwassermischer Kosten in Höhe von Euro 1.800. Ausweislich der Angaben des Sachverständigen ---. in der mündlichen Anhörung vor dem Landgericht sind für die Beseitigung des Spaltes der C-Säule Euro 884 aufzuwenden (BI. 391 GA). Die Navigations-CD ist mit einem Wert von Euro 189 anzusetzen (Angabe des Beklagten). Der Sachverständige hat für die Beseitigung der Farbabplatzungen an den Felgen einen Betrag von Euro 167,01 (BI. 392 GA unter Bezug auf Anlage K11, BI. 362 GA) ermittelt. Die Kosten für die Beseitigung des Mangels „schief angebrachtes Riffelblech", die der Sachverständige --- auf Euro 200 bis Euro 300 beziffert (BI. 393 GA), werden mit Euro 250 ausgerechnet. Die Kosten für den Einbau von vier kleineren Wassertanks sind auf Grundlage des seitens der Klägerin für die Wassertanks in Rechnung gestellten Betrags von Euro 1.490 auf (mindestens) Euro 745 zu schätzen. Die Fußmatten haben einen/Wert von Euro 41,90 (vgl. Angabe im Tenor). Für den Einbau eines mangelfreien Moskitonetzes ist umgerechnet ein Betrag von rund Euro 1.470 anzusetzen, da das Angebot der Firma --- als Richtpreis für das Auswechseln des Stoffbalges CHF 1.722 ausweist (Anlage B4, BI. 189 GA).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO (i.v.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Rechtsfragen grundsätzlicher Natur, die über den konkreten Einzelfall hinaus von Interesse sein könnten, haben sich nicht gestellt und waren nicht zu entscheiden.

Berufungsstreitwert: Euro 2.915 (Gutachterkosten in Höhe von Euro 1.350 sowie von der Klägerin angegebene Kosten für das Moskitonetz in Höhe von Euro 1.565)

Verkehrsrecht - Unfall auf enger Straße in Efringen-Kirchen (LG Freiburg v. 22.03.2018)

Erfolg für die Kanzlei im Rebland:

Zahlungsklage gegen einen Mandanten und dessen Kfz-Haftpflichtversicherung infolge eines Verkehrsunfalls erfolgreich abgewehrt.

Das Landgericht Freiburg hatte über einen Verkehrsunfall zu entscheiden, der sich im Jahre 2016 auf einer kleinen Straße in Efringen-Kirchen ereignete. Zwei Fahrzeuge kamen sich bei schlechtem Wetter entgegen. Beide Fahrzeuge wichen aus, wobei das eine Fahrzeug gegen einen Stein prallte und beschädigt wurde. Die Kfz-Haftpflichtversicherung des Mandanten der Kanzlei im Rebland regulierte 50 % des Schadens unter Hinweis auf das Mitverschulden des Gegners. Dieser wollte hingegen den gesamten Schaden ersetzt haben und klagte - ohne Erfolg. Das Landgericht Freiburg folgte der Berufungserwiderung der Kanzlei im Rebland und wies die Berufung zurück.

Hier die interessante Entscheidung im Volltext:



3 S 230/17
 
Landgericht Freiburg im
Breisgau
 
Im Namen des Volkes
 
Urteil
 
In dem Rechtsstreit
 
--- OHG, vertreten durch d. Gesellschafter --- und ---, ---, 79541 Lörrach – 
 
Klägerin und Berufungsklägerin -
 
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ---, ---, 79539 Lörrach, 
 
gegen
 
1) ---, ---, 79415 Bad Bellingen
- Beklagter und Berufungsbeklagter -
2) --- Versicherung AG, vertreten durch d. Vorstandsvorsitzenden ---, --- , 40198 Düsseldorf
- Beklagte und Berufungsbeklagte -
 
Prozessbevollmächtiqte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Kanzlei im Rebland, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 130/17 
 
wegen Schadensersatzes aus Verkehrsunfall
 
hat das Landgericht Freiburg im Breisgau - 3. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht ---, den Richter am Landgericht --- und den Richter am Landgericht Dr. --- am 22.03.2018 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom
15.03.2018 für Recht erkannt:
 
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Lörrach vom 13.10.2017
- 4 C 582/17 - wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
5. Beschluss: Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 2.686,29 € festgesetzt. 
 
Gründe:
 
I.
 
Die klagende OHG, die ihren beschädigten VW Golf selbst reparierte, macht mit ihrer Berufung die nicht ersetzten 50 % des Schadens geltend, der entstand, als der Fahrer dieses Golfs bei sehr starkem Regen auf einer nur 3,90 m breiten Straße dem Beklagten 1 mit seinem VW Caddy nach rechts ins hohe Gras auswich und dort über einen großen Stein fuhr.
Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird im Übrigen nach SS 540 Abs. 2,
313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.
 
Il.
 
Die zulässige Berufung ist in der Sache unbegründet.
Das Urteil des Amtsgerichts ist rechtsfehlerfrei. Auch begründen keine konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der festgestellten Tatsachen, die eine erneute Feststellung gebieten würden. Nach Prüfung kann daher das Berufungsgericht zunächst auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils Bezug nehmen. Auch die Angriffe der Berufung rechtfertigen keine andere Entscheidung. Ergänzend ist insoweit noch auszuführen:
 
Das Amtsgericht hat entgegen des Berufungsangriffs durchaus berücksichtigt, dass der zum Unfallzeitpunkt noch 68jährige Beklagte die Ordnungswidrigkeit „Sie schädigten einen anderen" ausweislich des Aufnahmeblattes der Polizei einräumt und mit dem Verwarnungsgeld von 35,00 € einverstanden erklärte. Nicht zuletzt aufgrund des persönlichen Eindrucks vom Beklagten zu 1 und des Zeugen Dr. --- vermochte das Amtsgericht aufgrund der Anhörung des Beklagten zu 1 und der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen sowie des mündlichen Gutachtens des technischen Sachverständigen Dipl.-Ing. --- jedoch nicht mit hinreichender Sicherheit ausschließen, dass der Zeuge --- überreagierte, als er so weit ins hohe Gras auswich und deshalb über den verborgenen Bruchstein fuhr.
 
Auf die Vernehmung des als Zeugen benannten Polizeibeamten, der das Aufnahmeblatt ausfüllte, kommt es nicht an. Dass der Beklagte zu 1 dem Polizeibeamten gegenüber einräumte, nicht äußerst rechts gefahren zu sein, kann offenbleiben. Ursprünglich fuhr der Beklagte zu 1 mit seinem Pkw unstreitig nicht am rechten Fahrbahnrand. Er wich dann jedoch nach rechts aus und dies bevor die Fahrzeuge einander passierten. Dies stellte nicht nur der Beklagte zu 1 bei seiner Anhörung so dar, sondern auch der Zeuge Dr. --- bekundete, dass der Gegner auch nach rechts ausgewichen ist.
 
Der Beklagte hatte nicht nur dem Rechtsfahrgebot nach S 2 Abs. 2 StVO Genüge zu tun, das nur auf der Fahrbahn selbst gilt (Heß in Burmann/Heß/Janker/Hühnermann Straßenverkehrsrecht, 24. Aufl. S 2 StVO Rn 43), sondern notfalls auch auf das Bankett auszuweichen, soweit dies sicher befahren werden kann (Heß aaO Rn 69). Ob dem Beklagten auch angesichts des damaligen Zustandes des Banketts ein schnelleres Ausweichen auf dieses zumutbar gewesen wäre, kann nicht sicher festgestellt werden.
Die Entfernung beider Fahrzeuge in der Kurve, als die Unfallbeteiligten einander im sehr starken Regen wahrnahmen, ist nicht festzustellen. Jedenfalls bemerkte der Zeuge Dr. --- den VW Caddy (wohl 9KV) so spät, dass er statt zu verlangsamen, ungebremst nach rechts jenseits der Fahrbahn ins 60 cm hohe Gras auswich und dort über den großen Stein fuhr. Dabei bemerkte er dann noch - mithin vor dem Passieren der Fahrzeuge - dass der Caddy ebenfalls nach rechts auswich. Der vom Zeugen bei seiner Aussage mitgeteilte Eindruck, dass beim Weiterfahren es nicht gereicht hätte ohne Kollision, mag subjektiv richtig sein, kann allerdings auch dem Überraschungsmoment geschuldet gewesen sein, als in der Kurve im dichten Regen der Caddy auftauchte. Der Zeuge Dr.--- schilderte die Sichtverhältnisse als sehr beschränkt und das Ganze sei so plötzlich gekommen.
 
Die Kostenentscheidung folgt aus S 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf SS 708 Nr. 10, 713 ZPO.
 
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (S 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
 
 
 
--- --- Dr. ---
Vorsitzender Richter
am Landgericht am Landgericht am Landgericht
Verkündet am 22.03.2018
---, Alnsp'in
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
 
Beglaubigt
Freiburg im Breisgau, 23.03.2018

Baurecht - Fiktive Mangelbeseitigungskosten sind kein Schaden (BGH, 22.02.2018)

Bundesgerichtshof ändert Rechtsprechung zur fiktiven Schadensberechnung im Baurecht

Bessert der Auftragnehmer einen Mangel innerhalb der vom Auftraggeber gesetzten Frist nicht nach, kann der Auftraggeber die fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht als Schadensersatz geltend machen. Vielmehr richtet sich der Schaden nach dem Minderwert des Werks wegen des nicht beseitigten Mangels.

 

Dies hat der Bundesgerichtshof im Februar 2018 entschieden. Damit hat der BGH (von der Öffentlichkeit fast unbemerkt) seine bisherige, langjährige Rechtssprechung zu der Frage, wie im Falle von Baumängeln der fiktive Schaden des Bauherrn zu berechnen ist, geändert.

Grundsätzlich kann der Auftraggeber Schadensersatz in Geld verlangen, soweit er durch den Mangel einen Vermögensschaden erleidet. Lässt er den Mangel nicht im Wege der Selbstvornahme beseitigen, ist der durch den Mangel des Werks entstandene Vermögensschaden festzustellen und in Geld zu bemessen (vgl. Entscheidungsbesprechung in: NJW-Spezial, 2018, 204). Nach der neuen Entscheidung des BGH ist hierzu im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert des Werks ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert mit Mangel zu ermitteln. Der Auftraggeber erhält also einen Ausgleich für den Wertunterschied. Hingegen hält der BGH nicht länger an seiner Rechtsprechung fest, wonach dem Auftraggeber auch ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zusteht (Entscheidungsbesprechung in: NJW-Spezial, 2018, 204, mit Verweis auf BGH, NJW 2008, 436).

Hier die für die Praxis ausgesprochen bedeutende Entscheidung des BGH im Volltext:




BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17
 

BGB § 634 Nr. 2, 3 und 4, §§ 280, 281, 637, 638, 249 Abs. 1 A, Fa, Fb, Ha, Hb; VOB/B (2002) § 13

 

1. Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs statt der Leistung (kleiner Schadensersatz) gegen den Unternehmer gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB seinen Schaden nicht nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen (Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung).

2. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, kann den Schaden in der Weise bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt. Hat der Besteller die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen.

b) Der Schaden kann in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB auch in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses.

3. a) Der Besteller, der das Werk behält und den Mangel beseitigen lässt, kann die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt verlangen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.

b) Darüber hinaus hat der Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will.

4. Auch im Verhältnis zum Architekten scheidet hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk aus.

5. a) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks nicht beseitigen, kann er seinen Schaden gegenüber dem Architekten im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen oder gegebenenfalls - bei Veräußerung des Objekts - nach dem konkreten Mindererlös.

b) Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Mangel des Bauwerks zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrags vorliegt, kann der Besteller stattdessen seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt.

6. a) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen, sind die von ihm aufgewandten Kosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB vom Architekten zu ersetzen. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.

b) Darüber hinaus hat der Besteller wegen Planungs- oder Überwachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, einen Schadensersatzanspruch gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB auf Vorfinanzierung in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags gegen den Architekten.

 

BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 - VII ZR 46/17 - OLG Düsseldorf, LG Düsseldorf, Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2018 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Eick, die Richter Dr. Kartzke und Prof. Dr. Jurgeleit und die Richterinnen Sacher und Dr. Brenneisen, für Recht erkannt:, Auf die Revisionen der Beklagten zu 1 und 5 und die Anschlussrevision der Klägerin wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. Januar 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Beklagten zu 1 und 5 und zum Nachteil der Klägerin im Verhältnis zu den Beklagten zu 1 und 5 erkannt worden ist., Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisions- und Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[1] Die Klägerin begehrt von den Beklagten zu 1 und 5 aus eigenem und aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen Mängeln an den im Außenbereich eines Einfamilienhauses verlegten Natursteinplatten.

[2] Die Klägerin und ihr inzwischen verstorbener Ehemann ließen ab dem Jahr 2003 ein viergeschossiges Einfamilienhaus in D. errichten. Sie beauftragten mit Vertrag vom 24. Juli 2002 den Beklagten zu 5 mit der Planung der Freianlagen und der Überwachung ihrer Herstellung sowie mit Vertrag vom 16./20. April 2004 unter Einbeziehung der VOB/B (2002) die Beklagte zu 1 mit der Ausführung der Naturstein-, Fliesen- und Abdichtungsarbeiten im Innen- und Außenbereich des Objekts. Die Streithelfer zu 1 und 2 waren mit der Gebäudeplanung betraut.

[3] Die Beklagte zu 1 ließ die Natursteinplatten des Typs "Crema Romano" und "Crema Romana", einen römischen Travertin, durch ihre Nachunternehmerin verlegen. Die Klägerin nahm die Arbeiten ab und bezahlte die im Jahr 2005 erstellte Schlussrechnung der Beklagten zu 1.

[4] Im Jahr 2007 zeigten sich erste Mängel der Natursteinarbeiten, die sich in der Folgezeit verstärkten. Es kam unter anderem zu Rissen und Ablösungen der Platten, zu Kalk- und Salzausspülungen, Farb- und Putzabplatzungen sowie zu starken Durchfeuchtungen des Putzes.

[5] Die Klägerin hat in der ersten Instanz von der Beklagten zu 1 unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils von 25 % wegen Planungsfehlern Vorschuss in Höhe von 91.792,58 € nebst Zinsen für die Durchführung der Mängelbeseitigung begehrt. Gegenüber dem Beklagten zu 5 hat sie Schadensersatz in Höhe von 122.390,11 € nebst Zinsen - in Höhe von 91.792,58 € als Gesamtschuldner neben der Beklagten zu 1 - geltend gemacht. Darüber hinaus hat sie Feststellung einer entsprechenden Ersatzpflicht der Beklagten zu 1 und 5 hinsichtlich aller weiteren, anlässlich der Mängelbeseitigung entstehenden Schäden begehrt. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben.

[6] Während des Berufungsverfahrens veräußerte die Klägerin mit Kaufvertrag vom 17. August 2015 das Objekt. Sie hat in der Folge die Vorschussklage gegen die Beklagte zu 1 auf Schadensersatz in Höhe von 75 % der fiktiven Mängelbeseitigungskosten umgestellt. Den Feststellungsantrag haben die Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt.

[7] Das Berufungsgericht hat auf die Berufungen der Beklagten zu 1 und 5 das erstinstanzliche Urteil insoweit abgeändert, als es jeweils die Umsatzsteuer auf die fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht zuerkannt hat. Unter Zurückweisung der weitergehenden Berufungen hat es die Beklagten zu 1 und 5 als Gesamtschuldner zur Zahlung von 77.429,21 € nebst Zinsen, den Beklagten zu 5 zur Zahlung von weiteren 25.809,74 € nebst Zinsen an die Klägerin verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen.

[8] Das Berufungsgericht hat die Revision zur Schadenshöhe zugelassen wegen der Frage, wie der Schaden zu bemessen sei, wenn der Besteller auf die Beseitigung des Werkmangels verzichte. Die Beklagten zu 1 und 5 haben uneingeschränkt Revision eingelegt mit dem Ziel der vollständigen Klageabweisung. Die Klägerin hat auf die Revisionen der Beklagten zu 1 und 5 Anschlussrevision eingelegt, soweit das Berufungsgericht abändernd die Klage (teilweise) abgewiesen hat. Der Senat hat die Revisionen der Beklagten zu 1 und 5 durch Beschluss vom 13. Dezember 2017 teilweise als unzulässig verworfen, soweit sie über die beschränkt zugelassene Revision hinausgegangen sind. Zugleich hat der Senat die von den Beklagten zu 1 und 5 vorsorglich eingelegten Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Berufungsgerichts zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe:

[9] Die im Umfang der Zulassung weiterverfolgten Revisionen der Beklagten zu 1 und 5 und die Anschlussrevision der Klägerin führen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im tenorierten Umfang und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

[10] I. Das Berufungsgericht hat ­ soweit für das Revisionsverfahren von Interesse ­ Folgendes ausgeführt:

[11] 1. Die Klägerin habe gegen die Beklagte zu 1 wegen der Mängel der Natursteinarbeiten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 77.429,21 € gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2002) in Verbindung mit §§ 398, 1922 BGB.

[12] a) Die Klägerin sei berechtigt, ihren Schaden auf Basis der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu bemessen. Sie könne abweichend von § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Schaden mit dem für die Mängelbeseitigung erforderlichen Geldbetrag abgegolten werde. Unerheblich sei, ob der zur Verfügung gestellte Betrag zur Mängelbeseitigung verwendet werde.

[13] Dies entspreche der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der zu dem Schadensersatzanspruch nach § 635 BGB a.F. die Ansicht vertreten habe, dieser erfasse die zur Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten und der Schädiger habe keinen Anspruch darauf, dass der Geschädigte das ihm als Schadensersatz gezahlte Geld zur Beseitigung des Schadens verwende (BGH, Urteil

vom 24. Mai 1973 - VII ZR 92/71, BGHZ 61, 28). Im Jahr 2007 habe der Bundesgerichtshof erneut betont, dass der Besteller seinen Schadensersatzanspruch nach den Kosten berechnen könne, die für eine Mängelbeseitigung erforderlich seien (BGH, Urteil vom 28. Juni 2007 - VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83). In der Literatur werde zwar teilweise die Auffassung vertreten, dass sich jedenfalls seit der Schuldrechtsreform der Schaden an dem mangelbedingten Minderwert orientiere, wenn der Besteller auf die Beseitigung des Werkmangels verzichte (Halfmeier, BauR 2013, 320, 325). Indes finde diese Auffassung in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang keine Stütze. Denn auch unter Geltung des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes habe der Bundesgerichtshof in der sogenannten "Umsatzsteuer-Entscheidung" (Urteil vom 22. Juli 2010 ­ VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330) ausgeführt, dass der Schadensersatzanspruch nach Wahl des Bestellers entweder nach dem mangelbedingten Minderwert des Werks oder nach den Kosten berechnet werde, die für eine ordnungsgemäße Mängelbeseitigung erforderlich seien. Letzteres gelte unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Besteller den Mangel tatsächlich beseitigen lasse. Der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung wegen Mängeln sei abweichend von § 249 Abs. 1 BGB nicht auf Naturalrestitution in Form der Mängelbeseitigung, sondern auf Zahlung eines Geldbetrags gerichtet. Das folge aus § 281 Abs. 4 BGB. Die Rechtslage unterscheide sich insofern nicht von derjenigen, die bis zum 31. Dezember 2001 gegolten habe. Bei der Schadensbemessung sei die berechtigte Erwartung des Bestellers zu berücksichtigen, den Schaden nach seiner Wahl nach den Kosten bemessen zu können, die eine Mängelbeseitigung erfordere, weil der Anspruch an die Stelle des geschuldeten Erfüllungsanspruchs trete.

[14] b) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien die fiktiven Mängelbeseitigungskosten einschließlich Regiekosten auf 100.844,26 € netto zu beziffern. Hinzu komme ein Anspruch auf Ersatz der gezahlten Privatgutachterkosten in Höhe von 2.394,69 € brutto.

[15] Da die Klägerin nicht (mehr) beabsichtige, Mängelbeseitigungsarbeiten vornehmen zu lassen, habe sie nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allerdings keinen Anspruch auf Ersatz der insoweit nicht angefallenen Umsatzsteuer (BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330).

[16] Danach sei die Höhe des Schadens gemäß § 287 ZPO auf insgesamt 103.238,95 € zu schätzen, so dass abzüglich eines Mitverschuldensanteils von 25 % wegen Planungsfehlern ein Zahlbetrag von 77.429,21 € verbleibe.

[17] c) Die Klägerin berufe sich demgegenüber ohne Erfolg auf einen Schaden in Höhe des erstinstanzlich zuerkannten Betrages. Sie habe sich, was sie in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht ausdrücklich erklärt habe, für eine Bemessung des Schadens nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten entschieden und könne daher die Umsatzsteuer nicht geltend machen. Dies könne sie nicht damit kompensieren, dass sie die Minderung des Verkehrswerts des Objekts als weitere Schadensposition anführe. Die Klägerin könne ihren Schadensersatzanspruch nach Wahl entweder nach dem mangelbedingten Minderwert des Werks oder nach den Kosten berechnen, die für eine Mängelbeseitigung erforderlich seien. Eine Kombination der Schadensberechnungsmethoden sei nicht möglich und berge die Gefahr der Überkompensation.

[18] 2. Die Klägerin habe ferner gegen den Beklagten zu 5 wegen mangelhafter Planung und Überwachung der Natursteinarbeiten einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 103.238,95 € gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB. Wegen der Höhe des Schadens werde auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

[19] II. Das hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

[20] 1. Klage gegen die Beklagte zu 1

[21] a) Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht und der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Senat steht rechtskräftig fest, dass die Klägerin gegen die Beklagte zu 1 dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes wegen der mangelhaften Natursteinarbeiten im Außenbereich des Einfamilienhauses in D. gemäß § 13 Nr. 7 Abs. 3 VOB/B (2002) hat. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung zur Höhe des Schadensersatzanspruchs kann das Berufungsurteil indes keinen Bestand haben.

[22] b) Ist ein Werk mangelhaft, kann der Besteller vom Unternehmer im VOB/B-Vertrag gemäß § 13 Abs. 7 Nr. 3 VOB/B und im Übrigen gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB Schadensersatz statt der Leistung verlangen.

[23] Wie der Schaden zu bemessen ist, ist indes weder in § 634 Nr. 4 BGB noch in §§ 280, 281 BGB geregelt. Aus § 281 Abs. 4 BGB ergibt sich lediglich, dass Naturalrestitution gemäß § 249 Abs. 1 BGB nicht in der Form möglich ist, dass der Mangel beseitigt wird (Nacherfüllung) (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330 Rn. 10). Dies gilt auch für den VOB/B-Vertrag.

[24] Der Besteller, der sich dafür entscheidet, das mangelhafte Werk zu behalten, und Schadensersatz statt der Leistung geltend macht (kleiner Schadensersatz), kann vielmehr Ersatz in Geld verlangen, soweit er durch den

Mangel einen Vermögensschaden erleidet. Lässt er den Mangel nicht im Wege der Selbstvornahme beseitigen, ist der bereits durch den Mangel des Werks selbst entstandene Vermögensschaden festzustellen und in Geld zu bemessen. Die Bemessung kann im Wege der Schadensschätzung gemäß § 287 ZPO erfolgen. Sie hat sich am Leistungsinteresse des Bestellers zu orientieren. Denn der Schadensersatzanspruch statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB tritt an die Stelle des Anspruchs auf Leistung und ersetzt diesen.

[25] Verfahrensrechtlich ist für die Schadensbemessung der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 6. November 1986 ­ VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 86 f., juris Rn. 9 und vom 23. Januar 1981 ­ V ZR 200/79, BGHZ 79, 249, 257 f., juris Rn. 27).

[26] c) Nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats stehen dem Besteller, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigen lässt, zwei Möglichkeiten zur Verfügung, seinen Vermögensschaden zu bemessen.

[27] aa) Der Besteller hat die Möglichkeit, den Schaden nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen in der Weise zu bemessen, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der durch das Werk geschaffenen oder bearbeiteten, im Eigentum des Bestellers stehenden Sache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt (vgl. BGH, Urteile vom 11. Oktober 2012 ­ VII ZR 179/11, BauR 2013, 81 Rn. 10 = NZBau 2013, 99 m.w.N.; vom 8. Januar 2004 ­ VII ZR 181/02, BauR 2004, 847, 850, juris Rn. 29 = NZBau 2004, 269 und vom 16. November 2007 - V ZR 45/07, NJW 2008, 436 Rn. 11 f. m.w.N.). Diese Art der Schadensbemessung ist ausschließlich auf Ausgleich des Wertunterschieds gerichtet.

[28] Hat der Besteller - wie hier im Laufe des Rechtsstreits - die durch das Werk geschaffene oder bearbeitete Sache veräußert, ohne dass eine Mängelbeseitigung vorgenommen wurde, kann er den Schaden nach dem konkreten Mindererlös wegen des Mangels der Sache bemessen. Der Mindererlös wird typischerweise anhand der Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der Sache ohne Mangel und dem gezahlten Kaufpreis ermittelt werden können. Da der Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache indiziert, entspricht der so ermittelte Mindererlös im Regelfall dem Minderwert der betroffenen Sache. Haben neben dem vom Unternehmer zu verantwortenden Mangel auch andere Mängel zu dem Mindererlös geführt, ist zu ermitteln, welcher Anteil des Mindererlöses auf den vom Unternehmer zu verantwortenden Mangel entfällt.

[29] Dem Besteller bleibt bei Veräußerung der Sache die Möglichkeit, den Schaden nach einem den konkreten Mindererlös übersteigenden Minderwert zu bemessen, wenn er nachweist, dass der erzielte Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache übersteigt. Denn der in Höhe des Minderwerts bestehende Schaden wird durch ein vom Besteller abgeschlossenes günstiges Geschäft grundsätzlich nicht gemindert. Nach den normativen von Treu und Glauben geprägten schadensrechtlichen Wertungen unter Berücksichtigung des in § 254 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Gedankens sollen dem Ersatzpflichtigen solche Vorteile grundsätzlich nicht zugutekommen, die sich der Ersatzberechtigte durch Abschluss eines - den Ersatzpflichtigen nicht berührenden - Vertrags mit einem Dritten erarbeitet hat (vgl. BGH, Urteile vom 14. Januar 2016 - VII ZR 271/14, BauR 2016, 852 Rn. 25 = NZBau 2016, 304 m.w.N.; ferner vom 19. September 1980 - V ZR 51/78, NJW 1981, 45, 46 f., juris Rn. 28). Wendet demgegenüber der Unternehmer ein, der Minderwert sei geringer, weil der erzielte Kaufpreis den tatsächlichen Wert der Sache unter

schreite, ist der infolge der Veräußerung entstandene (höhere) Mindererlös insoweit nicht als Schaden zu ersetzen, als dem Besteller ein Verstoß gegen die Obliegenheit zur Schadensminderung gemäß § 254 Abs. 2 BGB vorzuwerfen ist.

[30] bb) Der Senat hat dem Besteller bisher alternativ auch einen Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zugebilligt. Dabei handelte es sich nicht um die Zubilligung einer vereinfachten Form der Bemessung des mangelbedingten Wertunterschieds im Rahmen einer Vermögensbilanz (vgl. zu dieser Form der Bemessung BGH, Urteil vom 16. November 2007 ­ V ZR 45/07, NJW 2008, 436 Rn. 12). Vielmehr war der Besteller danach stets berechtigt, bis zur Grenze der Unverhältnismäßigkeit (§ 251 Abs. 2 Satz 1 BGB) Zahlung in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten zu verlangen, auch wenn diese den Minderwert im Vermögen des Bestellers überstiegen. Denn bereits der Mangel des Werks selbst sei - unabhängig von dessen Beseitigung - der Schaden, und zwar in Höhe dieser Kosten (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 28. Juni 2007 - VII ZR 8/06, BauR 2007, 1567, 1568, juris Rn. 12 f. = NZBau 2007, 580; vom 10. März 2005 ­ VII ZR 321/03, BauR 2005, 1014, juris Rn. 11 = NZBau 2005, 390; vom 10. April 2003 ­ VII ZR 251/02, BauR 2003, 1211, 1212, juris Rn. 13 = NZBau 2003, 375 und vom 6. November 1986 - VII ZR 97/85, BGHZ 99, 81, 84 f., juris Rn. 6).

[31] Hieran hält der Senat jedenfalls für ab dem 1. Januar 2002 geschlossene Werkverträge nicht mehr fest. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:

[32] (1) Der Besteller, der keine Aufwendungen zur Mängelbeseitigung tätigt, hat keinen Vermögensschaden in Form und Höhe dieser (nur fiktiven) Aufwendungen. Sein Vermögen ist im Vergleich zu einer mangelfreien Leistung des

Unternehmers nicht um einen Betrag in Höhe solcher (fiktiven) Aufwendungen vermindert. Erst wenn der Besteller den Mangel beseitigen lässt und die Kosten hierfür begleicht, entsteht ihm ein Vermögensschaden in Höhe der aufgewandten Kosten (Halfmeier, BauR 2013, 320, 322 f.).

[33] (2) Entgegen der bisherigen Auffassung kann die Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht damit begründet werden, dass der Mangel selbst der Vermögensschaden in Höhe dieser Kosten sei. Ein Mangel des Werks ist zunächst nur ein Leistungsdefizit, weil das Werk hinter der geschuldeten Leistung zurückbleibt (vgl. Knütel, BauR 2004, 591, 593). Auch wenn es gerechtfertigt ist, bereits dieses Leistungsdefizit mit der Folge der Störung des Äquivalenzverhältnisses als einen beim Besteller eingetretenen Vermögensschaden zu bewerten (vgl. dazu unten II. 1. c) cc)), ist damit gerade nicht geklärt, in welcher Höhe ein solcher Vermögensschaden besteht.

[34] Eine Schadensbemessung nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bildet das Leistungsdefizit im Werkvertragsrecht - insbesondere im Baurecht - auch bei wertender Betrachtung nicht zutreffend ab. Vielmehr führt sie häufig zu einer Überkompensation und damit einer nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen (vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 9 f.) nicht gerechtfertigten Bereicherung des Bestellers. Denn der (fiktive) Aufwand einer Mängelbeseitigung hängt von verschiedenen Umständen ab, zum Beispiel von der Art des Werks, dem Weg der Mängelbeseitigung, dem Erfordernis der Einbeziehung anderer Gewerke in die Mängelbeseitigung, und kann die vereinbarte Vergütung, mit der die Parteien das mangelfreie Werk bewertet haben, (nicht nur in Ausnahmefällen) deutlich übersteigen. Er ist daher nicht geeignet, ein beim Besteller ohne Mängelbeseitigung verbleibendes Leistungsdefizit und die hierdurch eingetretene Äquivalenzstörung der Höhe nach zu bestimmen.

[35] (3) Auf den Gesichtspunkt der Überkompensation hat der Senat bereits in den Entscheidungen vom 22. Juli 2010 (VII ZR 176/09, BGHZ 186, 330 Rn. 14 f.) und vom 11. März 2015 (VII ZR 270/14, BauR 2015, 1321 Rn. 5 = NZBau 2015, 419) hingewiesen und im Hinblick darauf eine Ersatzpflicht jedenfalls in Höhe der Umsatzsteuer verneint, wenn diese wegen nicht durchgeführter Mängelbeseitigung nicht anfällt. Auch die Entscheidungen des Senats zum Schaden in der Leistungskette (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 1. August 2013 ­ VII ZR 75/11, BGHZ 198, 150; Urteile vom 28. Juni 2007 - VII ZR 8/06, BauR 2007, 1567 = NZBau 2007, 580 und VII ZR 81/06, BGHZ 173, 83; vgl. ferner Urteil vom 10. Juli 2008 - VII ZR 16/07, BauR 2008, 1877 = NZBau 2009, 34) sind dadurch gekennzeichnet, dass sie eine Überkompensation durch Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten zu vermeiden suchen.

[36] In Fortführung dieser Rechtsprechung hält es der Senat für notwendig, den Umfang des Schadensersatzes statt der Leistung gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB noch stärker daran auszurichten, welche Dispositionen der Besteller tatsächlich zur Mängelbeseitigung trifft. Dies entspricht dem Regelungskonzept des § 634 BGB, der das Leistungsinteresse des Bestellers schützt und den Ausgleich bei Verletzung daran orientiert, ob eine Mängelbeseitigung durchgeführt wird. Ersatz fiktiver Kosten für nicht getroffene Dispositionen scheidet danach aus.

[37] (4) Diese Erwägungen gelten im VOB/B-Vertrag entsprechend. Auch nach dem Regelungskonzept des § 13 VOB/B ist ein Ersatz fiktiver Mängelbeseitigungskosten aus den genannten Gründen abzulehnen.

[38] cc) Dem Besteller bleibt jedoch eine im Einzelfall unter Umständen einfachere Möglichkeit, auch ohne eine Vermögensbilanz seinen Vermögensschaden darzutun und zu bemessen, wenn er den Mangel nicht beseitigen lässt.

Denn er kann sich auf die Betrachtung des mangelhaften Werks selbst im Vergleich zu dem geschuldeten (also mangelfreien) Werk beschränken und aus einer Störung des werkvertraglichen Äquivalenzverhältnisses einen Anspruch ableiten.

[39] (1) Die Feststellung eines hierin liegenden Vermögensschadens und seine Bemessung sind - wie im gesamten Schadensrecht (vgl. Lange/Schiemann, Schadensersatz, 3. Aufl., S. 38 f.) - aufgrund einer Wertung vorzunehmen. Diese hat sich am Leistungsinteresse des Bestellers zu orientieren (vgl. oben II. 1. b)).

[40] Aus § 634 BGB folgt, dass sich der Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses des Bestellers, der das mangelhafte Werk behalten will, daran orientiert, ob er die Mängel beseitigen lässt oder nicht. Sieht der Besteller von der Mängelbeseitigung ab, kann er nach § 634 Nr. 3, § 638 BGB als Ausgleich für das verletzte Leistungsinteresse die Vergütung mindern. Diese Wertungen sind bei der Bemessung des Schadens im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB zu berücksichtigen. Denn der Besteller soll diesbezüglich durch die Wahl des - im Hinblick auf das Verschuldenserfordernis strengeren Voraussetzungen unterliegenden - Schadensersatzanspruchs nicht schlechter gestellt werden als im Fall der Geltendmachung des Rechts zur Minderung gemäß § 634 Nr. 3, § 638 BGB.

[41] Der Schaden kann deshalb in Anlehnung an § 634 Nr. 3, § 638 BGB in der Weise bemessen werden, dass ausgehend von der für das Werk vereinbarten Vergütung der Minderwert des Werks wegen des (nicht beseitigten) Mangels geschätzt wird. Maßstab ist danach die durch den Mangel des Werks erfolgte Störung des Äquivalenzverhältnisses. Die von den Parteien durch den Werkvertrag zum Ausdruck gebrachte Bewertung des (mangelfreien) Werks in Höhe der Vergütung rechtfertigt es, bereits das Ausbleiben der vollständigen (mangelfreien) Gegenleistung mit der Folge der Störung des Äquivalenzverhältnisses - unabhängig von einer objektivierten Bewertung durch einen "Markt" - als einen beim Besteller eingetretenen Vermögensschaden anzusehen.

[42] Der mangelbedingte Minderwert des Werks ist danach ausgehend von der Vergütung als Maximalwert nach § 287 ZPO unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu schätzen. Im Rahmen dieser - sich an § 634 Nr. 3, § 638 BGB anlehnenden - Schadensbemessung können die fiktiven Mängelbeseitigungskosten nicht als Maßstab herangezogen werden. Soweit dem Urteil des Senats vom 24. Februar 1972 (VII ZR 177/70, BGHZ 58, 181) entnommen werden kann, dass die Berechnung einer Minderung regelmäßig durch den Abzug fiktiver Mängelbeseitigungskosten erfolgen könne, hält der Senat auch hieran aus den bereits oben unter II. 1. c) bb) ausgeführten Erwägungen nicht fest. Dagegen kommt beispielsweise eine Schadensbemessung anhand der Vergütungsanteile in Betracht, die auf die mangelhafte Leistung entfallen (vgl. z.B. BGH, Urteil vom 9. Januar 2003 - VII ZR 181/00, BGHZ 153, 279, 284, juris Rn. 21 für die Ausführung mit minderwertigem Material). Ergeben sich die Vergütungsanteile nicht aus dem Vertrag, sind sie zu schätzen (vgl. zum Reisevertragsrecht BGH, Urteil vom 21. November 2017 - X ZR 111/16 Rn. 10; zu optischen Fehlern z.B. OLG Düsseldorf, NJW-RR 1994, 341; zu möglichen Schätzmethoden ferner Messerschmidt/Voit/Moufang/Koos, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 638 BGB Rn. 24; Kapellmann/Messerschmidt/Langen, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 386; Genius in jurisPK-BGB, 8. Aufl., § 638 Rn. 18 a.E., 20; Staudinger/Peters/Jacoby, 2014, BGB, § 634 Rn. 113-115, jeweils m.w.N.).

[43] (2) Für den VOB/B-Vertrag ergeben sich insoweit keine Besonderheiten, die zu abweichenden Erwägungen führen. Der Umstand, dass die Minderung gemäß § 13 Abs. 6 VOB/B nur in den dort genannten Fällen möglich ist, hindert nicht die Geltendmachung eines an der Vergütung orientierten Minderwerts des Werks wegen des nicht beseitigten Mangels (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 - VII ZR 161/80, BauR 1982, 277, 279, juris Rn. 31 f.; vgl. auch Kapellmann/Messerschmidt/Langen, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 392 m.w.N.)

[44] dd) Diese unter aa) und cc) dargestellten Möglichkeiten stellen eine vollständige und damit ausreichende Kompensation des Vermögensschadens des Bestellers dar, der das Werk behält und den Mangel nicht beseitigt.

[45] Die Zuerkennung eines Anspruchs auf Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten ist auch nicht notwendig, um dem Besteller, der vom Unternehmer Schadensersatz fordert, die Dispositionsfreiheit zu belassen, den Mangel (noch) selbst auf Kosten des Unternehmers zu beseitigen. Entscheidet der Besteller sich dafür, kann er eine vollständige, ausreichende Kompensation seines Vermögensschadens wie folgt erlangen:

[46] (1) Lässt der Besteller die Mängelbeseitigung durchführen, sind die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten, die er bei verständiger Würdigung für erforderlich halten durfte, nicht nur gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu erstatten. Der Besteller kann in diesem Fall die von ihm aufgewandten Mängelbeseitigungskosten vielmehr auch als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB ersetzt verlangen (allgemeine Meinung, vgl. z.B. Messerschmidt/

Voit/Drossart, Privates Baurecht, 2. Aufl., § 634 BGB Rn. 87; für den VOB/B-Vertrag vgl. Kapellmann/Messerschmidt/Langen, VOB Teile A und B, 6. Aufl., § 13 VOB/B Rn. 412, jeweils m.w.N.). Denn ihm ist in Höhe der Aufwendungen

ein Vermögensschaden entstanden, den er ohne das mangelhafte Werk nicht gehabt hätte. Der Umstand, dass er die Aufwendungen freiwillig erbracht hat, steht dem nicht entgegen. Er durfte sich hierzu aufgrund des Verhaltens des Unternehmers, der die ihm vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit, sein mangelhaft abgeliefertes Werk nachzubessern (Nacherfüllung), nicht wahrgenommen hat, herausgefordert fühlen (Halfmeier, BauR 2013, 320, 323 f.). Auf den Ersatz eines geringeren Minderwerts muss er sich in diesem Fall, vorbehaltlich der Unverhältnismäßigkeit der Aufwendungen (vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 179/11, BauR 2013, 81 Rn. 11 = NZBau 2013, 99), nicht verweisen lassen.

[47] Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller zudem bereits Befreiung von den zur Mängelbeseitigung eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.

[48] (2) Darüber hinaus hat der Besteller, der Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes gemäß § 634 Nr. 4, §§ 280, 281 BGB verlangt hat, grundsätzlich weiterhin das Recht, Vorschuss gemäß § 634 Nr. 2, § 637 BGB zu fordern, wenn er den Mangel beseitigen will.

[49] § 281 Abs. 4 BGB steht dem nicht entgegen. Danach ist zwar der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, sobald der Besteller Schadensersatz statt der Leistung verlangt hat. Der Besteller kann mithin nicht mehr Nacherfüllung gemäß § 634 Nr. 1, § 635 BGB verlangen. Die Geltendmachung eines Vorschusses ist nach dem Wortlaut dieser Vorschrift jedoch nicht ausgeschlossen.

[50] Aus § 634 Nr. 2, § 637 BGB ergibt sich - anders als aus § 633 Abs. 3 BGB a.F. - nichts anderes. Danach entstehen das Selbstvornahmerecht und der Vorschussanspruch mit erfolglosem Ablauf der zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist, wenn nicht der Unternehmer die Nacherfüllung

zu Recht verweigert (§ 637 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB). Soweit aus § 637 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB abgeleitet wird, dass diese Rechte einen im Zeitpunkt ihrer Geltendmachung noch bestehenden Nacherfüllungsanspruch voraussetzen und deshalb das Verlangen von Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes mit der Folge des § 281 Abs. 4 BGB weiter dazu führt, dass auch das Selbstvornahmerecht und der Vorschussanspruch erlöschen (vgl. z.B. Kniffka/Krause-Allenstein, Bauvertragsrecht, 2. Aufl., § 637 Rn. 10; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 637 Rn. 1), folgt der Senat dem nicht. Aus der Begründung zu § 637 BGB ergibt sich ein solcher gesetzgeberischer Wille nicht (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 266).

[51] Demgegenüber ist es nach Sinn und Zweck des Gesetzes gerechtfertigt, dem Besteller den Vorschussanspruch auch dann noch zuzubilligen, wenn er bereits Schadensersatz statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes verlangt hat. Aus § 634 Nr. 2, § 637 BGB ergibt sich, dass der Schutz des Leistungsinteresses im Werkvertragsrecht einen Vorschussanspruch des Bestellers erfordert, um diesem Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung abzunehmen. Diese gesetzgeberische Wertung ist bei der Frage zu berücksichtigen, wie im Rahmen des Schadensersatzes ein möglichst umfassender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses des Bestellers erreicht werden kann, der den Mangel beseitigen will. Denn der Besteller soll durch die Wahl des Schadensersatzanspruchs nicht schlechter gestellt werden (vgl. dazu bereits II. 1. c) cc)). Lässt der Besteller die Mängel beseitigen, umfasst der Schadensersatzanspruch - wie ausgeführt - die Erstattung der mit Durchführung der Mängelbeseitigung angefallenen Kosten. Da dem Besteller nach der gesetzgeberischen Wertung auch die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Mängelbeseitigung abgenommen werden sollen, ist ein umfas-sender Ausgleich des verletzten Leistungsinteresses nur dann gewährleistet, wenn er - auch nach Wahl des kleinen Schadensersatzes - weiterhin Vorschuss verlangen kann, allerdings ohne die Möglichkeit, wieder auf den Nacherfüllungsanspruch zurückzukommen, § 281 Abs. 4 BGB.

[52] (3) Auch insoweit gilt für einen VOB/B-Vertrag nichts anderes.

[53] ee) Verfahrensrechtlich ist ein im Rahmen des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes erfolgender Wechsel der Schadensbemessung, der auf einer Änderung der Disposition des Bestellers zur Durchführung der Mängelbeseitigung beruht, gemäß § 264 Nr. 3 ZPO (gegebenenfalls in Verbindung mit § 264 Nr. 2 ZPO) nicht als Klageänderung anzusehen, sofern der Lebenssachverhalt im Übrigen unverändert ist. Das Gleiche gilt für den auf einer entsprechenden Änderung der Disposition beruhenden Wechsel vom Vorschussanspruch auf den Schadensersatzanspruch statt der Leistung in Form des kleinen Schadensersatzes und umgekehrt.

[54] Verlangt etwa ein Besteller, der zunächst von der Mängelbeseitigung abgesehen und seinen Schaden nach dem Minderwert der mangelhaften Sache bemessen hat, nach durchgeführter Mängelbeseitigung nunmehr Schadensersatz in Höhe der aufgewandten Mängelbeseitigungskosten, liegt eine später eingetretene Veränderung vor, die die Anwendung des § 264 Nr. 3 ZPO rechtfertigt. Nichts anderes gilt, wenn der Besteller in dieser Konstellation vor Durchführung der Mängelbeseitigung auf den Vorschussanspruch zurückkommt. Bereits die Entscheidung, nunmehr die Mängel beseitigen und Vorschuss verlangen zu wollen, wird von § 264 Nr. 3 ZPO erfasst. Der Umstand, dass der Vorschuss zweckgebunden ist und abgerechnet werden muss, während der Schadensersatzanspruch grundsätzlich auf endgültige Abwicklung des Schadens

gerichtet ist, stellt sich als bloße Beschränkung des Klageantrags im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO dar. Soweit sich aus den Entscheidungen des Senats vom 11. November 2004 (VII ZR 95/04, BauR 2005, 386, 387, juris Rn. 7 = NZBau 2005, 151) und vom 13. November 1997 (VII ZR 100/97, BauR 1998, 369, 370, juris Rn. 11) etwas anderes ergibt, wird hieran nicht festgehalten.

[55] Hieraus folgt, dass es einem Besteller, der auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung noch Schadensersatz in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten geltend gemacht hat, nicht nur möglich ist, eine andere Form der Schadensbemessung zu wählen, sondern gegebenenfalls auch auf den Vorschussanspruch zurückzukommen.

[56] 2. Klage gegen den Beklagten zu 5

[57] a) Aufgrund der wirksamen Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht und der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde durch den Senat steht weiter rechtskräftig fest, dass die Klägerin gegen den Beklagten zu 5 dem Grunde nach einen Schadensersatzanspruch neben der Leistung wegen mangelhafter Planung und Überwachung der Natursteinarbeiten im Außenbereich des Einfamilienhauses in D. gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB hat. Auch im Verhältnis zum Architekten kann das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung zur Höhe des Schadensersatzanspruchs indes keinen Bestand haben.

[58] b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs schuldet der Architekt dem Besteller gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB Schadensersatz wegen der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben. Bei dem gegen den Architekten gerichteten Schadensersatzanspruch wegen Mängeln des Bauwerks, die auf seine

Planungs- oder Überwachungsfehler zurückzuführen sind, handelt es sich der Sache nach um einen Schadensersatz neben der Leistung nach § 280 Abs. 1 BGB, denn die Mängel des Bauwerks können nicht durch Nacherfüllung der Architektenleistung noch beseitigt werden. Mit dem Schadensersatzanspruch neben der Leistung gemäß § 280 Abs. 1 BGB kann Schadensersatz für Schäden beansprucht werden, die an anderen Rechtsgütern des Bestellers oder an dessen Vermögen eintreten (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2017 ­ VII ZR 242/13, BauR 2017, 1061 Rn. 23 = NZBau 2017, 555 m.w.N.).

[59] Dieser Schadensersatzanspruch ist auf Zahlung eines Geldbetrags gerichtet. Hat der Architekt die von ihm geschuldeten Planungs- oder Überwachungsleistungen mangelhaft erbracht und hat der Besteller deswegen das bei einem Dritten in Auftrag gegebene Bauwerk nicht so erhalten wie als Ziel der vom Architekten geschuldeten Mitwirkung vereinbart, ist das hierdurch geschützte Interesse des Auftraggebers an einer entsprechenden Entstehung des Bauwerks verletzt. Der Schaden des Bestellers besteht darin, dass er im Ergebnis ein Bauwerk erhält, das hinter dem im Architektenvertrag als Ziel vereinbarten Bauwerk zurückbleibt. Für den sich daraus ergebenden Vermögensnachteil hat der Architekt Schadensersatz in Geld zu leisten. Nach § 249 Abs. 1 BGB muss der Architekt den Zustand herstellen, der bestehen würde, wenn er nicht mangelhaft geleistet hätte. Hätte der Architekt die von ihm geschuldeten Architektenleistungen mangelfrei erbracht, wäre es dem Auftraggeber möglich gewesen, das Bauwerk wie gewünscht, insbesondere ohne Mängel, durch den Bauunternehmer entstehen zu lassen. Der Architekt hat dem Besteller als Schadensersatz daher die Mittel zur Verfügung zu stellen, die dieser zur Kompensation des verletzten Interesses benötigt (vgl. BGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - VII ZR 242/13, aaO Rn. 24 m.w.N.).

[60] c) Auch im Verhältnis zum Architekten scheidet hinsichtlich der von ihm zu vertretenden Planungs- oder Überwachungsfehler, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, ein Zahlungsanspruch in Höhe der fiktiven Mängelbeseitigungskosten betreffend das Bauwerk aus.

[61] aa) Eine solche Bemessung lässt sich - ungeachtet der Ausführungen unter II. 1. - mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats, wonach ein Mangel selbst ein Vermögensschaden in Höhe der notwendigen Mängelbeseitigungskosten sei, ohnehin nicht begründen. Denn es geht im Verhältnis zum Architekten nicht um die Bemessung eines Mangelschadens, weil der Architekt nicht die Errichtung des Bauwerks selbst schuldet (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 1965 - GSZ 1/64, BGHZ 43, 227, 229 f., juris Rn. 10). Mängel des Architektenwerks sind nur die Defizite in Planung oder Überwachung.

[62] bb) Für die Frage, wie der durch die im Bauwerk verwirklichten Planungs- oder Überwachungsfehler (Mängel des Architektenwerks) verursachte Schaden vermögensmäßig zu bemessen ist, können die obigen Erwägungen betreffend das Verhältnis des Bestellers zum Bauunternehmer entsprechend herangezogen werden. Danach ist die Schadensbemessung auch im Verhältnis zum Architekten daran auszurichten, welche Dispositionen der Besteller zur Schadensbeseitigung trifft, und sie hat einen vollen Ausgleich bei Vermeidung einer Überkompensation zu erreichen.

[63] cc) Nach diesen Maßstäben gilt hinsichtlich dieser Schäden Folgendes:

[64] (1) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks nicht beseitigen, kann er seinen Schaden im Wege einer Vermögensbilanz nach dem Minderwert des Bauwerks im Vergleich zu dem hypothetischen Wert des Bauwerks bei mangelfreier Architektenleistung bemessen oder gegebenenfalls - bei Veräußerung des Objekts - nach dem konkreten Mindererlös (dazu II. 1. c) aa)).

[65] Hat der durch die mangelhafte Architektenleistung verursachte Mangel des Bauwerks - wie hier - zur Folge, dass eine Störung des Äquivalenzverhältnisses des Bauvertrags vorliegt, kann der Besteller stattdessen seinen Schaden auch in der Weise bemessen, dass er ausgehend von der mit dem Bauunternehmer vereinbarten Vergütung den mangelbedingten Minderwert des Werks des Bauunternehmers ermittelt (dazu II. 1. c) cc)). Denselben Vermögensschaden hat der Architekt, vermittelt durch den Mangel des Werks des Bauunternehmers, durch seine mangelhafte Architektenleistung verursacht und deshalb zu ersetzen.

[66] (2) Lässt der Besteller den Mangel des Bauwerks beseitigen, sind die von ihm aufgewandten Kosten als Schaden gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB zu ersetzen. Denn ihm ist in Höhe der Aufwendungen ein Vermögensschaden entstanden, den er ohne die mangelhafte Architektenleistung nicht gehabt hätte. Vor Begleichung der Kosten kann der Besteller zudem Befreiung von den eingegangenen Verbindlichkeiten verlangen.

[67] Hierin erschöpft sich der Vermögensschaden des Bestellers jedoch nicht. Er muss nunmehr auch Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung der Arbeiten am Bauwerk tragen, die ohne die mangelhafte Architektenleistung nicht entstanden wären. Nach § 634 Nr. 2, § 637 BGB werden dem Besteller im Verhältnis zu dem mangelhaft leistenden Bauunternehmer die Nachteile und Risiken einer Vorfinanzierung durch die Gewährung eines Vorschussanspruchs abgenommen. Diese für das Werkvertragsrecht getroffene Wertung des Gesetzgebers ist auch für Planungs- oder Überwachungsfehler des Architekten, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, zu berücksichtigen. Ein umfassender Ausgleich des verletzten Interesses des Bestellers im Rahmen des Schadensersatzanspruchs gemäß § 634 Nr. 4, § 280 BGB wegen Planungs- oder Über-wachungsfehlern, die sich im Bauwerk bereits verwirklicht haben, erfordert danach auch die Überwälzung der Vorfinanzierung auf den Architekten in Form der vorherigen Zahlung eines zweckgebundenen und abzurechnenden Betrags an den Besteller.

[68] (3) Architekt und Bauunternehmer haben insoweit gegenüber dem Besteller gemeinsam für die Mängel des Bauwerks und den hierdurch entstandenen Schaden (wegen §§ 254, 278 BGB gegebenenfalls in unterschiedlicher Höhe) einzustehen, wenn jeder von ihnen seine Pflichten mangelhaft erfüllt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 1965 ­ GSZ 1/64, BGHZ 43, 227, 230 f., juris Rn. 12).

[69] 3. a) Zum Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, §§ 280, 281 BGB aus Kaufverträgen wegen des Mangels einer Kaufsache nehmen der V. und VIII. Zivilsenat (seit der Einführung eines Nacherfüllungsanspruchs im Kaufrecht zum 1. Januar 2002) an, dass ein Käufer seinen zu ersetzenden Schaden im Rahmen des kleinen Schadensersatzes auf der Grundlage der Mängelbeseitigungskosten unabhängig von einer Beseitigung des Mangels berechnen kann. Hierzu haben sie sich auf die bisherige Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Bemessung des Schadens im Werkvertragsrecht nach fiktiven Mängelbeseitigungskosten bezogen (vgl. BGH, Urteile vom 15. Juni 2012 ­ V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 31; vom 4. April 2014 ­ V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 33; vom 11. Dezember 2015 ­ V ZR 26/15, BauR 2016, 1035 Rn. 21 und vom 29. April 2015 - VIII ZR 104/14, NJW 2015, 2244 Rn. 12).

[70] Das veranlasst nicht, beim V. und VIII. Zivilsenat anzufragen, ob sie auch unter Berücksichtigung der obigen Erwägungen an dieser Rechtsprechung festhalten möchten, und gegebenenfalls die Rechtsfrage dem Großen Senat für Zivilsachen vorzulegen, § 132 Abs. 2 GVG. Denn die Änderung der Rechtspre-chung des Senats beruht auf Besonderheiten des Werkvertragsrechts, die es auch dann rechtfertigen würden, die Bemessung des Schadensersatzes statt der Leistung im Werkvertragsrecht anders vorzunehmen, wenn für das Kaufrecht an der bisherigen Auffassung festzuhalten wäre.

[71] Einerseits sind die Gefahren einer erheblichen Überkompensation eines Schadens des Bestellers - wie die Erfahrungen in vielen Fällen zeigen - im Werkvertragsrecht deutlich größer als im Kaufrecht in Bezug auf den Schaden des Käufers. Das beruht vor allem darauf, dass es im Werkvertragsrecht regelmäßig schon faktisch nicht die Möglichkeit gibt, vergleichsweise kostengünstiger ein neues Werk herzustellen, als den Mangel am Werk zu beseitigen. Die Unverhältnismäßigkeit im Sinne von § 635 Abs. 3 BGB tritt zudem nur selten ein, weil sich ein Mangel des Werks üblicherweise an Sachen des Bestellers auswirkt und sich deshalb der (isolierte) Wert des mangelfreien Werks anders als im Kaufrecht (vgl. § 439 Abs. 4 Satz 2 BGB; BGH, Urteil vom 4. April 2014 ­ V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 Rn. 41 ff.) nicht einmal als Faustregel für einen Grenzwert der Unverhältnismäßigkeit eignet. Schließlich sind Werkverträge regelmäßig dadurch gekennzeichnet, dass ein individuell gewünschter Erfolg mit bestimmten vereinbarten Beschaffenheiten versprochen wird und zu erreichen ist; dabei muss nicht jedes Verfehlen dieses Ziels, also jeder Mangel im Sinne von § 633 BGB, ohne Weiteres im Markt überhaupt als vermögensrelevant angesehen werden. Das ist üblicherweise anders, wenn die Übereignung einer Sache im Mittelpunkt steht.

[72] Andererseits bedarf es im Werkvertragsrecht eines Anspruchs auf Erstattung fiktiver Mängelbeseitigungskosten auch nicht, um dem Besteller die Dispositionsfreiheit zu belassen, den Mangel (noch) selbst auf Kosten des Unternehmers zu beseitigen. Hier ist er ausreichend durch die Rechte der Vorschrift des § 637 BGB, die im Kaufrecht keine Entsprechung hat, vor allem auch durch den Vorschussanspruch des § 637 Abs. 3 BGB, geschützt (vgl. oben II. 1. c) dd)).

[73] b) Soweit gemäß § 249 Abs. 2 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch fiktive Kosten als Schadensersatz verlangt werden können, steht dies nicht in Widerspruch zur vorliegenden Entscheidung, bei der es nicht um die Beschädigung einer Sache geht.

[74] III. Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, soweit dort die Höhe des Schadens nach den fiktiven Mängelbeseitigungskosten bemessen worden ist. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, § 563 Abs. 3 ZPO. Die Klägerin wird zunächst Gelegenheit bekommen müssen, ihren Schaden nach den oben ausgeführten Grundsätzen darzulegen.



Vertragsrecht - Unternehmer-Darlehen: keine Bearbeitungsgebühr (BGH, 04.07.2017)

Bundesgerichtshof entscheidet über die Zulässigkeit formularmäßig vereinbarter Bearbeitungsentgelte bei Unternehmerdarlehen
 
[Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 104/2017 vom 04.07.2017]

Urteile vom 4. Juli 2017 in den Verfahren XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei Verfahren entschieden, dass die von den beklagten Banken vorformulierten Bestimmungen über ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt in Darlehensverträgen, die zwischen Kreditinstituten und Unternehmern geschlossen wurden, unwirksam sind.

Nachdem sich das Verfahren XI ZR 436/16 vor dem Termin durch Anerkenntnis der beklagten Bank erledigt hatte, war nur noch in den Verfahren XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16 zu entscheiden (vgl. zu den Einzelheiten der Verfahren die Pressemitteilung Nr. 61/2017). In diesen beiden Verfahren sind die Darlehensnehmer Unternehmer im Sinne des § 14 BGB*. Die mit den jeweiligen Banken geschlossenen Darlehensverträge enthalten Formularklauseln, wonach der Darlehensnehmer ein laufzeitunabhängiges "Bearbeitungsentgelt" bzw. eine "Bearbeitungsgebühr" zu entrichten hat. Gegenstand der Klagen ist die Rückzahlung dieses Entgelts, weil die angegriffenen Klauseln nach Ansicht der Kläger unwirksam sind. Während die Klage im Verfahren XI ZR 562/15 in den Vorinstanzen erfolgreich war, wurde die Klage in dem Verfahren XI ZR 233/16 von den Vorinstanzen abgewiesen.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass es sich bei den angegriffenen Klauseln um sogenannte Preisnebenabreden handelt, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB** unterliegen. Die Klauseln halten dieser Inhaltskontrolle nicht stand. Die Vereinbarung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsentgelte ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren, weshalb gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners anzunehmen ist. Auch bei den vorliegenden Unternehmerdarlehensverträgen gibt es keine Gründe, die diese gesetzliche Vermutung widerlegen würden. Insbesondere kann die Angemessenheit eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts nicht mit eventuell hieraus resultierenden steuerlichen Vorteilen auf der Seite eines unternehmerischen Kreditnehmers begründet werden.
Die streitigen Klauseln halten auch bei angemessener Berücksichtigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche nach § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB*** der Inhaltskontrolle nicht stand. Soweit die beklagten Banken die Vereinbarung laufzeitunabhängiger Bearbeitungsentgelte mit einem entsprechenden Handelsbrauch gerechtfertigt haben, stützt ihr Sachvortrag das Bestehen eines solchen Handelsbrauches nicht. Die Angemessenheit der Klauseln lässt sich auch nicht mit Besonderheiten des kaufmännischen Geschäftsverkehrs rechtfertigen. Soweit hierzu eine geringere Schutzbedürftigkeit und eine stärkere Verhandlungsmacht von Unternehmern im Vergleich zu Verbrauchern angeführt werden, wird übersehen, dass der Schutzzweck des § 307 BGB, die Inanspruchnahme einseitiger Gestaltungsmacht zu begrenzen, auch zugunsten eines - informierten und erfahrenen - Unternehmers gilt. Dass ein Unternehmer möglicherweise eine sich aus verschiedenen Entgeltkomponenten ergebende Gesamtbelastung besser abschätzen kann, belegt nicht die Angemessenheit der Klausel bei Verwendung gegenüber Unternehmern. Denn die Inhaltskontrolle soll allgemein vor Klauseln schützen, bei denen das auf einen gegenseitigen Interessenausgleich gerichtete dispositive Gesetzesrecht durch einseitige Gestaltungsmacht des Klauselverwenders außer Kraft gesetzt wird. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass Kreditinstitute gegenüber Unternehmern keine solche einseitige Gestaltungsmacht in Anspruch nehmen könnten. Auf ein gesteigertes wirtschaftliches Verständnis von Unternehmern kommt es bei den vorliegenden Klauseln nicht an, weil sie von einem Verbraucher ebenso wie von einem Unternehmer ohne Weiteres zu verstehen sind.
Im Hinblick auf die in beiden Verfahren erhobene Einrede der Verjährung gelten die Grundsätze, die der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu Verbraucherdarlehen aufgestellt hat (vgl. Senatsurteil vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, Pressemitteilung Nr. 153/14 vom 28. Oktober 2014), ebenso für Unternehmerdarlehen. Auch Unternehmern war mit Ablauf des Jahres 2011 die Erhebung einer auf die Rückforderung von Bearbeitungsentgelten gerichteten Klage zumutbar.
Hiervon ausgehend hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs das Urteil des Oberlandesgerichts Celle in dem Verfahren XI ZR 562/15 weitgehend bestätigt und nur in Bezug auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen zum Nachteil des Klägers abgeändert. In dem Verfahren XI ZR 233/16 ist das Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden, weil das Oberlandesgericht weitere Feststellungen treffen muss, damit über die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung und über die vom Kläger eingeklagten Zinsen abschließend entschieden werden kann.

Vorinstanzen:
XI ZR 562/15
LG Hannover - Urteil vom 4. Juni 2015 - 3 O 354/14
OLG Celle - Urteil vom 2. Dezember 2015 - 3 U 113/15
XI ZR 233/16
LG Hamburg - Urteil vom 1. Dezember 2015 - 328 O 474/14
Hanseatisches OLG in Hamburg - Urteil vom 27. April 2016 - 13 U 2/16
Karlsruhe, den 4. Juli 2017

*§ 14 BGB Unternehmer
(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.
(2) …
**§ 307 BGB Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.
***§ 310 BGB Anwendungsbereich
(1) § 305 Abs. 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 genannten Vertragsbestimmungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. …
(2) …

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Verkehrsrecht - Keine MPU bei Fahrt unter 1,6 Promille (BVerwG, 06.04.2017)

Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Trunkenheit im Verkehr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht, Pressemitteilung Nr. 23/2017 vom 06.04.2017, http://www.bverwg.de/presse/pressemitteilungen/pressemitteilung.php?jahr=2017&nr=23

Ist nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille im Strafverfahren die Fahrerlaubnis entzogen worden, darf die Verwaltungsbehörde ihre Neuerteilung nicht allein wegen dieser Trunkenheitsfahrt von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens abhängig machen. Anders liegt es, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme von künftigem Alkoholmissbrauch begründen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.

Im Verfahren BVerwG 3 C 24.15 hatte das Strafgericht die Klägerin wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr (BAK 1,28 Promille) nach § 316 StGB verurteilt und ihr nach § 69 StGB die Fahrerlaubnis entzogen, da sich aus der Tat ergebe, dass sie zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Als sie die Neuerteilung beantragte, erhielt sie von der Fahrerlaubnisbehörde gestützt auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d i.V.m. Buchst. a der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) die Aufforderung, ein medizinisch-psychologisches Fahreignungsgutachten vorzulegen. Im Verfahren BVerwG 3 C 13.16 hatte das Strafgericht dem Kläger die Fahrerlaubnis bei im Übrigen gleichem Sachverhalt wegen einer Trunkenheitsfahrt mit einer BAK von 1,13 Promille entzogen. In beiden Fällen ist die Klage auf Erteilung der Fahrerlaubnis ohne vorherige medizinisch-psychologische Untersuchung in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die vorinstanzlichen Urteile geändert und die Beklagten jeweils verpflichtet, den Klägern die beantragten Fahrerlaubnisse auch ohne die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage von Alkoholmissbrauch neu zu erteilen. Der Auffassung, dass die Fahrerlaubnis nach strafgerichtlicher Entziehung wegen einer Trunkenheitsfahrt nur nach Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens neu erteilt werden dürfe, ist es nicht gefolgt. Nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c FeV rechtfertigt eine einmalige Trunkenheitsfahrt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens. Die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt ist – wie die Bezugnahme in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV auf die unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe zeigt - kein eigenständiger, von der 1,6 Promille-Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens. Im Strafverfahren ist der Täter bei einer Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) „in der Regel“, also ohne das Hinzutreten weiterer belastender Tatsachen, als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen (§ 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB).
BVerwG 3 C 24.15 - Urteil vom 06. April 2017

Vorinstanzen:
VGH München 11 BV 14.2738 - Urteil vom 17. November 2015
VG Regensburg RO 8 K 14.1468 - Urteil vom 04. November 2014

BVerwG 3 C 13.16 - Urteil vom 06. April 2017

Vorinstanzen:
VGH München 11 BV 15.1589 - Urteil vom 08. März 2016
VG München M 6a K 15.1122 - Urteil vom 26. Juni 2015
§ 13 FeV (Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik)
Zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung oder Verlängerung der Fahrerlaubnis oder über die Anordnung von Beschränkungen oder Auflagen ordnet die Fahrerlaubnisbehörde an, dass
1. ein ärztliches Gutachten (§ 11 Absatz 2 Satz 3) beizubringen ist, wenn Tatsachen die Annahme von Alkoholabhängigkeit begründen, oder
2. ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn
a) nach dem ärztlichen Gutachten zwar keine Alkoholabhängigkeit, jedoch Anzeichen für Alkoholmissbrauch vorliegen oder sonst Tatsachen die Annahme von Alkoholmissbrauch begründen,
b) wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden,
c) ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde,
d) die Fahrerlaubnis aus einem der unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen war oder
e) sonst zu klären ist, ob Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit nicht mehr besteht.
Im Falle des Satzes 1 Nummer 2 Buchstabe b sind Zuwiderhandlungen, die ausschließlich gegen § 24c des Straßenverkehrsgesetzes begangen worden sind, nicht zu berücksichtigen.

Vertragsrecht - Bausparkasse darf Altvertrag kündigen (BGH, 21.02.2017)

Bundesgerichtshof bejaht Kündigungsrecht einer Bausparkasse zehn Jahre nach Zuteilungsreife
 
[Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 21/2017 vom 21.02.2017]

Urteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 185/16 und XI ZR 272/16

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass eine Bausparkasse Bausparverträge gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB* in der bis zum 10. Juni 2010 geltenden Fassung (im Folgenden a.F.) - jetzt § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB** - kündigen kann, wenn die Verträge seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreif sind, auch wenn diese noch nicht voll bespart sind.

In dem Verfahren XI ZR 185/16 (vgl. dazu die Pressemitteilung Nr. 240/2016) schloss die Klägerin am 13. September 1978 mit der beklagten Bausparkasse einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40.000 DM (= 20.451,68 €). Der Bausparvertrag war seit dem 1. April 1993 zuteilungsreif. Am 12. Januar 2015 erklärte die Beklagte die Kündigung des Bausparvertrages unter Berufung auf § 489 Abs. 1 BGB zum 24. Juli 2015. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte den Bausparvertrag nicht wirksam habe kündigen können, und begehrt in der Hauptsache die Feststellung, dass der Bausparvertrag nicht durch die erklärte Kündigung beendet worden ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht das Urteil abgeändert und der Klage mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen stattgegeben.

In dem Verfahren XI ZR 272/16 (vgl. Pressemitteilung Nr. 239/2016) schloss die Klägerin gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann, den sie als Alleinerbin beerbt hat, mit der beklagten Bausparkasse am 10. März 1999 einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 160.000 DM (= 81.806,70 €) und am 25. März 1999 einen weiteren Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40.000 DM (= 20.451,68 €). Mit Schreiben vom 12. Januar 2015 kündigte die Beklagte beide Bausparverträge mit Wirkung zum 24. Juli 2015, nachdem diese seit mehr als zehn Jahren zuteilungsreife waren. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die erklärten Kündigungen unwirksam seien, weil der Beklagten kein Kündigungsrecht zustehe. Sie begehrt in der Hauptsache die Feststellung, dass die Bausparverträge nicht durch die Kündigung beendet worden sind. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht das Urteil abgeändert und der Klage mit Ausnahme eines Teils der Nebenforderungen stattgegeben.
Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in beiden Verfahren auf die jeweils vom Berufungsgericht zugelassenen Revisionen der Beklagten die Urteile des Berufungsgerichts aufgehoben, soweit zum Nachteil der beklagten Bausparkassen entschieden worden ist, und die erstinstanzlichen Urteile wiederhergestellt.

Damit hatten die Klagen keinen Erfolg.

Auf die Bausparverträge ist Darlehensrecht anzuwenden, denn während der Ansparphase eines Bausparvertrages ist die Bausparkasse Darlehensnehmerin und der Bausparer Darlehensgeber. Erst mit der Inanspruchnahme eines Bauspardarlehens kommt es zu einem Rollenwechsel.

Der XI. Zivilsenat hat in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der Instanzrechtsprechung und Literatur entschieden, dass die Kündigungsvorschrift des § 489 Abs. 1 Nr. 3 BGB a.F. auch zugunsten einer Bausparkasse als Darlehensnehmerin anwendbar ist. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern auch aus der Entstehungsgeschichte und dem Regelungszweck der Norm, wonach jeder Darlehensnehmer nach Ablauf von zehn Jahren nach Empfang des Darlehens die Möglichkeit haben soll, sich durch Kündigung vom Vertrag zu lösen.

Ebenfalls in Übereinstimmung mit der herrschenden Ansicht in der Instanzrechtsprechung und Literatur hat der XI. Zivilsenat entschieden, dass die Voraussetzungen des Kündigungsrechts vorliegen. Denn mit dem Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife hat die Bausparkasse unter Berücksichtigung des Zwecks des Bausparvertrages das Darlehen des Bausparers vollständig empfangen. Der Vertragszweck besteht für den Bausparer darin, durch die Erbringung von Ansparleistungen einen Anspruch auf Gewährung eines Bauspardarlehens zu erlangen. Aufgrund dessen hat er das damit korrespondierende Zweckdarlehen mit Eintritt der erstmaligen Zuteilungsreife vollständig gewährt. Dies gilt ungeachtet des Umstandes, dass der Bausparer verpflichtet sein kann, über den Zeitpunkt der erstmaligen Zuteilungsreife hinaus weitere Ansparleistungen zu erbringen, weil diese Zahlungen nicht mehr der Erfüllung des Vertragszwecks dienen.
Danach sind Bausparverträge im Regelfall zehn Jahre nach Zuteilungsreife kündbar. Aus diesem Grunde sind hier die von der beklagten Bausparkasse jeweils mehr als zehn Jahre nach erstmaliger Zuteilungsreife erklärten Kündigungen der Bausparverträge wirksam.

Vorinstanzen:
LG Stuttgart, Urteile vom 15. September 2015 - 25 O 89/15 und vom 19. November 2015 – 6 O 76/15
OLG Stuttgart, Urteile vom 30. März 2016 – 9 U 171/15 und vom 4. Mai 2016 – 9 U 230/15
Karlsruhe, den 21. Februar 2017

* § 489 Abs. 1 BGB in der Fassung bis zum 10. Juni 2010
Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag, bei dem für einen bestimmten Zeitraum ein fester Zinssatz vereinbart ist, ganz oder teilweise kündigen,
1.…
2.…;
3.in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Zinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts der Auszahlung.

** § 489 Abs. 1 BGB in der seit dem 11. Juni 2010 geltenden Fassung
Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers
(1) Der Darlehensnehmer kann einen Darlehensvertrag mit gebundenem Sollzinssatz ganz oder teilweise kündigen,
1.…
2.in jedem Fall nach Ablauf von zehn Jahren nach dem vollständigen Empfang unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von sechs Monaten; wird nach dem Empfang des Darlehens eine neue Vereinbarung über die Zeit der Rückzahlung oder den Sollzinssatz getroffen, so tritt der Zeitpunkt dieser Vereinbarung an die Stelle des Zeitpunkts des Empfangs.

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

 

Verkehrsrecht - Wildunfall mit Leihwagen: Schadensersatz (LG Freiburg, 31.01.2017)

Klage der Kanzlei im Rebland vor dem Landgericht Freiburg erfolgreich

Motorschaden am Mietwagen aufgrund Weiterfahrt trotz vorangegangenem Wildunfall - Entleiher muss Schadensersatz leisten 

Entsteht an einem Mietwagen ein Motorschaden, weil der Mieter nach der Kollision mit einem größeren Wildtier die Fahrt fortsetzt, obwohl der Motor aufgrund des Wildunfalls Kühlwasser verliert, so handelt der Mieter fahrlässig und macht sich schadensersatzpflichtig. Das hat das Landgericht Freiburg mit Urteil vom 31.01.2017 (5 O 197/16, noch nicht rechtskräftig) klargestellt und der Klage der Kanzlei im Rebland weit überwiegend stattgegeben:


Aktenzeichen:
5 O 197/16
 
Landgericht Freiburg im
Breisgau
 
Im Namen des Volkes
 
U r t e i l
 
In dem Rechtsstreit
 
---, Inh. ---, ---, 79418 Schliengen
- Klägerin-
 
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 149/16
 
gegen
 
---, ---, 79415 Bad Bellingen
- Beklagte -
 
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt ---, ---, 79539 Lörrach
 
wegen Schadensersatzes
 
hat das Landgericht Freiburg im Breisgau - 5. Zivilkammer - durch den Richter Dr. --- als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 25.10.2016 für Recht erkannt:
 
1.         Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.706,01 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.07.2016 zu zahlen.
 
2.         Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 14% und die Beklagte 86% zu tragen.
 
3          Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, soweit die Beklagte den Anspruch über die von ihr anerkannten 450,00 € hinaus nicht anerkannt hat jedoch für den Kläger nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags. (…).
 
B e s c h l u s s
 
Der Streitwert wird auf 5.006,79 € festgesetzt.
 
Tatbestand
 
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Zahlung von Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeug sowie den Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten.
 
Die Beklagte brachte im Januar 2016 ihr Fahrzeug zur Durchführung einer Reparatur in die Werkstatt des Klägers. Der Kläger stellte der Beklagten das streitbefangene Fahrzeug für die Dauer der Reparatur zur Verfügung. Hinsichtlich der Vertragsmodalitäten, weiche dieser Überlassung zugrunde liegen, besteht im Einzelnen Streit.
 
Die Beklagte unternahm am 22.01.2016 mit dem Fahrzeug eine Ausflugstour in den Hochschwarzwald. Hierbei kam es mit dem Wagen in der Gemarkung Löffingen zwischen Reiselfingen und Friedenweiler zu einem Wildunfall, bei welchem unter anderem das Nummernschild verloren ging sowie der Kühler und Kondensator des Fahrzeugs beschädigt wurden.
 
Die Beklagte setzte ihre Fahrt mit dem Fahrzeug fort, ohne einen Pannendienst, den Kläger oder sonst einen Dritten mit ihrem in diesem Zeitpunkt noch funktionstüchtigen Mobiltelefon zu verständigen. Namentlich die Polizei wurde zunächst nicht über den Unfall informiert.
 
An der Autobahnausfahrt Neuenburg, ca. 80 km vom Unfallort entfernt, blieb die Beklagte mit einem Motorschaden liegen.
 
Dieser Motorschaden ist unstreitig auf das Fahren des Wagens trotz beschädigtem Kühler zurückzuführen. Aufgrund des Wildunfalls verlor dieser Kühlwasser, so dass der Motor überhitzte.
 
Ein Mitarbeiter des Klägers fuhr zufällig an der Steile vorbei, an der die Beklagte liegen blieb. Der Mitarbeiter rief den Kläger an. Dieser kam mit einem Abschleppwagen und schleppte das streitbefangene Fahrzeug ab.
Die Polizei steilte dem Kläger eine Wildunfallbescheinigung aus, wofür dieser 25,00 zahlen musste.
 
Die Schäden aufgrund des Wildunfalls wurden weitestgehend von der Versicherung des Klägers abzüglich einer Selbstbeteiligung von 500,00 € übernommen.
 
Hinsichtlich der Motorschäden, die aufgrund der Fortsetzung der Fahrt trotz beschädigtem Kühler resultierten, erfolgte keine Zahlung seitens der Versicherung. Der Kläger reparierte den Motorschaden selbst.
Die Kosten dieser Reparatur, die 500,00 € Selbstbestbeteiligung, welche die Versicherung hinsichtlich des Wildunfalls in Abzug brachte, die 25,00 €, welche die Polizei für die WiIdunfaIIbescheinigung forderte sowie vorgerichtliche Anwaltskosten sind Gegenstand der Klageforderung.
 
Der Kläger bestreitet mit Nichtwissen, dass die Beklagte den Wildunfall nicht verschuldet habe. Er behauptet, dass die Beklagte den Motorschaden zu schuldhaft herbeigeführt habe. Ihr sei es erkennbar gewesen, dass das streitbefangene Fahrzeug nach dem Wildunfall fahruntauglich war. Indem sie dennoch ihre Fahrt fortsetzte, habe sie den Motorschaden fahrlässig verursacht. Die Reparatur des Motorschadens habe ihn 4.481,79€ gekostet.
 
Der Kläger beantragt,
 
1. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 4.481,79 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2016 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 525,00 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2016 zu zahlen,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 480,20 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.07.2016 zu zahlen.
 
Mit Schriftsatz vom 29.07.2016 hat die Beklagte den Klageantrag zu Ziffer 1 in Höhe von 300 €, den Klageantrag zu Ziffer 2 in Höhe von 150,00 € anerkannt und beantragt im Übrigen
 
die Klage abzuweisen.          
 
Die Beklagte behauptet, sie habe weder den Wildunfall noch den Motorschaden zu verschulden. Es sei für sie nicht erkennbar gewesen, dass das Fahrzeug aufgrund des Wildunfalls fahruntauglich war. Der Schaden des Klägers hinsichtlich des defekten Motors belaufe sich auf 2.636,34 €, da der Kläger aufgrund seiner Vorsteuerabzugsberechtigung die Mehrwertsteuer verlangen könne und ein unternehmerischer Gewinnzuschlag von 30% den Kosten abgezogen werden müsse. Der Kläger habe außerdem seine Schadensminderungspflicht verletzt, da die Beklagte den Motorschaden nicht grob fahrlässig verursacht habe und der Kläger deshalb den Schaden gegenüber seiner Vollkaskoversicherung geltend machen könne.
 
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
 
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
 
I.          Die zulässige Klage ist über den anerkannten Teil in Höhe von insgesamt 450,00 € hinaus nur teilweise begründet.
 
1.         Zunächst ist der Klageantrag zu Ziffer 1 nur teilweise begründet, was seinen Grund darin hat, dass die Mehrwertsteuer, deren Zahlung der Kläger begehrt, nicht ersatzfähig ist. Der Kläger hat über das insoweit erklärte Teilanerkenntnis (300,00 €) hinaus gegen die Beklagte gemäß §§ 280 Abs. 1, 249 BGB einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v: 3.466,21 € für den zerstörten Motor.
 
a)         Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Vertrag über die Benutzung des Fahrzeugs geschlossen worden.
 
Hierbei ist unerheblich, ob es sich bei dem vereinbarten Gebrauchsüberlassungsvertrag um einen Mietvertrag gemäß §§ 535 ff. BGB oder um einen Leihvertrag gemäß § 98 ff. BGB handelt. In beiden Fällen besteht die Pflicht, die Sache in einem Zustand zurückzugeben, der ihrem vertragsgemäßen Gebrauch entspricht.
 
b)         Die Beklagte hat die ihr obliegende Pflicht verletzt, die Sache in dem Zustand zurückzugeben, der ihrem vertragsgemäßen Gebrauch entspricht.
 
Die Beklagte fuhr mit dem Fahrzeug, obwohl dieses bei einem Unfall der Beklagten mit einem großen Wildtier beschädigt wurde und aufgrund der Kollision Kühlwasser verlor. Hierdurch kam es zu einem kapitalen Motorschaden am Fahrzeug. Die Beklagte hat das Fahrzeug somit in stark beschädigtem Zustand zurückgegeben. Hierin liegt eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Rückgabe der Sache.
 
c)         Die Beklagte hat diese Pflichtverletzung zu vertreten.
Hinsichtlich der Herbeiführung des Motorschadens handelte die Beklagte gemäß § 276 Abs. 1 S. 1 BGB zumindest fahrlässig.
 
Nach der Kollision mit einem größeren Wildtier setzte sie ihre Fahrt fort, obwohl d Motor aufgrund des Unfalls Kühlwasser verlor. Aufgrund der offensichtlichen Beschädigungen der Front hätte Sie eine nahegelegene Ortschaft aufsuchen müssen, um den Wagen auf seine Fahrtüchtigkeit untersuchen zu lassen. Die nächsten Ortschaften lagen nur wenige Kilometer entfernt. Von dort hätte die Beklagte mit ihrem Mobiltelefon oder einem Telefon eines Dritten, z.B. einer Tankstelle, Gaststätte oder einem Anwohner der Ortschaft, den Pannendienst oder einen mutmaßlich hilfsbereiten anderen Dritten (abgeschleppt wurde das Fahrzeug im Ergebnis durch den Kläger, verständigt hat die Beklagte außerdem ihren Mann - allerdings erst nach Eintritt des Motorschadens) verständigen können.
 
Dies hat die Beklagte unterlassen. Stattdéssen setzte sie trotz sichtlicher Beschädigungen des Fahrzeugs ihre Heimfahrt auf der Bundesstraße und – sogar – Autobahn fort. Hierdurch ließ sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht. Aufgrund der sichtbaren Beschädigungen der Front war für sie erkennbar, dass das Fahrzeug möglicherweise fahruntauglich ist. Dies ergibt sich eindrucksvoll anhand der vorgelegten Lichtbilder;    und zwar ganz unabhängig von der Frage, ob Fahrzeugteile auf dem Boden schleiften oder nicht. Die Beklagte hätte den Motorschaden vermeiden können, wenn Sie die Fahrtauglichkeit des Fahrzeugs von einem Mechaniker hätte überprüfen lassen.    
 
Ob die Motorwarnleuchte bereits unmittelbar nach der Kollision mit dem Wildtier und somit während der Weiterfahrt aufleuchtete oder erst unmittelbar bevor das Fahrzeug stehen blieb, ist dabei unerheblich. Aufgrund der offensichtlichen Beschädigungen des Fahrzeugs hätte sich die Beklagte durch den Sachverstand eines Dritten über etwaige Schäden am Motor versichern müssen.
 
d)         Dem Kläger ist durch die Zerstörung des Motors ein Schaden von insgesamt 3.766,21 € entstanden. In Höhe von 300,00 € ist der Anspruch bereits anerkannt worden.
 
aa)       Der Kläger stützt die Höhe seines Schadens auf eine an die Beklagte adressierte Rechnung i.H.v. 4.481,79 €.
 
bb)       Diesem Betrag muss kein unternehmerischer Gewinnzuschlag abgezogen werden. EntschIießt sich der Geschädigte, der eine eigene Werkstatt unterhält, zur Eigenreparatur in dieser Werkstatt, so findet keine Kürzung des Schadensersatzanspruchs um den geschätzten Gewinnanteil statt, wenn er in der für die Reparatur aufgewandten Zeit einen anderen Auftrag hätte erledigen können. (Oetker in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Auflage 2016, § 249, Rdnr. 392; BGH NJW 2014, 1376). Ausweislich der Auftragsliste des Klägers (Anlage K 13) war der Betrieb des Klägers zum Zeitpunkt der Reparatur des streitbefangenen Fahrzeugs ausgelastet. Er hätte daher in der Zeit der Reparatur einen anderen Auftrag erledigen können.
 
cc)       In dieser Rechnung ist die Mehrwertsteuer für die Arbeitsleistung und die für die Reparatur erforderlichen Ersatzteile in Höhe von je 19 % enthalten (715,58 €). Die Mehrwertsteuer kann der Kläger indes nicht verlangen.
 
(a)       Dem Kläger ist hinsichtlich seiner Arbeitsleistung keine Mehrwertsteuer angefallen. Er nahm die Reparatur des streitbefangenen Fahrzeug im eigenen Interesse und nicht auf fremde Rechnung vor. Bei einer Eigenreparatur kann der Geschädigte die Mehrwertsteuer wegen § 249 Abs. 2 S. 2 BGB nicht verlangen.
 
(b)       Der Kläger muss sich außerdem auf den Schaden den Vorteil anrechnen lassen, der sich aus der Möglichkeit des Vorsteuerabzuges nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG ergibt. E ist berechtigt, die ihm in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer für die Ersatzteile von seiner eigenen Umsatzsteuerschuld abzusetzen und damit seine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Finanzamt um diesen Betrag zu verringern. Dem Kläger ist zuzumuten, dass er von dieser Befugnis Gebrauch macht. Dieser Vorteil ist eine adäquate Folge des UnfaIls. Er muss deshalb nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung bei der Berechnung des Schadens berücksichtigt werden. Würde man dem Kläger einen Anspruch auf Ersatz der Mehrwertsteuer gegen die Beklagten zubilligen, so wäre er insoweit ungerechtfertigt begünstigt, denn er erhielte die Mehrwertsteuer praktisch zweimal erstattet, einmal vom Schädiger und dann nochmals vom Finanzamt. Der Geschädigte soll aber durch die Ersatzleistung des Schädigers keine Bereicherung, sondern nur Ersatz des tatsächlichen Schadens erhalten. Eine andere Lösung wäre mit dem Sinn und dem Zweck des Schadensersatzrechts nicht zu vereinbaren (vgl. nur BGH, NJW 1972, 1460).
 
dd)       Der Kläger hat seine Schadensminderungspflicht nicht verletzt, indem er es unterlassen hat, die Kosten für die Motorreparatur gegenüber seiner Vollkaskoversicherung geltend zu machen. Der vorliegende Motorschaden ist von der Versicherung nicht abgedeckt.
 
Ausweislich der Regelung in §4 e.) der, Rubrik B 1. der allgemeinen Versicherungsbedingungen zum Versicherungsschein Nr. S 55/16 040 397 ist ersichtlich, dass solche Schäden nicht versichert sind, die aus einem Betriebsvorgang resultieren. Hierzu zählen z. B. Bedienungsfehler des Fahrzeugs. Der Motorschaden ist auf den Betrieb des Fahrzeug trotz beschädigtem Kühler und somit auf einen Betriebsvorgang ohne Einwirkung von außen zurückzuführen; dies nicht zuletzt deshalb, weil die Weiterfahrt auf einem neu gebildeten Willen der Beklagten beruhte, nachdem ihre Fahrt durch den Wildunfall unterbrochen worden war. Lediglich zur Verdeutlichung ist am Rande auf die ständige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Tatmehrheit im Rahmen von §§ 145, 316 StGB hinzuweisen, die allerdings ihrem ganz eigenen Kontext und vollständig anderen Vorzeichen entstammt - indes: ein Unfall hat Zäsurwirkung.
 
Überdies ist, worauf es nicht mehr entscheidungserheblich ankommt, jedenfalls das Auffahren auf die Autobahn A5 als grob fahrlässig zu werten. Spätestens in der Großstadt Freiburg hätte sich die Beklagte rückversichern müssen, dass eine Weiterfahrt nicht weitere Schäden am verunfallten Fahrzeug verursache. Die erforderliche Sorgfalt ist durch die unbeirrte Weiterfahrt durch Freiburg mit anschließender Auffahrt auf die Autobahn A5 in besonders hohem Maße missachtet worden.
 
2.         Der Beklagte schuldet auch über das Teilanerkenntnis hinaus Schadensersatz in Höhe von 375,00 € gem. §§ 280 Abs. 1, 249 BGB hinsichtlich der Kosten, die dem Kläger aufgrund des Wildunfalls entstanden sind.
 
a)         Aufgrund der Überlassung des Fahrzeugs ist zwischen dem Kläger und der Beklagen ein Vertrag zustande gekommen. Das Fahrzeug wurde durch den Wildunfall beschädigt, so dass die Beklagte ihrer Pflicht nicht nachkommen konnte, das Fahrzeug in vertragsgemäßem Zustand zurückzugeben.
 
b)         Die Beklagte kann nicht beweisen, dass Sie die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
 
Die Entlastung, die Pflichtverletzung nicht in Form von Vorsatz oder Fahrlässigkeit u vertreten zu haben, obliegt gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB dem Schuldner (Ernst in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, § 280, Rdnr. 34). Die Beklagte hat keine Unistände bewiesen, aus denen sich ergibt, dass sie die Kollision mit dem Wildtier nicht zu vertreten hat. Bereits der Vortrag bleibt, worauf es in diesem Zusammenhang allerdings nicht mehr ankommt, bereits äußerst pauschal.
 
c)         Dem Kläger ist durch den Unfall mit dem Wildtier ein Schaden in Höhe von 375,00 € entstanden
 
aa)       Dieser setzt sich aus dem Selbstbeteiligungsbeitrag des Klägers in Höhe von 500,00 € und dem 25,00 € zusammen, die der Kläger für die Wildunfallbescheinigung zahle musste, abzüglich der 150,00€, welche die Beklagte anerkannt hat.
 
bb)       Die Beklagte kann sich nicht auf eine Haftungsbeschränkung in Hohe des Selbstbehalts ihrer eigenen Teil- bzw. Vollkaskoversicherung berufen.
 
Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des OLG Karlsruhe (Urteil v. 11 .0.2000, 10 U 250199, juris) betrifft eine andere Fallkonstellation.
 
Das Gericht nahm hierbei eine konkludente Haftungsbeschränkung für den Fall an, dass das dem Entleiher zur Verfügung gestellte Fahrzeug nicht vollkaskoversichert ist, obwohl für den Verleiher erkennbar ist, dass dieser auf einen solchen Versicherungsschutz Wert legt.
Vorliegend war das zur Verfügung gestellte Fahrzeug jedoch voIlkaskoversichert. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar. Der Einwand der Beklagten mit Schriftsatz vom 29.07.2016 verfängt somit nicht.
 
3.         Der Klageantrag zu Ziffer 3 für die außergerichtIichen Anwaltskosten besteht lediglich in Höhe von 413,90 €.
 
Der Gegenstandswert für die vorgerichtliche Tätigkeit richtet sich nach der Höhe des Schadens, wie er dem geschädigten Kläger entstanden ist Die Rechtsanwaltskosten waren in der tenorierten Höhe auch erforderlich, um die berechtigten Ansprüche des Klägers zu verfolgen.
 
4.         Nach den vorstehenden Ausführungen ergibt sich überblicksartig die folgende Aufstellung:
 
Zuzuerkennen sind 3.466,21 € (Motorschaden) zuzüglich des insoweit anerkannter Teils in Höhe von 300,00 € zuzüglich 375,90 € (Wildschaden) zuzüglich insoweit anerkannter 150,00 € zuzüglich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,90 € (netto).
Abzuweisen ist die Klage hingegen im Mehrwertsteueranteil des Klageantrags zu Ziffer 1 in Höhe von 715,58€.
 
5.         Der Zinsausspruch folgt jeweils aus §§ 288, 291 BGB.
 
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus §,92 Abs. 1 ZPO. Das Teilanerkenntnis der Beklagten hat auf die Kostenentscheidung keine Auswirkung. Die besonderen Voraussetzungen des § 93 ZPO haben nicht vorgelegen. Die Beklagte gab Anlass zur Klageerhebung. Ein Anlass zur Klageerhebung liegt vor, wenn sich der Beklagte vor Prozessbeginn so verhält, dass der Kläger bei vernünftiger Würdigung davon ausgehen musste, er werde anders als durch Klage nicht zu seinem Recht kommen. (BGH, NJW-RR 2005, 1005 (100)). Der Kläger durfte vorliegend davon ausgehen, er werde anders als durch Klage seine Ansprüche nicht durchsetzen können. Mit Schriftsatz vom 02.06.2016 (Anlage K 11) bot die Beklagte zwar an, einen Betrag in Höhe von 300,00 € zu bezahlen. Eine Rechtspflicht zur Zahlung und somit ein Anspruch des Klägers wurden jedoch bestritten.
 
Bei der Bildung der Kostenquote hatten die Anwaltskosten unberücksichtigt zu bleiben.
 
III.        Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr.1, Nr. t 709, 711 ZPO.
 
 
Dr. ---
Richter
 
 
Verkündet am 31.01.2016
---, JAng'e
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Mietrecht - Schadensersatz bei Verwendung greller Farben (AG Lörrach, 21.10.2016)

Erfolg für Mandanten der Kanzlei im Rebland - Kaution muss nicht zurück bezahlt werden

Mieter müssen bunte Wände bei Auszug hell streichen. Dies stellte der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 2013 klar (Urteil vom 06.11.2013, VIII ZR 416/12). Dem folgte nun sinngemäß auch das Amtsgericht Lörrach (Urteil vom 21.10.2016, 2 C 831/15). Es gab den Vermietern und Mandanten der Kanzlei im Rebland Recht und wies die Klage der Mieter auf Rückzahlung der Kaution ab. Hier die interessante Entscheidung im Volltext:



Aktenzeichen:        
2 C 831/15   
 
 
Amtsgericht Lörrach
 
Im Namen des Volkes
 
U  r  t  e  i  l
 
In dem Rechtsstreit
 
1) ---, ---,  79429 Malsburg-Marzell
- Klägerin -
 
2) ---, ---, 79429 Malsburg-Marzell 
-Kläger -       
 
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte ---, ---, 79650 Schopfheim,
 
gegen
---, ---, 79418 Schliengen
- Beklagter -
 
ProzessbevoIImächtigter:
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 186/15
 
wegen Forderung
 
hat das Amtsgericht Lörrach durch den Richter --- am 21.10.2016 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 26.09.2016 für Recht erkannt:
 
1.         Die Klage wird abgewiesen.
 
2.         Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits.
 
3.         Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
 
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 1.068,13 € festgesetzt.
 
T a t b e s t a n d
 
Die Parteien streiten über die Abwicklung eines Mietverhältnisses.
Die Kläger mieteten ab dem 1.7.2012 von dem Beklagten eine Wohnung im Anwesen im --- in ---. Zu Beginn des Mietverhältnisses entrichteten die Kläger eine Mietkaution von 1.360 €.
 
Das Mietverhältnis endete zum 31.5.2014. Einen gemeinsamen Übergabetermin gab es nicht. Zu diesem Zeitpunkt belief sich die Mietkaution verzinst auf einen Betrag von 1.368,13 €. Der Beklagte behielt von der Mietkaution einen Betrag von 400 € als Sicherheit für die noch ausstehende Betriebskostenabrechnung und etwaige sich daraus ergebende Nachzahlungen ein.
 
Mit Schreiben vom 21.5.2014 forderte der Beklagte die Kläger zur Beseitigung von Schäden in der Wohnung bis zum 31.5.2014 und erklärte, dass er die Mietkaution insgesamt einbehalten werde, bis die Schäden behoben sind. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf Anlage BI (As. 85) Bezug genommen. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 23.5.2015 lehnten die Kläger eine Beseitigung der vorgetragenen Schäden gegenüber dem Beklagten ab. Gleichzeitig erklärten sie sich mit der Übernahme der Kosten für die Entfernung einer Fototapete in der Wohnung einverstanden.
 
Der Beklagte beseitigte die behaupteten Schäden sodann eigenständig.
Mit Abrechnung vom 8.3.2015 erstellte der Beklagte Abrechnung über die Nebenkosten für den Zeitraum 1.1.2014 bis 31.5.2014. Er kam dabei auf einen Betrag von 228,33 € zu seinen Gunsten.
 
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 23.11.2015 (As. 207) erklärte er gegenüber den Beklagten die Aufrechnung in Höhe dieses Betrages.
 
Die Kläger beantragen,
den Beklagten zu verurteilen, an die Kläger 1.068,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seitdem 11. Juni 2015 zu zahlen.
 
Der Beklagte beantragt,    
die Klage abzuweisen      
 
Der Beklagte behauptet, die Kläger hätten die Wohnung in stark beschädigtem Zustand zurückgelassen. Im einzelnen sei die Küche verdreckt und vermüllt gewesen. Auch die Schränke, sämtliche Zimmer und der Balkon seien verdreckt gewesen. Die Toiletten seien verkalkt oder durch Urinstein verschmutz gewesen. Die Wohnungseingangstür sei innen vor allem im unteren Bereich stark verkratzt gewesen. Die Kläger hätten zudem mehrere Fensterrahmen angebohrt. Das Ceranfeld des Küchenherdes sei erheblich beschädigt gewesen. Der Teppichboden im Dachgeschoss sei durch Tier-Urin verunreinigt gewesen. Zudem hätten die Kläger über eine der Raufasertapeten eine Fototapete geklebt und nicht wieder entfernt. Des Weiteren hätten sie mehrere Zimmer mit bunter Latexfarbe überstrichen. Farbreste hätten sich auch an Fenstern, Türrahmen, Fußböden und Heizkörpern befunden.
Er behauptet weiter, dass für die Entfernung der Fototapete und das Überstreichen der mit Latexfarbe bemalten Wände ein. Betrag von 490,28 € erforderlich sei. Die Beseitigung der Schaden an den Kunststofffenstern und Holztüren würde 610 € beanspruchen. Für die Reinigung der Küche, Schränke, Toiletten, Bäder, Zimmer und des Balkons seien Kosten in Höhe von 154 € entstanden. Die Ausbesserung der verkratzten Wohnungseingangstür hätte 310 € gekostet. Für die Erneuerung des Ceranfeldes seien Kosten in Höhe von 346,10 € entstanden.
 
Die Kläger erwiderten hierauf, dass ein Teil der behaupteten Schäden schon bei deren Auszug bestanden hätten. So wäre insbesondere die Wohnungseingangstür durch die Vormieter bereits verkratzt gewesen. Auch seien die Wände schon farbig gewesen. Die einzelnen abgerechneten Beträge seien zudem nicht ortsüblich und nicht angemessen.
Die Kläger sind im Übrigen der Ansicht, dass dem Beklagten jedenfalls ein Abzug Neu-für-Alt hinsichtlich der Wohnungseingangstüre anzurechnen sei.
 
Hinsichtlich des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Verhandlungsprotokolle vom 24.11.2015 (As. 215) und 26.9.2016 (As. 241) Bezug genommen.
 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen --- --- und --- ---.
 
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
 
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Kläger haben gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Rückzahlung der Mietkaution in Höhe von 1.068,13 €, da der Anspruch durch die vom Kläger erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen in gleicher Höhe erloschen ist.
 
1
Unstreitig hatten die Kläger eine Kaution bei Mietbeginn in Höhe von 1.360 hinterlegt, welche sich verzinst zwischenzeitlich auf 1.368,13 € belief. Nach Ende des Mietverhältnis hatten die Kläger somit unter Berücksichtigung eines angemessenen Einbehalts für die noch ausstehende Nebenkostenabrechnung einen Anspruch auf Rückzahlung in Höhe von 1068,13€.
 
Dieser Anspruch ist durch die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen aus §§ 535, 280 Abs. 1 BGB in mindestens gleicher Höhe erloschen.
 
(a)
Zur Überzeugung des Gerichts steht fest, dass die Kläger zumindest teilweise Wände mit bunter Farbe bestrichen hatten und diese nach Auszug nicht mit weißer Farbe wieder zu ihren Ursprungszustand gebracht haben. Zudem haben sie eine Fototapete nicht wieder entfernt. Des Weiteren steht fest, dass die Kläger das Ceranfeld mit einem die Nutzbarkeit beeinträchtigenden Kratzer hinterließen. Ebenso war festzustellen, dass sie für das Verkratzen der Wohnungseingangstüre in erheblichem Umfang verantwortlich sind.
 
Zu diesen Feststellungen kommt das Gericht aufgrund der Angaben der Zeugen --- und ---.
Die Zeugin --- bekundete allgemein, dass die Wohnung nach dem Auszug der Kläger in keinem guten Zustand war. Konkret benannte sie sodann farbige Wände im OG der Wohnung. Die Wände seien insbesondere mit sehr grellen und ungewöhnlichen Farben und Mustern gestrichen gewesen. Eine Wand sei beispielsweise blau/gelb und eine andere Wand in pink/braun gestrichen gewesen. Sie räumte außerdem ein, dass von den Vormietern eine Wand in der Küche der Wohnung rot gestrichen worden war und dies auch noch beim Einzug der Kläger so war. Sie gab weiter an, dass die Wohnungseingangstür an der Seite, wo sich auch das Schloss befindet, verkratzt war. Das Ceranfeld in der Küche hätte ebenfalls einen Kratzer gehabt, dieser sei auf dem Kochfeld vorne links gewesen. Er sei so tief gewesen, dass sie den Fingernagel hineinstecken konnte. Ob die Elektrik davon beeinträchtigt wurde, konnte sie nicht sagen.
 
Der Zeuge --- bestätigte die Angaben der Zeugin ---. Dieser gab an, dass die Wohnung bei Übergabe in einem sehr schlechten, ungepflegten Zustand gewesen sei. Es hätte alles so ausgesehen, als sei es schon 20 Jahre alt. Konkret schilderte er, dass im Dachgeschoß der Wohnung die Wände mit Mustern und Schnörkeln verziert gewesen wären. Einzelheiten konnte er jedoch nicht benennen. Auf Vorhalt von Lichtbildern bestätigte er die darauf zu erkennende Farbgebung. Zum Ceranfeld bekundete er, dass dieses dreckig und mit einem Riss zurückgelassen worden sei. Er konnte jedoch nicht mehr genau sagen, ob es tatsächlich ein Riss oder eine abgeplatzte Steile war. Ein Ceranfeld in einem solchen, Zustand hätte er zuvor noch nicht gesehen. Er hätte es in diesem Zustand nicht anfassen wollen.
Das Gericht hat keinen Anlass an den Angaben der Zeugen zu zweifeln. Die Zeugen schilderten ihre Wahrnehmungen glaubhaft, insbesondere nachvollziehbar und widerspruchsfrei. Beide Zeugen räumten auch von sich aus - was aufgrund eines Abstandes von zwei Jahren zum tatsächlichen Geschehen nachvollziehbar ist - Erinnerungslücken ein. Gleichzeitig waren ihre Angaben mit originellen Details versehen, was für ein reales Erleben spricht. Die Angaben wirkten zudem nicht abgesprochen. Hinzu kommt, dass sich die Schilderungen der Zeugen mit den von Beklagtenseite vorgelegten und während der Vernehmung jeweils vorgehaltenen Lichtbildern deckten.
 
Die Vernehmung weiterer Zeugen auf Antrag der Kläger, dazu dass Wände bereits bei deren Einzug farbig waren wurde vom Gericht nicht veranlasst, denn unstreitig war bei Einzug der Kläger eine Wand in der Küche rot gestrichen. Die Zeugin --- bestätigte im Übrigen, dass teilweise Wände im OG in Pastellfarben gestrichen waren, eines weiteren Beweises dazu bedurfte es somit nicht.
Das Gericht kam weiter zur Überzeugung, dass die Beschädigungen in dieser Form nicht schon bei Beginn des Mietverhältnisses, also bei Einzug der Kläger vorlagen. Auch hierzu stützt sich das Gericht auf die Angaben des Zeugen ---.
Hierzu gab der Zeuge --- an, dass die vorherigen Mieter sehr sauber und gründlich waren. Die Wohnung hatte er vor Vermietung an die Kläger mit diesen besichtigt. Der Zustand der Wohnung sei insgesamt gut gewesen, also in einem Zustand wie man ihn bei einer Besichtigung als Makler präsentieren möchte. Gebrauchsspurenwie-beispielsweise leichte Kratzer auf dem Parkettboden seien gleichwohl vorhanden gewesen. Eine besonders auffällige Farbgebung der Wände habe er nicht wahrgenommen. Die Türen seien ebenfalls in einem dem Gebrauch entsprechenden normalen Zustand gewesen. Auch die Küche sei in einem guten Zustand gewesen, etwas besonderes sei ihm dort nicht aufgefallen.
Auch insoweit hat der Zeuge glaubhaft, insbesondere nachvollziehbar und widerspruchsfrei Seine Angaben gemacht. Auch waren insgesamt keine Parteilichkeit oder Belastungstendenzen zu Lasten der Kläger festzustellen.
 
Die festgestellten Beschädigungen stellen eine Pflichtverletzung aus dem Mietverhältnis dar. Danach haben die Mieter die Pflicht, die Mietsache pfleglich zu behandeln und eine Beeinträchtigung dieser über den üblichen Gebrauch hinaus zu vermeiden. Das massive Zerkratzen der Wohnungseingangstüre, die Verursachung eines Kratzers auf einem Ceranfeld und das Hinterlassen mehrerer Wände mit verschiedenen, bunten Farben und Mustern stellte jedoch gerade keine Abnutzung der Mietsache im Rahmen des üblichen Gebrauchs dar.
 
Nicht von Bedeutung war dabei, ob der Kratzer auf dem Ceranfeld auch die Funktionstüchtigkeit des Herdes beeinträchtigte, da der Kratzer jedenfalls so tief war, dass ein Austausch der Ceranplatte erforderlich war. Hierzu schilderte die Zeugin --- eindrücklich, dass sie ihren Fingernagel in den Kratzer stecken konnte. Dies verdeutlicht, dass es sich nicht nur um ein rein oberflächliches Zerkratzen handelte, sondern dass die Glasplatte bereits in ihrem Kern angegriffen war. Hinzu kommt, dass auch lediglich die Ceranplatte ausgetauscht und auch nur der dafür erforderliche Betrag in Rechnung gestellten wurde. Ein Austausch des gesamten Herdes oder von Teilen der Elektrik fand also nicht statt.
 
Diese Pflichtverletzung haben die Kläger zu vertreten. Es greift insoweit die Verschuldensvermutung nach § 280 Abs. 1 S. 2 BGB. Diese konnten die Kläger nicht entkräften.
 
(b)
Das Gericht geht auch davon aus, dass die Beseitigung der festgestellten Schaden jedenfalls einen höheren Betrag als die klageweise geltend gemachte Rest-Mietkaution in Anspruch nimmt.
 
Die Beklagten haben die von ihnen behaupteten Beträge durch Vorlage der Rechnungen bzw. Kostenvoranschläge substantiiert dargelegt. Diese waren in sich auch nachvollziehbar und schlüssig. Diese haben die Kläger lediglich pauschal als ortsunüblich und unangemessen angegriffen, ohne jedoch näher dazu vorzutragen. Dieses einfache bestreiten reicht aber nach Überzeugung des Gerichts nicht aus. Hier wäre darzulegen gewesen, weshalb die Kläger von der Ortsunüblichkeit und Unangemessenheit ausgehen.
 
Dem Gericht war es mit Hilfe dieser Rechnungen und Kostenvoranschläge möglich, die Höhe der erforderlichen Kosten gemäß § 287 ZPO zu schätzen.
Der dabei abgerechnete Betrag von 490,28 € für die Malerarbeiten zur Überstreichung der farbigen Wände und zur Beseitigung der Fototapete lässt keine unangemessenen Positionen oder überhöhte Kosten erkennen, weshalb sich das Gericht bei der Schätzung insoweit an der Rechnung orientieren konnte und Kosten in entsprechender Höhe schätzte.
 
Entsprechendes gilt für die in Höhe von 310 € netto angesetzten Reparaturkosten der Wohnungseingangstür. Hier war den Beklagten auch kein Vorteilsausgleich Neu-für-Alt anzurechnen. Entscheidend ist dabei nicht, dass überhaupt Neuteile eingebaut wurden oder eine Erneuerung stattgefunden hat. Vielmehr ist maßgeblich, dass dem Geschädigten im konkreten Fall aufgrund der Verbesserung ein wirtschaftlicher Vorteil erwächst. Dieser kann sich entweder daraus ergeben, dass sich bei einem gedachten Verkauf der betroffenen Sache aufgrund der erfolgten Wiederherstellung ein höherer Gewinn erzielen liefe oder, dass dem Geschädigten aufgrund der Reparatur künftige Aufwendungen erspart bleiben. Bei der Bewertung, ob ein wirtschaftlicher Vorteil besteht, ist nicht auf das einzelne Teil, sondern auf die gesamte Wohnung abzustellen (vgl. OLG Naumburg, 11.11.1994 - 6U 175/94, in: NJW-RR 1995, 1041). Die Erneuerung der Wohnungstür lässt jedoch nicht erkennen, dass die Wohnung dadurch insgesamt einen Wertzuwachs erfahren hat. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Beklagten Aufwendungen durch die Erneuerung erspart hätten. Wohnungstüren bedürfen in der Regel keiner regelmäßigen Wartungen sondern zeichnen sich durch eine gewisse Beständigkeit aus. Warum im hiesigen Fall eine andere Bewertung vorzunehmen wäre, wurde von Klägerseite jedenfalls nicht näher dargelegt.
 
Nichts anderes ergibt sich für den Austausch des Ceranfeldes. Der dargelegte Betrag von 346,10 € lässt auch hier keine Überschreitung üblicher Reparaturkosten erkennen. Die vorgelegte Abrechnung ist hinsichtlich ihrer Einzelposition nachvollziehbar. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Ersatzceranfeld mit 340,99 € besonders überteuert wäre.
 
Insgesamt stand dem klageweise geltend gemachten Rückzahlungsanspruch in Höhe von 1.068,13€ damit ein Schadensersatzanspruch von 1.146,38€ gegenüber.
Auf die weiteren behaupteten Ersatzansprüche (Parkett, Fensterrahmen etc, Reinigungskosten) kam es deshalb nicht mehr an.
 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
 
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre gesetzliche Grundlage in §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.
 
---
Richter
 
Verkündet am 21.10.2016
---,
JAng'e
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Arbeitsrecht - Drogenkonsum von LKW-Fahrer: Kündigung rechtens (BAG, 20.10.2016)

Fristlose Kündigung eines LKW-Fahrers wegen Drogenkonsums


(Quelle: Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 57/16 vom 20.10.2016)
 

Ein Berufskraftfahrer darf seine Fahrtüchtigkeit nicht durch die Einnahme von Substanzen wie Amphetamin oder Methamphetamin („Crystal Meth“) gefährden. Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung kann die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob die Droge vor oder während der Arbeitszeit konsumiert wurde.

Der als LKW-Fahrer beschäftigte Kläger nahm am Samstag, dem 11. Oktober 2014, im privaten Umfeld Amphetamin und Methamphetamin ein. Ab dem darauffolgenden Montag erbrachte er wieder seine Arbeitsleistung. Anlässlich einer polizeilichen Kontrolle am 14. Oktober 2014 wurde der Drogenkonsum festgestellt. Dies veranlasste den Arbeitgeber zu einer fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Mit seiner Klage wendet sich der Kläger gegen diese Kündigung. Es hätten keine Anhaltspunkte für eine tatsächliche Fahruntüchtigkeit bestanden.

Die Vorinstanzen haben die außerordentliche Kündigung für unwirksam gehalten. Die hiergegen gerichtete Revision des Arbeitgebers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg und führte zur Abweisung der Klage. Das Landesarbeitsgericht hat bei der vorzunehmenden Interessenabwägung die sich aus der Einnahme von Amphetamin und Methamphetamin für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers typischerweise ergebenden Gefahren nicht hinreichend gewürdigt. Ob die Fahrtüchtigkeit des Klägers bei den ab dem 13. Oktober 2014 durchgeführten Fahrten konkret beeinträchtigt war und deshalb eine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand, ist unerheblich.

 

 

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 20. Oktober 2016 - 6 AZR 471/15 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg
Urteil vom 6. Juli 2015 - 7 Sa 124/15 -

Verkehrsrecht – Abschleppen eines Falschparkers zulässig (AG München, 02.05.2016)

Freches Parken

(Quelle: Amtsgericht München, Pressemitteilung Nr. 55/16 vom 15. Juli 2016, veröffentlich im Internet auf der Seite
https://www.justiz.bayern.de/gericht/ag/m/presse/archiv/2016/05341/index.php )
 
Ein privater Grundstücksbesitzer ist in der Regel berechtigt, Falschparker sofort abschleppen zu lassen, ohne die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme beachten zu müssen, solange die Maßnahme erforderlich ist, um die Besitzstörung zu beenden.

Der Kläger aus Köln stellte seinen PKW am Samstag, dem 24.10.2015, um 22:30 Uhr auf einer Parkfläche für Bahnbedienstete in Augsburg ab, die als privater Parkplatz von der beklagten Grundstücksbesitzerin gekennzeichnet ist. Als er am 25.10.2015 um 1:30 Uhr zurückkehrte war der PKW nicht mehr da. Der Kölner wandte sich an die örtliche Polizeidienststelle und erfuhr dort, dass sein Fahrzeug von einem Abschleppdienst auf Veranlassung der Grundstücksbesitzerin abgeschleppt worden ist. Zwischen der Beklagten und dem Abschleppdienst besteht eine Rahmenvereinbarung. Nach dieser Vereinbarung tritt die Grundstücksbesitzerin alle ihre Ansprüche gegen unberechtigte Parkplatznutzer auf Kostenerstattung an den Abschleppdienst ab, so dass der Abschleppdienst die Abschleppkosten erhebt. Der Kläger zahlte an den Abschleppdienst insgesamt 253,00 €, bevor er sein Fahrzeug wieder in Empfang nehmen konnte.
Der Kläger hatte hinter der Windschutzscheibe seines PKW einen Zettel mit dem Hinweis „bei Parkplatzproblemen bitte anrufen“ mit seiner Mobilfunknummer hinterlassen. Er ist der Meinung, dass das Abschleppen unverhältnismäßig gewesen sei. Er habe sich in der Nähe aufgehalten und hätte das Fahrzeug umgehend entfernen können. Das Fahrzeug habe auch niemanden behindert. Zudem seien die von ihm verlangten Kosten zu hoch. Den Aufwand für die Dokumentation (65,50 €) schulde er nicht, ebenso wenig den Nachtzuschlag (23,00 €).
Er verlangt die Abschleppkosten zurück. Da die Grundstückseigentümerin nicht zahlte, erhob der Kölner Klage zum Amtsgericht München. Die zuständige Richterin wies die Klage ab.

Die beklagten Grundstückseigentümerin habe von dem falschparkenden Kläger Schadensersatz verlangen können, die Zahlung des Klägers an den Abschleppdienst sei daher mit Rechtsgrund erfolgt.
„Indem der Kläger sein Fahrzeug auf dem nicht der Öffentlichkeit gewidmeten Grundstück der Beklagten abstellte, verletzte er deren Eigentum und Besitz. Hierin liegt eine verbotene Eigenmacht und ein teilweiser Besitzentzug (§§ 858, 859 Abs. 3 BGB). Der Kläger handelte auch schuldhaft (§ 823 Abs. 2 Satz 2 BGB). Dem Kläger hätte diese Verletzung des Eigentums und des Besitzes der Beklagten beim Abstellen seines Fahrzeugs auffallen müssen. Er räumt selbst ein, dass entsprechende Hinweisschilder für eine private Nutzung der Parkfläche vorhanden waren“, so das Urteil. Der Schaden der Grundstücksbesitzerin liege in den Kosten, die sie wegen des Falschparkens des Klägers hatte, also den Abschleppkosten.
Dabei sei die Grundstückseigentümerin -anders als eine staatliche Stelle- nicht an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden, solange ihre Maßnahmen dazu erforderlich sind, den Schaden (also die Besitzstörung durch den Falschparker) zu beseitigen. „Danach musste die Beklagte, die dort Parkplätze für übernachtende Bahnmitarbeiter bereit hält, mitten in der Nacht nicht bei einem ihr völlig unbekannten KFZ-Halter anrufen, mit dem sie ersichtlich in keinerlei geschäftlichen Kontakt stand (ggf. anders bei Kundenparkplätzen, wenn es um dort mutmaßlich abgestellte Kundenfahrzeuge geht). Insoweit kann auch der weitere Vortrag des Klägers zu seinem allgemein gehaltenen Hinweis hinter der Windschutzscheibe als zutreffend unterstellt werden. Aus diesem Zettel ging nicht hervor, dass er sich nur wenige Minuten auf dem Parkplatz der Beklagten aufhalten will; ganz im Gegenteil suggeriert sein Hinweis, dass der Parkplatz von ihm nicht nur kurzfristig genutzt werden sollte. Ebenso wenig kann dem Zettel entnommen werden, dass sich der Kläger im Falle eines Anrufs sofort wieder einfinden werde. Sein Aufenthaltsort und der Zweck seines Aufenthalts werden darin nicht mitgeteilt. Die Beklagte durfte unter diesen Umständen das ihr zur Verfügung stehende effektivste Mittel des Abschleppens wählen, um die vom Kläger verübte Eigentumsstörung und die darin liegende verbotene Eigenmacht „sofort“ zu beenden“, so die Urteilsbegründung. Die reinen Abschleppkosten in Höhe von 164,50 Euro zuzüglich des Nachtzuschlags seien nicht zu beanstanden, da sie ortsüblich wären. Auch die Dokumentationskosten seien erst durch das Falschparken ausgelöste worden und daher erstattungsfähig.

Urteil des Amtsgerichts München vom 02.05.2016 Aktenzeichen 122 C 31597/15

Das Urteil ist rechtskräftig.

Vertragsrecht - Internetvertrag nach Preisvergleich widerrufbar (BGH, 16.03.2016)

Widerruf von Fernabsatzverträgen von Gesetzes wegen ohne Rücksicht auf die Beweggründe des Verbrauchers möglich

(Quelle: Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofes Nr. 57/2016 vom 16.03.2016)

Urteil vom 16. März 2016 - VIII ZR 146/15

Der Bundesgerichtshof hat sich heute mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Verbraucher unter dem Gesichtspunkt rechtsmissbräuchlichen Verhaltens am Widerruf eines Fernabsatzvertrages gehindert ist.

Der Kläger hatte bei der Beklagten über das Internet zwei Matratzen bestellt, die im Januar 2014 ausgeliefert und vom Kläger zunächst auch bezahlt worden waren. Unter Hinweis auf ein günstigeres Angebot eines anderen Anbieters und eine "Tiefpreisgarantie" des Verkäufers bat der Kläger um Erstattung des Differenzbetrags von 32,98 €, damit er von dem ihm als Verbraucher zustehenden Widerrufsrecht absehe. Zu einer entsprechenden Einigung kam es nicht. Der Kläger widerrief den Kaufvertrag daraufhin fristgerecht und sandte die Matratzen zurück.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe und der Widerruf deshalb unwirksam sei. Denn das Widerrufsrecht beim Fernabsatzgeschäft bestehe, damit der Verbraucher die Ware prüfen könne. Aus diesem Grund habe der Kläger aber nicht widerrufen, sondern vielmehr um (unberechtigt) Forderungen aus der "Tiefpreisgarantie" durchzusetzen.

Die auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage hatte in allen Instanzen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises zusteht, da er den Kaufvertrag wirksam widerrufen hat. Dem steht nicht entgegen, dass es dem Kläger darum ging, einen günstigeren Preis für die Matratzen zu erzielen. Für die Wirksamkeit des Widerrufs eines im Internet geschlossenen Kaufvertrags genügt allein, dass der Widerruf fristgerecht erklärt wird. Die Vorschriften über den Widerruf sollen dem Verbraucher ein effektives und einfach zu handhabendes Recht zur Lösung vom Vertrag geben. Einer Begründung des Widerrufs bedarf es nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung nicht. Deshalb ist es grundsätzlich ohne Belang, aus welchen Gründen der Verbraucher von seinem Widerrufsrecht Gebrauch macht.
Ein Ausschluss dieses von keinen weiteren Voraussetzungen abhängenden Widerrufsrechts wegen eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Verbrauchers kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht, in denen der Unternehmer besonders schutzbedürftig ist. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Verbraucher arglistig handelt, etwa indem er eine Schädigung des Verkäufers beabsichtigt oder schikanös handelt. Damit ist der vorliegende Fall jedoch nicht vergleichbar. Dass der Kläger Preise verglichen und der Beklagten angeboten hat, den Vertrag bei Zahlung der Preisdifferenz nicht zu widerrufen, stellt kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar. Das ist vielmehr Folge der sich aus dem grundsätzlich einschränkungslos gewährten Widerrufsrecht ergebenden Wettbewerbssituation, die der Verbraucher zu seinem Vorteil nutzen darf.

Vorinstanzen:
AG Rottweil – Urteil vom 30. Oktober 2014 (1 C 194/14)
LG Rottweil – Urteil vom 10. Juni 2015 (1 S 124/14)
Karlsruhe, den 16. März 2016

§ 312b BGB aF Fernabsatzverträge
(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Leistung von Waren oder über die Erbringung von Dienstleistungen, einschließlich Finanzdienstleistungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließlicher Verwendung von Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. […]
(2) Fernkommunikationsmittel sind Kommunikationsmittel, die zur Anbahnung oder zum Abschluss eines Vertrags zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit der Vertragsparteien eingesetzt werden können, insbesondere Briefe, Kataloge, Telefonanrufe, Telekopien, E-Mails sowie Rundfunk, Tele- und Mediendienste.
[…]
§ 312d BGB aF Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernabsatzverträgen
(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. […]
(2) Die Widerrufsfrist beginnt abweichend von § 355 Abs. 3 Satz 1 nicht vor Erfüllung der Informationspflichten gemäß Artikel 246 § 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und 2 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche, bei der Lieferung von Waren nicht vor deren Eingang beim Empfänger, bei der wiederkehrenden Lieferung gleichartiger Waren nicht vor Eingang der ersten Teillieferung und bei Dienstleistungen nicht vor Vertragsschluss.
[…]
§ 355 BGB aF Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen
(1) Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so ist er an seine auf den Abschluss des Vertrags gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden, wenn er sie fristgerecht widerrufen hat. Der Widerruf muss keine Begründung enthalten und ist in Textform oder durch Rücksendung der Sache innerhalb der Widerrufsfrist gegenüber dem Unternehmer zu erklären; zur Fristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung.
[…]

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Vertragsrecht – Kündigung Fitnessvertrag wegen Umzugs (AG Lörrach, 25.11.2015)

Erfolg für die Kanzlei im Rebland: Zahlungsklage eines Fitnessstudios abgewehrt.

Bei einem Umzug in eine andere Stadt oder Gemeinde stellt sich oft die Frage, ob aus diesem Grund der Vertrag mit dem Fitnessstudio gekündigt werden darf. Vor allem dann, wenn das Studio in der neuen Stadt keine Filialen betreibt, kann sich die Fortführung eines Fitnessvertrages, den man nicht mehr nutzen kann oder will, schnell zur teuren Angelegenheit entwickeln. Denn viele Studios stellen plötzlich auf stur, sobald man ihnen die Kündigung wegen Umzugs erklärt. Dann heißt es auf einmal, dass die Kündigung nicht möglich sei, und der Vertrag bis zu seinem Ende fortgeführt werden müsse. Und das, obwohl das Studio dem Kunden noch bei Vertragsabschluss mündlich zugesichert hatte, dass bei einem Umzug die Kündigung problemlos möglich sei.

So lag auch der Fall eines Mandanten der Kanzlei im Rebland. Auch ihm gegenüber hatte das Studio bei Vertragsabschluss vollmundig versprochen, dass er im Falle eines Umzuges jederzeit kündigen könne. Glücklicherweise hat der gut beratene Mandant darauf bestanden, dass das mündlich versprochene Kündigungsrecht schriftlich fixiert und mit in den Fitness-Vertrag aufgenommen wird. Dies war sein Glück und sparte ihm letztendlich eine Menge Geld.

Das Amtsgericht Lörrach folgte der Klageerwiderung der Kanzlei im Rebland und wies die Zahlungsklage des Fitnessstudios ab mit der Begründung, der Mandant habe wirksam ein vertragliches Kündigungsrecht vereinbart und auch ausgeübt.

Hier die interessante Entscheidung im Volltext:
 

Aktenzeichen:
3 C 646/15
 
Amtsgericht Lörrach
           
Im Namen des Volkes
 
U r t e i l
 
In dem Rechtsstreit
 
--- GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer ---, ---, 79379 MüIIheim       
 
- Klägerin -   
 
Prozessbevollmächtigte:  
Rechtsanwälte Dr. ---, Dr. --- & Kollegen, ---, 33602 Bielefeld,
           
gegen           
 
---, ---, 79415 Bad Bellingen
 
- Beklagter - 
 
Prozessbevollmächtigter: 
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen      
 
wegen Forderung  
 
hat das Amtsgericht Lörrach durch die Richterin am Amtsgericht Dr. --- aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 11. 11.2015 für Recht erkannt:
           
1.         Die Klage wird abgewiesen.
2.         Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.         Das Urteil ist für den Beklagten wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. (...)
 
Tatbestand und Entscheidungsgründe            
 
(abgekürzt gem. 313a; 495 ZPO)            
 
Die zulässige Klage ist nicht begründet.          
           
Der zwischen den Parteien am 21 .08.2013 abgeschlossene Trainingsvertrag wurde seitens des Beklagten mit Schreiben vom 06.05.2014, weiches der Klägerin jedenfalls am 26.05.2014 zuging, wirksam ordentlich gekündigt.    
 
Die Klägerin ist für den vorliegend streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.09.2014 bis zum 28 02 2015 daher nicht mehr berechtigt, vom Beklagten die sich aus dem Fitness-Studio-Vertrag ergebenden Mitgliedsbeiträge in Höhe von monatlich 69,00 € zu verlangen.
 
Das Gericht ist aufgrund des Akteninhaltes, insbesondere der Anmeldung bzgl. der Mitgliedschaft im --- vom 21.08.2013 und der persönlichen Anhörung des Beklagten, zu der Überzeugung gelangt, dass zwischen den Parteien wirksam individuell ein Recht   zur vorzeitigen Kündigung des Fitness-Studio Vertrages vereinbart wurde. Die genauen Voraussetzungen für die Ausübung dieses Kündigungsrechtes ergeben sich zum einen aus der schriftlichen Formulierung unter Ziffer 4 auf Seite 2 der Anmeldung und ergänzend aus den zwischen den Parteien getroffenen mündlichen Absprachen. Die Formulierung lautet wörtlich: "Wenn das Angebot z. B. durch Umzug oder Krankheit nicht genutzt werden, besteht die Möglichkeit, auszusetzen oder vorzeitig zu kündigen (mit Besch.)."                    
 
Unter Zugrundelegung der plausiblen und glaubhaften Ausführungen des Beklagten zu den Umständen des Vertragsschlusses ergibt sich, dass diese Formulierung nicht dahingehend zu verstehen ist, die Voraussetzungen für die Ausübung des Kündigungsrechtes seien erst dann gegeben, wenn das Angebot infolge Umzugs nicht mehr genutzt werden kann. Dies wäre bei einem Umzug von Müllheim nach Bad Bellingen bzgl. des in Müllheim gelegenen und sodann etwa 11 km vom neuen Wohnort des Beklagten entfernt liegenden Fitness-Studios nicht der Fall. Die Vereinbarung ist vielmehr dahingehend zu verstehen, dass ein Kündigungsrecht für den Fall eingeräumt wird, dass der Beklagte von seinem jetzigen Wohnort umzieht, und das Angebot des Fitness-Studios infolgedessen nicht mehr nutzt, sei es, weil er dies nicht mehr nutzen will, da es ihm zu mühsam ist, abends noch von Bad Bellingen nach Müllheim zu fahren, oder da sich seine gesamte Lebensplanung infolge des Umzuges weg von Müllheim aus anderen Gründen geändert hat.
 
Hierzu hat der Beklagte, persönlich angehört, ausgeführt, bereits zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, hätten er und seine Lebensgefährtin einen Umzug von Müllheim weg in Richtung Lörrach, wo seine Lebensgefährtin ihre Arbeitsstelle habe, erwogen, wenn auch noch nicht konkret geplant. Aus diesem Grunde habe er den Fitness-Studio Vertrag allenfalls für die Erstlaufzeit von einem Jahr abschließen wollen. Eigentlich hätte er zunächst gar keinen Vertrag abschIießen wollen, sondern seinen Gewinn von einem Glücksdrehrad, nämlich 3 Monate freies Training im --- einlösen wollen. Dann sei er jedoch von dem Mitarbeiter der Klägerin, ebenso wie seine Lebensgefährtin, überredet worden, gleich einen richtigen Vertrag abzuschließen. Da die monatlichen Beiträge bei einer Erstvertragslaufzeit von 36 Monaten anstatt 89,00 € pro Monat nur 69,00 € betrugen, habe ihm der Mitarbeiter von --- geraten, den 3-Jahres Vertrag abzuschließen. SoIlte er tatsächlich umziehen, könne er den Vertrag, sofern er das Angebot des Fitness-Studios dann nicht mehr nutzen wolle, kurzfristig kündigen.
 
Da der Beklagte darauf bestanden habe, dass diese Sonderkündigungsmöglichkeit schriftlich festgehalten wird, habe der Mitarbeiter der Klägerin sodann die zitierte Formulierung in den Vertrag aufgenommen. Eigentlich hätte es nach dem Willen des Mitarbeiters der Klägerin insoweit nur bei der mündlichen Zusage der Kündigungsmöglichkeit bleiben sollen.
 
Die materiellen Kündigungsvoraussetzungen liegen vor: Der Beklagte ist umgezogen und hat unter Beifügung des Mietvertrages und der Ummeldebescheinigung den Trainingsvertrag gekündigt.
           
Zwar fehlt in dem Fitness-Studio Vertrag eine Regelung dahingehend, mit welcher Frist der Vertrag gekündigt werden kann. Selbst, wenn die unter Ziffer 2 genannte Frist von 2 Monaten ab Zugang der schriftlichen Kündigungserklärung zugrunde gelegt werden würde, wäre die Klägerin jedenfalls nicht mehr berechtigt, die vorliegend streitgegenständlichen Mitgliedsbeiträge, beginnend ab dem Monat September 2014 zu verlangen.
 
Auf die Frage, ob es sich bei der Festlegung einer Grundlaufzeit von 36 Monaten zu einem Mitgliedsbeitrag von monatlich 69,00 € um eine Allgemeine Geschäftsbedingung handelt, oder ob dies eine individuelle Vertragslaufzeitvereinbarung darstellt, kommt es vorliegend somit nicht an. Mangels
 
Hauptforderung ist die Klägerin auch nicht berechtigt, die geltend gemachten Nebenforderungen und Zinsen zu verlangen.
 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 713 ZPO.
 
Rechtsbehelfsbelehrung:
 
---
 
Dr. ---
Richterin am Amtsgericht
 
Verkündet am 25.11.2015

Vertragsrecht - Schadensersatz bei Abbruch der eBay-Auktion (BGH, 23.09.2015)

Schadensersatz wegen einer vorzeitig abgebrochenen eBay-Auktion

(Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 162/2015 vom 23.09.2015)

Urteil vom 23. September 2015 - VIII ZR 284/14

Der Bundesgerichtshof hat heute eine Entscheidung dazu getroffen, unter welchen Voraussetzungen der Anbieter das Gebot eines Interessenten auf der Internetplattform eBay streichen darf, ohne sich diesem gegenüber schadenersatzpflichtig zu machen.

Der Beklagte bot auf der Internetplattform eBay einen Jugendstil-Gussheizkörper zu einem Startpreis von 1 € an. In den zu dieser Zeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay heißt es auszugsweise:
"§ 9 Nr. 11: Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind. Weitere Informationen. […]“
Der Beklagte beendete drei Tage nach Beginn der Auktion diese unter Streichung aller Angebote vorzeitig. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger mit einem Gebot von - wie er vorgetragen hat - 112 € der Höchstbietende. Der Kläger behauptet, er hätte den Heizköper zum Verkehrswert von 4.000 € verkaufen können und verlangt mit seiner Klage diesen Betrag abzüglich der von ihm gebotenen 112 € (3.888 €).
Der Beklagte verweigerte die Übergabe des Heizkörpers an den Kläger und begründete dies ihm gegenüber mit der - bestrittenen - Behauptung, er habe die Auktion deswegen abbrechen müssen, weil der Heizkörper nach Auktionsbeginn zerstört worden sei. Später hat der Beklagte geltend gemacht, er habe inzwischen erfahren, dass der Kläger zusammen mit seinem Bruder in letzter Zeit 370 auf eBay abgegebene Kaufgebote zurückgenommen habe. In Anbetracht dieses Verhaltens sei er zur Streichung des Gebots des Klägers berechtigt gewesen.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landgericht hat gemeint, dass wegen der zahlreichen Angebotsrücknahmen objektive Anhaltspunkte für eine "Unseriösität" des Klägers bestünden. Der Beklagte habe deshalb das Angebot des Klägers streichen dürfen, so dass ein Vertrag zwischen den Parteien nicht zustande gekommen sei. Es reiche aus, dass ein Grund für die Streichung des Angebots vorhanden gewesen sei; der Verkäufer müsse den Grund für die Streichung weder mitteilen noch müsse dieser überhaupt ursächlich für die Streichung geworden sein.

Die Revision des Käufers hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landgericht.

Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Angebot eines eBay-Anbieters dahin auszulegen ist, dass es (auch) unter dem Vorbehalt steht, unter bestimmten Voraussetzungen ein einzelnes Gebot eines potentiellen Käufers zu streichen und so einen Vertragsschluss mit diesem Interessenten zu verhindern. Das kommt - neben den in den Auktionsbedingungen ausdrücklich genannten Beispielen - auch dann in Betracht, wenn gewichtige Umstände vorliegen, die einem gesetzlichen Grund für die Lösung vom Vertrag (etwa Anfechtung oder Rücktritt) entsprechen.
Derartige Gründe hat das Landgericht aber nicht festgestellt. Soweit es darauf abstellt, dass der Kläger und sein Bruder innerhalb von sechs Monaten 370 Kaufgebote zurückgenommen hätten, mag das ein Indiz dafür sein, dass nicht in allen Fällen ein berechtigter Grund für die Rücknahme bestand. Die Schlussfolgerung, dass es sich bei dem Kläger um einen unseriösen Käufer handelt, der seinen vertraglichen Pflichten – also vor allem seiner Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises im Fall einer erfolgreichen Ersteigerung – nicht nachkommen würde, ergibt sich daraus jedoch nicht, zumal der Verkäufer bei einer eBay Auktion bei der Lieferung des Kaufgegenstandes nicht vorleistungspflichtig ist, sondern regelmäßig entweder gegen Vorkasse oder Zug-um-Zug bei Abholung der Ware geliefert wird.
Anders als das Landgericht hat der Bundesgerichtshof ferner entschieden, dass ein Grund für das Streichen eines Angebots während der laufenden Auktion nicht nur vorliegen, sondern hierfür auch ursächlich geworden sein muss. Hieran fehlte es aber, weil nach dem Vortrag des Beklagten für die Streichung des Gebots nicht ein Verhalten des Klägers, sondern die (bestrittene) Zerstörung der Ware ausschlaggebend gewesen war.
Bei der erneuten Verhandlung der Sache wird das Landgericht deshalb der Frage nachzugehen haben, ob der Heizkörper innerhalb der Auktionsfrist unverschuldet zerstört wurde und der Beklagte deshalb zur Streichung seines Angebots berechtigt war.

Landgericht Neuruppin - Urteil vom 24. September 2014 - 4 S 59/14

Amtsgericht Perleberg - Urteil vom 21. November 2013 -11 C 413/14

Karlsruhe, den 23. September 2015

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Verkehrsrecht - Besondere Vorsicht bei Autobahnabfahrt (LG Freiburg, 26.06.2015)

Klage der Kanzlei im Rebland vor dem Landgericht Freiburg erfolgreich

Wer von einer Autobahn abfährt, muss zum Schutz des nachfolgenden Verkehrs den Ausfahrvorgang rechtzeitig einleiten und nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO im Augenblick vor der Lenkbewegung ("nochmals vor dem Abbiegen") nach rechts in den rechten Aussenspiegel blicken. Das hat das Landgericht Freiburg im nachfolgenden Urteil klargestellt und einem Mandanten der Kanzlei im Rebland Recht gegeben:



Aktenzeichen:
4 O 74/14
 
Landgericht Freiburg im Breisgau
 
Im Namen des Volkes
 
U r t e i l
 
In dem Rechtsstreit
 
---, ---, 79400 Kandern - Kläger -
 
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 55/14
 
gegen
 
1) ---, ---, 06493 Ballenstedt - Beklagter -
 
2) ---AG, vertr. durch den Vorstand, ---, BÜTZBERG/SCHWEIZ, Schweiz
- Beklagte -
 
3) --- Versicherungsgesellschaft AG, vertr. duch .d. Vorstand, d .vertr.d.d. Hauptbevollmächtigten Prof. Dr. Jur. ---, ---, 60311 Frankfurt am Main, ---
- Beklagte -
 
4) --- e.V., vertreten durch d. Vorstand ---, ---, 10117 Berlin
- Beklagte -
 
Prozessbevollmächtigte zu 1 - 4:
Rechtsanwälte --- und Kollegen, ---, 79098 Freiburg i. Br., Gz.: ---
 
wegen Schadensersatz
 
hat das Landgericht Freiburg im Breisgau - 4. Zivilkammer - durch Richter am Landgericht --- als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 18.05.2015
 
f ü r   R e c h t   e r k a n n t :
 
1.         Die Beklagten Ziff. 1, 2 und 4 werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger 5.131,85 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 24.05.2014 zu zahlen.
2.         Die Beklagten Ziffer 1), 2 ) und 4) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die --- GmbH, dort geführte Schadennummer 00-030-502951-0002 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 25.07.2014 zu bezahlen.
3.         Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4.         Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten Ziffer 3) zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten Ziff. 1, 2 und 4 gesamtschuldnerisch zu tragen.
5.         Für den Kläger ist das Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar. Für die Beklagte Ziffer 3) ist das Urteil vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte Ziffer 3) vor Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags leistet.
 
T a t b e s t a n d
 
Der Kläger begehrt von den Beklagten Schadensersatz für einen Verkehrsunfall, der sich am 19.02.2014 auf der BAB 98 an der Autobahnausfahrt Lörrach-Mitte ereignete.
 
Der Kläger ist Eigentümer und Halter eines Pkw der Marke VW Golf IV.
 
Der Beklagte Ziffer 1) war am Unfalltag Fahrer, die Beklagte Ziffer 2) Halterin einer aus einer Zugmaschine und einem Sattelauflieger bestehenden MAN Lkw-Sattelzugkombination, welche zum Unfallzeitpunkt bei der in der in ---/Schweiz ansässigen --- Versicherung krafthaftpflichtversichert war. Der Beklagte Ziffer 4) ist die für Deutschland zuständige Einrichtung zur Abwicklung von Autohaftpflichtfällen im Rahmen des internationalen Grüne Karte Systems.
 
Am 19.02.2014 gegen 16.15 Uhr fuhren sowohl der Kläger mit seinem PKW als auch der Beklagte Ziffer 1) mit seinem Lkw-Sattelzug auf der BAB 98 von Rheinfelden in Richtung Lörrach.
 
Auf dem Ausfädelungsstreifen der Autobahnausfahrt Lörrach-Mitte kam es zu einer Kollision zwischen dem Lkw-Sattelzug und dem klägerischen PKW. Der Kläger war mit seinem Pkw bereits auf den Ausfädelungsstreifen der Autobahnausfahrt gewechselt, um an der Anschlussstelle Lörrach-Mitte die Autobahn zu verlassen, als der Beklagte Ziffer 1) mit seinem Lkw-Sattelzug von der rechten Fahrspur der Autobahn eine Fahrbewegung auf den Ausfädelungsstreifen ausführte und hierbei mit der hinteren rechten Flanke des Sattelaufliegers die linke Fahrzeugseite des PKW touchierte. Durch die Kollision entstand Sachschaden am PKW des Klägers, den dieser reparieren ließ. Für die notwendigen Reparaturarbeiten zahlte er 3.939,29 € (brutto). Für die erforderliche Schadensfeststellung durch einen Sachverständigen wendete er 678,60 € (brutto) auf. Im Reparaturzeitraum mietete der Kläger, dem kein anderes Fahrzeug zur Verfügung stand, vom 20.02.2014 bis zum 06.03.2014 einen Ford Fiesta als Ersatzfahrzeug. Hierfür entstanden ihm Kosten in Höhe von 535,50 € (brutto). Zuzüglich einer allgemeinen Unkostenpauschale in Höhe von 30,00 € beziffert der Kläger seinen aus dem Unfall resultierenden materiellen Schaden auf 5.183,93 €. Wenige Tage nach dem Unfallgeschehen mandatierte der Kläger seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Geltendmachung von Ersatzansprüchen. Die --- GmbH zahlte als Rechtsschutzversicherung des Klägers hierfür vorgerichtliche Rechtanwaltskosten in Höhe von 571,44 € und beauftragte und bevollmächtigte den Kläger einen diesbezüglichen Ersatzanspruch im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft im eigenen Namen geltend zu machen.
 
Der Kläger behauptet, der Beklagte Ziffer 1) habe den Unfall alleine schuldhaft versursacht. Der Kläger habe sich etwa 300 m vor der Ausfahrt ordnungsgemäß auf dem Ausfädelungsstreifen eingeordnet und die Geschwindigkeit reduziert, um die Autobahn zu verlassen. Der Beklagte Ziffer 1 sei mit seinem Lkw-Sattelzug zunächst neben ihm auf der rechten Autobahnspur weitergefahren, sei jedoch dann plötzlich und für den Kläger unvorhersehbar auf den Ausfädelungsstreifen ausgeschert, um den Kläger von der Straße zu drängen, nachdem es schon seit einigen Kilometer zuvor zu wechselseitigen Unstimmigkeiten über das jeweilige Fahrverhalten gekommen sei.
 
Der Kläger beantragt zuletzt,
1.         Die Beklagten Ziffer 1), 2 ) und 4) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 5.183,39€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 19.02.2014 zu bezahlen.
2.         Die Beklagten Ziffer 1), 2 ) und 4) werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die --- GmbH, dort geführte Schadennummer 00-030-502951-0002 vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
 
Die Beklagten Ziffer 1), 2 ) und 4) beantragen,
die Klage abzuweisen.
 
Die Beklagten Ziffer 1), 2 ) und 4) wenden ein, der Beklagte Ziffer 1) habe den bereits auf dem Ausfädelungsstreifen fahrenden klägerischen Pkw schon vollständig überholt gehabt, als er sich mit seinem Lkw-Sattelzug ebenfalls auf den Ausfädelungsstreifen einordnen wollte. Der Kläger habe - vermutlich, um den Beklagten Ziffer 1) wegen der vorangegangenen Unstimmigkeiten am Abfahren von der Autobahn zu hindern - auf dem Ausfädelungsstreifen jedoch beschleunigt, hierdurch wieder zum Sattelauflieger aufgeschlossen und den Unfall daher alleine selbst verschuldet. Die Beklagten Ziffer 1), 2 ) und 4) sind der Auffassung, dass jedenfalls die Höhe der Mietwagenkosten und Unfallpauschale übersetzt seien.
 
Der KIäger hat zunächst die eingeklagten Ansprüche auch gegen die Beklagte Ziffer 3) - die in Deutschland ansässige regulierungsbeauftragte Versicherung - geltend gemacht. Nach der mündlichen Verhandlung vom 08.12.2014 hat der KIäger mit Schriftsatz vom 14.01.2015 (AS 91 ff) die Klage gegen die Beklagte Ziffer 3) zurückgenommen und auf den Beklagten Ziffer 4) erweitert. Die Beklagte Ziffer 3 hat der Klagrücknahme mit Schriftsatz vom 09.02.2015 (AS 109ff) zugestimmt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.05.2015 hat die Klägerin ihren Klagantrag Ziffer 2) - mit Zustimmung der Beklagten Ziffer 1), Ziffer 2) und Ziffer 3) - entsprechend der oben dargestellten Form abgeändert (AS 195).
 
Das Gericht hat zum Unfallhergang den Kläger und den Beklagten Ziffer 1) persönlich angehört und hierzu durch Vernehmung der Zeugin --- und durch Einführung der schriftlichen Zeugenaussage der Zeugen --- und --- auch Beweis erhoben. Schließlich wurden die Akten der Staatsanwaltschaft Freiburg - Zweigstelle Lörrach 94 Js 3475114 beigezogen und zum Gegenstand des Rechtsstreits gemacht. Hinsichtlich des Beweisthemas und der Angaben der angehörten Parteien sowie der Zeugin --- wird auf die Protokofle der mündlichen Verhandlungen vom 08.12.2014 (71 - 87) und vom 18.05.2014 (AS 185 - 197)) Bezug genommen. Bezüglich der Angaben des Zeugen --- wird auf die Aktenseiten 151 bis 155, hinsichtlich der Angaben des Zeugen --- wird auf die Vernehmungsniederschrift in der beigezogenen staatsanwaltlichen Ermittlungsakte verwiesen.
 
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechseIten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
 
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
 
Die Klage ist mit den zuletzt gestellten Anträgen vor dem Hintergrund von § 263 ZPO zulässig. Die Erweiterung der Klage auf die Beklagte Ziffer 4) war angesichts des Umstands, dass derselbe Streitstoff betroffen war, sachdienlich. In die Änderung des Klagantrags Ziffer 2) im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 18.05.2015 wurde durch die Beklagten Ziffer 1), Ziffer 2) und Ziffer 4) eingewilligt.
 
Die Klage ist auch ganz überwiegend begründet.
 
1. Der Beklagte Ziffer 1) haftet gemäß 18 Abs. 1 StVG, die Beklagte Ziffer 1) nach § 7 Abs. 1 StVG und die Beklagte Ziffer 4) aus 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 4 WG in Verbindung mit § 6 Abs. 1 AuslPfIVersG dem Grunde nach zu 100% für die Folgen des Verkehrsunfalls.
 
Die Verpflichtung zum Schadenersatz und dessen Umfang hängt im Verhältnis der Unfallbeteiligten zueinander gemäß §§ 18 Abs. 3, 17 Abs. 1, 2 StVG von den Unfallumständen ab - insbesondere davon, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden ist. Bel der Abwägung der UnfaIlbeiträge entscheidet das Gewicht der von den Beteiligten gesetzten Schadensursachen (BGH VR 69, 832). Dabei kommen auch Schuldgesichtspunkte zum Tragen (BGH VR 57, 585). Im Rahmen der Vorschrift des § 17 Abs. 1 StVG dürfen nur Umstände berücksichtigt werden, die erwiesenermaßen ursächlich für den Schaden geworden sind (vgl. BGH, VersR 1982, 442 = NJW 1982, 1149; KG, NZV 1999, 85, 86 = KG Report 1999, 315, 318; KG, NVZ 2000, 377, (378) = KG Report 2000, 135, (136)).
 
a) Nach Durchführung der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Unfall jedenfalls durch einen fahrlässigen Verstoß des Beklagten Ziff. 1 gegen § 9 Satz 4 StVO verursacht wurde, da er nicht ausreichend auf den klägerischen Pkw, der sich als nachfolgender Verkehr bereits auf dem Ausfädelungsstreifen befand, geachtet hat.
Bel Ein- und Ausfädelungsfahrstreifen einer Autobahn handelt es sich um die gleiche Straße, aber um getrennte selbstständige Fahrbahnen (OLG Hamm, Urt. V. 25.07.2011 —6 U 19/11, Rn. 9) Wer von der Autobahn ausfährt, ändert daher seine Fahrtrichtung und hat dies rechtzeitig anzukündigen (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 42. Auflage, § 18. Rn. 28) und den nachfolgenden Verkehr zu beachten, § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO.
 
Gegen diese Anforderungen hat der Beklagte Ziffer 1) verstoßen, als er mit seinem Sattelzug eine Fahrbewegung von der rechten Fahrspur der Autobahn auf den Ausfädelungsstreifen ausführte und hierbei mit dem klägerischen Pkw kollidierte. So hat der Beklagte Ziffer 1) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung offen und glaubwürdig berichtet, dass er nach den vorangegangen Unstimmigkeiten mit dem Kläger von der linken auf die rechte Autobahnfahrspur erst hinüberwechselte, als der Ausfädelungsstreifen der Anschlussstelle Lörrach-Mitte bereits begonnen hatte. Weiter schilderte er eindrücklich, wie er vor Einleitung seiner Lenkbewegung in Richtung des Ausfädelungsstreifens von dem Eindruck erfasst wurde, dass die verbleibende Fahrstrecke, um auf den Ausfädelungsstreifen zu gelangen, zu kurz sein könnte, so dass er sich noch einmal über den linken Aussenspiegel vergewisserte, ob er notfalls auf den rechten Fahrstreifen der Autobahn zurückkehren könnte und erst anschliessend - ohne weiteren, erneuten Blick in den rechten Aussenspiegel - nach rechts steuerte.
 
Schon nach diesen eigenen Schilderungen des Beklagten Ziffer 1) gelangte das Gericht zu der Überzeugung, dass dieser seinen Ausfahrvorgang - zumal mit einem Lkw-Sattelzug - erheblich zu spät eingeleitet hatte und damit nicht mehr die notwendige Aufmerksamkeit aufbringen konnte, um den nach § 9 Abs. 1 Satz 4 StVO im Augenblick vor der Lenkbewegung nach rechts gebotenen Blick ("nochmals vor dem Abbiegen") in den rechten Aussenspiegel zum Schutz des nachfolgenden Verkehrs zu tätigen.
 
b) Dagegen ließ sich weder durch die persönliche Anhörung der Parteien noch durch die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts nachweisen, dass der Kläger - wie von Beklagtenseite behauptet - unter Verstoß gegen § 7a Abs. 3 Satz 1 StVO auf dem Ausfädelungsstreifen beschleunigt hat. Der Kläger hat ein solches Fahrverhalten entschieden abgestritten. Der Beklagte Ziffer 1) hat offen eingeräumt, dass er einen Beschleunigungsvorgang des klägerischen Pkw nicht beobachtet habe, dies lediglich aus dem Unfallgeschehen folgern könne. Weder die schriftlichen Angaben des Zeugen --- - einem typischen ,,Knallzeugen" - noch des Zeugen ---, der in einem hinter dem Sattelzug herfahrenden Lkw freie Sicht auf das Geschehen hatte, enthielten greifbare Anhaltspunkte für einen Beschleunigungsvorgang des klägerischen Pkw (Zeuge ---: ,,Ob der Golf in dieser Sache jetzt bremste oder Gas gab, weiß ich nicht mehr"). Schließlich bestätigte vielmehr die Zeugin ---, Arbeitskollegin und Beifahrerin des Klägers zum Unfallzeitpunkt, die Schilderungen des Klägers, wonach dieser auf dem Ausfädelungsstreifen verzögert, nicht beschleunigt habe. Nach alledem war eine Überzeugungsbildung zu einem schuldhaften Verursachungsbeitrag des Klägers nicht möglich.
 
c) Da der Beklagte Ziff. 1 den Wechsel auf den Ausfädelungsstreifen eingeleitet hat, obwohl er erkannt hatte, dass der Weg und die Zeit, die ihm für das Fahrmanöver zur Verfügung stehen, äußerst knapp bemessen ist, hat er die im Straßenverkehr erforderliche Sorgfalt und Rücksichtnahme in besonderem Maße verletzt. Vor diesem Hintergrund tritt die dem Kläger regelmäßig im Rahmen der §§ 9, 17 StVG anzulastende Betriebsgefahr seines Pkw vollständig zurück, zumal die erhöhte Betriebsgefahr des Sattelzuges, die sich in der konkreten Unfallsituation durch die Unübersichtlichkeit des langen Lkw niedergeschlagen hat, zu berücksichtigen ist.
 
2. Der Höhe nach sind die aufgewendeten Reparatur- und Gutachterkosten in Höhe von 3.939,29 € und 678,60 € in voller Höhe ersatzfähig. Hinsichtlich der aufgewendeten Mietwagenkosten für einen Ford Fiesta - einem angemessenen Ersatzfahrzeug für einen 12 Jahre alten VW Golf - und angesichts einer notwendigen Mietdauer von 10 Tagen, einer Eigenersparnis von 5% und unter Berücksichtigung des unstreitigen arithmetischen Mittels aus Fraunhofer- und Schwackemietpreisliste gelangt die Kammer gemäß § 287 ZPO (LG Freiburg NZV 2013, 147) zu ersatzfähigen Kosten in Höhe von 488,96 €. Gemäß § 287 ZPO ist schließlich eine Unkostenpauschale in Höhe von auf 25,- € zu zahlen. Aus den vorgenannten Beträgen ergibt sich die zuerkannte Ersatzssumme in Höhe von 5.131,85 €.
 
3. Der Anspruch auf Erstattung der für die notwendige vorgerichtliche Vertretung des Klägers durch die --- GmbH verauslagten nicht anrechenbaren außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 571,44 € ergibt sich ebenfalls aus §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, § 823 Abs. 1 BGB, § 6 AusIPfIVG und konnte in gewillkürter Prozessstandschaft durch den Kläger in der zuerkannten Form geltend gemacht werden.
 
4. Der vom Kläger im Rahmen von Klagantrag Ziffer 1) geltend gemachte Zinsanspruch ist nach den §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB ab dem 24.05.2014 begründet. Die mit Schreiben vom 15.05.14 (Anlage K 6) gesetzte Zahlungsfrist für die angemahnten Ersatzansprüche war mit dem 23.05.20 14 erfolglos abgelaufen. Bezüglich Klagantrag Ziffer 2) folgt der Zinsanspruch aus §§ 288 Abs. 1, 291 BGB.
 
Der Kläger hat die Klage gegenüber der Beklagten Ziffer 3 mit deren Zustimmung zurückgenommen. Gemäß § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO hat der Kläger daher die außergerichtIichen Kosten der Beklagten Ziffer 3 zu tragen. Im Übrigen tragen die Beklagten Ziff. 1, 2, und 4 die Kosten des Rechtsstreits gesamtschuldnerisch nach §§ 91, 92 II Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorIäufige Vollstreckbarkeit beruht für den Kläger auf § 709 ZPO und für die Beklagte Ziff. 3 auf den §§ 708 Nr. 11,711 ZPO.
 
---
Richter am Landgericht
 
Verkündet am 26.06.2015
 
---, JAng'e
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
 
Beglaubigt   
Freiburg im Breisgau, 30.06.2015          
 
---       
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle    

Verkehrsrecht - 2000 € Schmerzensgeld für Schleudertrauma (LG Freiburg, 03.06.2015)

Erfolg für die Kanzlei im Rebland vor dem Landgericht Freiburg

Schleudertrauma nach Verkehrsunfall - Schmerzensgeld von 2.000,00 € gerechtfertigt 
 
Das Landgericht Freiburg hat in einer bemerkenswerten Entscheidung die Rechte von Unfallopfern gestärkt und einer Frau, die bei einem unverschuldeten Verkehrsunfall eine Halswirbelsäulen-Distorsion (sog. Schleudertrauma) erlitten hat, ein vergleichsweise hohes Schmerzensgeld zugesprochen:



Aktenzeichen:
2 O 45/15.    
 
Landgericht Freiburg im Breisgau
 
Im Namen des Volkes
 
V e r s ä u m n i s u r t e i l
 
In dem Rechtsstreit
 
---, ---, 79418 Schliengen              - Klägerin -
 
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 288/14
 
gegen
 
--- S.A., vertreten durch den Vorstand, ---, 75724 Paris ---, Frankreich  - Beklagte -
 
wegen Schadensersatz
 
hat das Landgericht Freiburg im Breisgau - 2. Zivilkammer - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. --- als Einzelrichter am 03.06.2015 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 331 Abs. 3 Zivilprozessordnung für Recht erkannt:
 
1.        
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 2.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.09.20 14 zu bezahlen.
 
2.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 18.03.2015 zu bezahlen.
 
3.        
Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit im Übrigen erledigt hat.
 
4.        
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
 
5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
 
6.        
Die Einspruchsfrist wird auf zwei Wochen festgesetzt.
 
 
T a t b e s t a n d   u n d   E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Die Klägerin macht Schadensersatz und Schmerzensgeld aus einem Verkehrsunfall gegen den französischen Haftpflichtversicherer des Pkws mit dem amtlichen Kennzeichen --- geltend, der sich am 29.09.2014 gegen 22.30 Uhr in der Nähe des Flughafens Basel-Mulhouse in Frankreich ereignet hat. Der Fahrer des genannten Pkws fuhr auf den Pkw der Klägerin auf. Halter des französischen Pkws war zum Unfallzeitpunkt Herr ---, --- Rue ---, 68200 ---. Der Klägerin entstand Sachschaden in Höhe von insgesamt 3.909,10 €, den die Beklagte inzwischen beglichen hat. Bei dem Unfall wurde sie verletzt und erlitt eine Halswirbelsäulen-Distorsion.
 
Das Gericht hat das schriftliche Vorverfahren angeordnet und die Beklagte aufgefordert, ihre Verteidigungsabsicht binnen einer Notfrist von 2 Wochen ab Zustellung der Klageschrift, die am 18.03.2015 zugestellt wurde, anzuzeigen, was die Beklagte nicht getan hat.
Nach § 331 Abs. 3 ZPO ist ein schriftliches Versäumnisurteil zu erlassen. Das Klagevorbringen rechtfertigt die geltend gemachten Ansprüche.
 
Die Zinsentscheidungen beruhen auf §§ 291, 288 Abs. 1, 286 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 1 ZPO.
 
Rechtsbehelfsbelehrung:
 
---
 
Dr. ---
Vorsitzender Richter am Landgericht
 
Anstelle der Verkündung zugestellt an
die Klagepartei am
die beklagte Partei am
 
---, JAng'e
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
 

Verkehrsrecht - StVO gilt nicht auf privatem Betriebsgelände (AG Müllheim, 18.03.2015)

Klage der Kanzlei im Rebland vor dem Amtsgericht Müllheim erfolgreich

Verkehrsunfall auf Betriebsgelände - Versicherung muss Schadensersatz leisten 
 
Auf privaten Parkplätzen und Betriebsgeländen gelten unter Umständen besondere Verkehrsregeln. Das hat das Amtsgericht Müllheim in einem interessanten Urteil klargestellt und einer Klage der Kanzlei im Rebland überwiegend stattgegeben:


Aktenzeichen: 8 C 72/14
 
Amtsgericht Müllheim
 
Im Namen des Volkes
 
U r t e i l
 
In dem Rechtsstreit
 
---, ---, 79418 Schliengen
- Kläger-
 
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen, Gz.: 243/13
 
gegen
 
1) --- GmbH, vertr.d.d. GF ---, ---, 79395 Neuenburg am Rhein
- Beklagte -
 
2) --- Versicherungsgeseilschaft, vertr.d.d. Vorstand, Direktion für Deutschland, ---, 60311 Frankfurt, ---
- Beklagte -
 
3) ---, ---, 67065 Ludwigshafen am Rhein
- Beklagter -
 
Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte ---, ---, 35390 Gießen,
ProzessbevoIImächtigte zu 3:
Rechtsanwälte ---, ---, 35390 Gießen,
 
wegen Schadensersatz
 
hat das Amtsgericht Müllheim durch den Richter am Amtsgericht --- am 11.03.2015 auf Grund des Sachstands vom 06.03.2015 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO
 
f ü r   R e c h t  e r k a n n t :
 
1. Die Beklagten werden verurteilt als Gesamtschuldner an den Kläger 1.882,36 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.12.2013 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten iH.v. 255,85 € nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.3.2014 zu bezahlen.
 
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
 
3. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 1/3, die Beklagten 2/3.
 
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger allerdings nur gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. ]hm wird nachgelassen, die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung i.H.v.110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
 
T a t b e s t a n d
 
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 1.8.2013 auf dem Betriebsgelände der --- GmbH in Müllheim ereignet hat.
 
Die Ehefrau des Klägers fuhr mit dessen PKW aus einer Halle auf dem Betriebsgelände der --- GmbH, es kam zur Kollision mit dem Fahrzeug der Beklagten Ziff. 1, welches bei der Beklagten Ziff. 2 haftpflichtversichert ist und dass vom Beklagten Ziff. 3 gesteuert wurde. Der Drittbeklagte war kurz vorher auf das Betriebsgelände der --- GmbH gefahren.
 
Der Kläger trägt vor, dass der Drittbeklagte mit überhöhter Geschwindigkeit auf dem Betriebsgelände unterwegs gewesen sei, wobei er den Pkw des Klägers übersehen habe. Nach Auffassung des Klägers war das Unfallgeschehen für seine Ehefrau unvermeidbar.
 
Die Reparaturkosten des Fahrzeuges betrugen 2.793,54 €, außerdem macht der Kläger eine Unkostenpauschale i.H.v.30€ geltend. Für die außergerichtliche lnanspruchnahme der Bemühungen des Prozessbevollmächtigten des Klägers mussten 334,75 € aufgewendet werden, so dass der Kläger beantragt:
 
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt an den Kläger 2.823,54 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozent über dem Basiszinssatz hieraus zu bezahlen.
 
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 334,75 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
 
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
 
Sie bestreiten die klägerische Unfallschilderung und tragen vor, dass das klägerische Fahrzeug beim Rückwärtssetzen aus der Halle gegen das stehende Fahrzeug der Beklagtenseite gefahren sei. Von daher sei das Unfallgeschehen ausschließlich auf das Verschulden des klägerischen Fahrzeugführers zurückzuführen, der nicht die gebotene Sorgfalt beim Rückwärtsfahren beachtet habe. Für die Beklagtenseite hingegen sei das Unfallgeschehen unvermeidbar gewesen.
 
Bezüglich des weiteren Vortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
 
Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen --- und ---, diesbezüglich wird auf das Protokoll vom 6.8.2014 verwiesen. Außerdem wurde ein Sachverständigengutachten zum Unfallhergang eingeholt, diesbezüglich wird auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. --- in seinem Gutachten vom 22.12.2014 Bezug genommen.
 
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
 
Die Klage ist zulässig, allerdings nur zu einem Teil begründet. Im Hinblick auf die Verschuldensanteile der Beteiligten erschien hier die Bildung einer Haftungsquote von einem Drittel zu zwei Drittel zu Lasten der Beklagten angemessen.
 
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass hier sowohl die Zeugin --- als auch der Drittbeklagte gegen ihre gemäß § 1 Abs. 2 StVO bestehenden Pflichten verstoßen haben.
 
Zunächst ist hier zu beachten, dass der streitgegenständliche Unfall nicht im öffentlichen Straßenverkehr sondern auf einem Betriebsgelände stattgefunden hat, von daher gilt das Regelungssystem der Straßenverkehrsordnung hier im wesentlichen nicht, insbesondere können sich die Beteiligten hier weder auf Vorfahrtsrechte oder konkrete Geschwindigkeitsbeschränkungen noch Beispielsweise auf das allgemeine Rechtsfahrgebot berufen; auf derartigen Verkehrsflächen gilt grundsätzlich lediglich das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß dem oben genannten § 1 Abs. 2 StVO. Nach dieser Vorschrift haben sich Verkehrsteilnehmer so zu verhalten, dass niemand geschädigt oder gefährdet oder über das vermeidbare Maß hinaus behindert oder belästigt wird.
 
Der Sachverständige hat festgestellt, dass das Fahrzeug des Drittbeklagten auf dem Gelände mit einer Geschwindigkeit von 20-25 km/h unterwegs gewesen ist. Diese Feststellungen des Sachverständigen finden ihre Stütze auch in der Aussage des Zeugen ---, der erklärt hatte, dass der Fahrer des Paketdienstes bereits auf der Straße mit einer ganz erheblichen Geschwindigkeit von nach seiner Schätzung 70 km/h unterwegs gewesen war und auch auf dem Parkplatzgelände noch eine nicht unerhebliche Geschwindigkeit gehalten hatte. Auf Parkflächen und Betriebsgeländen muss jederzeit mit rangierenden oder ausparkenden Fahrzeugen gerechnet werden, so dass die hier von Beklagtenseite zu verantwortende Geschwindigkeit von 20 km/h definitiv überhöht gewesen ist.
 
Der Sachverständige hat insoweit als ,,übliche Parkplatzgeschwindigkeit einen Wert von 10 km/h angegeben, der sicherlich grundsätzlich nachvollziehbar ist, allerdings ist in jedem Falle auch die Sicht- und Verkehrssituation zu beachten, so dass sie tatsächlich einzuhaltende Geschwindigkeit durchaus auch wesentlich darunter liegen kann.
 
Der Sachverständige hat auch ausgeführt, dass im Hinblick auf die Sichtverhältnisse und die aus Parkgeschwindigkeit der Zeugin --- der Unfall vermeidbar gewesen wäre, sofern der Drittbeklagte mit angepasster Geschwindigkeit das Betriebsgelände der --- GmbH befahren hätte. Im Hinblick auf die Überschreitung der angepassten Geschwindigkeit liegt hier ein unfallursächlicher Verstoß gegen das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme und gegen das Gefährdungsverbot des § 1 Abs. 2 StVO vor.
 
Weiter ist zu beachten, dass nach den Feststellungen des Gutachters davon auszugehen ist, dass bei entsprechender Sorgfalt für den Drittbeklagten hätte erkennbar sein können, dass die Zeugin --- mit dem Fahrzeug des Klägers rückwärts aus der Betriebshalle aus parkt. Nach den Berechnungen des Sachverständigen hat der Fahrer des Beklagten Fahrzeuges ab dem Einfahren auf das Betriebsgelände bis zur Kollision einer Fahrstrecke von Ga. 20 m zurückgelegt, wofür er insgesamt eine Zeit von Ga. 3,2 s gebraucht hatte. Der Sachverständige hat weiter berechnet, dass die Zeugin --- etwa 1,7 s vor der Kollision mit dem Heck ihres PKW rückwärts aus der Betriebshalle ausgefahren ist. Damit wäre der Drittbeklagte bei Beginn des Ausparkvorgangs noch ca. 10 m von dem Fahrzeug des Klägers entfernt gewesen, als der Ausparkvorgang begonnen hatte. Berücksichtigt man jetzt noch dass die Halle praktisch halb offen ist, wäre bei entsprechender Sorgfalt für den Drittbeklagten bemerkbar gewesen, dass die Zeugin --- ausparkt; ein Ausweichen oder eine Vollbremsung wäre möglich gewesen, so dass trotz der Geschwindigkeitsüberschreitung der Unfall vermieden worden wäre. Auch unter diesem Gesichtspunkt liegt ein weiterer Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme vor.
 
Auch die Zeugin --- hat gegen die vorgenannte Vorschrift verstoßen. Auch wenn § 9 Abs. 5 StVO unter Umständen auf Parkplätzen keine direkte Anwendung finden mag, SO fließen die gesteigerten Sorgfaltspflichten des rückwärtsfahrenden in jedem FaIl auch in das genannte allgemeine Rücksichtsgebot ein (vgl. z.B. LG Heidelberg, Urteil vom 13. Januar 2015-2 S 8/14—, juris m.w.N.).
 
Es ist anerkannt, dass bei einer Kollision während des Zurücksetzens der Anschein für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden spricht. Dies gilt auch, wenn sich der Unfall auf einem Parkplatz ereignet hat (OLG Hamm, Urteil vom 11. September 2012— 1-9 U 32/12,9 U 32/12 —, juris; Burmann/He,/Jahnke/Janker,Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. § 9 StVO Rn 69).
 
Der Sachverständige hat festgestellt, dass der Unfall auch für die Klägerseite ohne weiteres vermeidbar gewesen wäre, wenn sie äußerst langsam rückwärts aus der Betriebshalle ausgefahren wäre und sich während des Rückwärtsfahrvorganges laufend umfassend über den hinter ihr befindlichen Verkehr vergewissert hätte. Wenn sie sich so verhalten hätte, hätte sie das Fahrzeug der Beklagten so rechtzeitig sehen können dass sie bei frühest mögliche Reaktion ihr Fahrzeug noch hätte anhalten und das Unfallgeschehen vermeiden können. Gerade dies hat die Zeugin letztlich offensichtlich auch nicht getan, denn anderenfalls wäre nach den Feststellungen des Sachverständigen auch im Hinblick auf die überhöhte Geschwindigkeit des beklagten Fahrzeuges der Unfall vermieden worden. Nach der Aussage der Zeugin --- war dieser im übrigen auch bekannt gewesen, dass auf das Betriebsgelände fahrende Kraftfahrzeuge häufig zuerst nach rechts in Richtung der Halle fahren, aus der die Zeugen ausparken wollte, um den gleichen Kreis zu beschreiben, den der Fahrer des Beklagtenfahrzeugs hätte fahren wollen. Von daher hatte auch die Zeugen --- grundsätzlich jederzeit damit zu rechnen, dass hinter ihrem ausparkenden Fahrzeug andere Kraftfahrzeuge erscheinen können, die über das Betriebsgelände fahren. Von daher durfte das Zurücksetzen des klägerischen Fahrzeugs in der Rückwärtsbewegung nur mit äußerster Sorgfalt unter Beachtung der vom Sachverständigen genannten Grundsätze erfolgen.
 
Nicht bestätigt wird nach den Ausführungen des Sachverständigen die Behauptung der Beklagten, dass das Fahrzeug der Beklagten zum Unfallzeitpunkt gestanden habe, nach den Feststellungen des Sachverständigen geht das Gericht davon aus, dass beide Fahrzeuge in Bewegung gewesen sind, wobei das Fahrzeug der Beklagtenseite die deutlich höhere Geschwindigkeit aufgewiesen hatte.
 
Unter Berücksichtigung der wechselseitigen Pflichtverstöße erscheint hier einer Haftungsteilung von einem Drittel zu zwei Drittel angemessen.
 
Im Hinblick darauf dass die Schadenshöhe unstreitig 2.823,54 € betragen hat, waren die Beklagten folglich verpflichtet zwei drittel hiervon, nämlich 1.882,36 € zu tragen; der Anspruch des Klägers beruht insoweit auf den §§ 7, 17 StVG; 115 VVG. Vorgerichtliche Anwaltskosten waren grundsätzlich ebenfalls erstattungsfähig, allerdings entsprechend den vorstehenden Ausführungen nur aus einem Streitwert bis zu 2000 €, insoweit belaufen sich die erstattungsfähigen Rechtsanwaltskosten auf 255,85 €.
 
Hinsichtlich der weitergehenden Forderungen war die Klage abzuweisen Verzugszinsen sind in gesetzlicher Höhe gemäß den §§ 286, 288 BGB ab dem 20.12.2013 erstattungsfähig, das Anwaltsschreiben vom 6.12.2013 stellt letztlich im Hinblick auf die erneute Aufforderung zur Leistung eine Mahnung im Rechtssinne dar, allerdings enthält dieses Schreiben letztlich auch eine Zahlungsfrist auf den 19.12.2013, so dass die Beklagtenseite nicht bereits mit Zugang dieses Mahnschreibens in Verzug geraten ist sondern erst nach fruchtlosem Ablauf der rechtlich als Stundung zu wertenden Zahlungsfrist.
 
Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus den §§ 92, 708 Nr. 11, 711, 709 ZPO.
 
---
Richter am Amtsgericht
Beglaubigt
Müllheim, 18.03.2015
---
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
 

Mietrecht - Unrenovierte Mietwohnung - keine Renovierungspflicht (BGH, 18.3.2015)

Änderung der Rechtsprechung zu Formularklauseln bei Schönheitsreparaturen

(Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 39/2015 vom 18.03.2015)

formularmäßige Quotenabgeltungsklauseln unwirksam

formularmäßige Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter bei unrenoviert übergebener Wohnung unwirksam

Der u.a. für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich heute in drei Entscheidungen mit der Wirksamkeit formularmäßiger Renovierungs- und Abgeltungsklauseln beschäftigt.

Durch Renovierungsklauseln (auch Vornahme- oder Abwälzungsklauseln genannt) wird die (als Teil der Instandhaltungspflicht nach § 535 BGB grundsätzlich dem Vermieter obliegende) Pflicht zur Vornahme der Schönheitsreparaturen auf den Mieter abgewälzt. (Quoten-)Abgeltungsklauseln erlegen dem Mieter die Pflicht zur anteiligen Tragung von Kosten der Schönheitsreparaturen für den Fall auf, dass die Wohnung am Ende des Mietverhältnisses Abnutzungs- oder Gebrauchsspuren aufweist, die Schönheitsreparaturen aber nach dem in der Renovierungsklausel festgelegten Fristenplan noch nicht fällig sind.

Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat nunmehr – wie bereits im Hinweisbeschluss vom 22. Januar 2014 (VIII ZR 352/12, WuM 2014, 135) erwogen - seine frühere Rechtsprechung aufgegeben, dass die Schönheitsreparaturen auch bei einer zu Mietbeginn dem Mieter unrenoviert überlassenen Wohnung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auf den Mieter übertragen werden können (dazu grundlegend BGH, Rechtsentscheid vom 1. Juli 1987 – VIII ARZ 9/86, BGHZ 101, 253, 264 ff.).
Auch an seiner weiteren (früheren) Rechtsprechung zur Wirksamkeit formularmäßiger Quotenabgeltungsklauseln (dazu grundlegend BGH, Rechtsentscheid vom 6. Juli 1988 – VIII ARZ 1/88, BGHZ 105, 71, 84 ff.; Urteil vom 26. September 2007 – VIII ZR 143/06, NJW 2007, 3632 Rn. 20) hält der Senat nach den heutigen Entscheidungen nicht mehr fest.

Weiterhin maßgeblich ist allerdings der Ausgangspunkt auch der früheren Rechtsprechung des Senats, dass der Mieter nur zu den auf seine eigene Vertragszeit entfallenden Renovierungsleistungen verpflichtet werden darf. Er darf zur Vermeidung einer unangemessenen Benachteiligung - jedenfalls nicht ohne Gewährung eines angemessenen Ausgleichs durch den Vermieter - formularmäßig nicht mit der Beseitigung von Gebrauchsspuren der Wohnung belastet werden, die bereits in einem vorvertraglichen Abnutzungszeitraum entstanden sind.

Bei Erlass der oben genannten Rechtsentscheide aus den Jahren 1987 und 1988 entsprach es noch der Praxis des Bundesgerichtshofs, den Anwendungsbereich Allgemeiner Geschäftsbedingungen unter Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) in einer Weise einzuschränken, die nach heutiger Sichtweise als unzulässige geltungserhaltende Reduktion einer Klausel auf den gerade noch zulässigen Inhalt eingestuft würde (vgl. Rechtsentscheid vom 6. Juli 1988 - VIII ARZ 1/88, aaO S. 87 f.). Dem damaligen Verständnis lag die Vorstellung zugrunde, dass der Mieter nur mit Renovierungsarbeiten für seine eigene Vertragslaufzeit belastet würde, wenn die "üblichen" Renovierungsfristen im Falle der Überlassung einer unrenovierten Wohnung an den Mietbeginn anknüpften.

Hieran hält der Senat angesichts der weiteren Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Maßstäben der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen nicht fest. Insbesondere durch die ab 2004 einsetzende Rechtsprechung des Senats zum Erfordernis eines flexiblen Fristenplans (grundlegend Senatsurteil vom 23. Juni 2004 – VIII ZR 361/03, NJW 2004, 2586 unter II 2) und durch die Anwendung der kundenfeindlichsten Auslegung auch im Individualprozess (dazu Senatsurteil vom 29. Mai 2013 – VIII ZR 285/12, NJW 2013, 2505 Rn. 20 mwN) sind die Maßstäbe der Inhaltskontrolle Allgemeiner Geschäftsbedingungen erheblich verschärft worden.

Gemessen daran ist eine Formularklausel, die dem Mieter einer unrenoviert übergebenen Wohnung die Schönheitsreparaturen ohne angemessenen Ausgleich auferlegt, unwirksam (§ 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB). Denn eine solche Klausel verpflichtet den Mieter zur Beseitigung sämtlicher Gebrauchsspuren des Vormieters und führt – jedenfalls bei kundenfeindlichster Auslegung – dazu, dass der Mieter die Wohnung vorzeitig renovieren oder gegebenenfalls in einem besseren Zustand zurückgeben müsste als er sie selbst vom Vermieter erhalten hat.

In dem Verfahren VIII ZR 185/14, in dem die Vorinstanzen der auf Schadensersatz wegen unterlassener Schönheitsreparaturen gerichteten Klage überwiegend stattgegeben hatten, hat der Bundesgerichtshof unter Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts abschließend entschieden, dass die Klage wegen unterlassener Schönheitsreparaturen (insgesamt) abgewiesen wird. Die formularmäßige Abwälzung der Schönheitsreparaturen auf die beklagten Mieter ist unwirksam, denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts waren bei Mietbeginn in drei Zimmern Streicharbeiten erforderlich, so dass die Mieter bei Nutzungsbeginn eine unrenovierte Wohnung übernommen hatten. Der ihnen zu Mietbeginn gewährte Nachlass von lediglich einer halben Monatsmiete stellt in diesem Fall keinen angemessenen Ausgleich dar.

Im Verfahren VIII ZR 242/13, in dem das Berufungsgericht dem Vermieter den begehrten Schadensersatz wegen nicht ausgeführter Schönheitsreparaturen zugesprochen hatte, hat der Bundesgerichtshof die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen, damit die – vom Mieter zu beweisende Frage - geklärt werden kann, ob die Wohnung zu Vertragsbeginn unrenoviert übergeben worden und die Abwälzung der Schönheitsreparaturen deshalb unwirksam ist. Dabei kommt es (wie in dem Verfahren VIII ZR 185/14 näher ausgeführt wird) für die Abgrenzung renoviert/unrenoviert letztlich darauf an, ob etwa vorhandene Gebrauchsspuren so unerheblich sind, dass die Mieträume im Zeitpunkt der Überlassung den Gesamteindruck einer renovierten Wohnung vermitteln; dies hat der Tatrichter unter umfassender Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu entscheiden.

In dem Verfahren VIII ZR 242/13 hat der Senat zusätzlich entschieden, dass ein – von der klagenden Vermieterin hilfsweise geltend gemachter - Anspruch auf anteilige Kostentragung nach einer Quotenabgeltungsklausel nicht besteht.
Auch bei der Quotenabgeltungsklausel hatte der Senat ursprünglich eine Bemessung des vom Mieter zu tragenden Anteils nach "starren" Fristen für zulässig erachtet (Rechtsentscheid vom 6. Juli 1988 aaO) und dies später (Urteil vom 26. September 2007, aaO Rn.17 f., 29) dahin modifiziert, dass derartige Klauseln (nur dann) der Inhaltskontrolle standhielten, wenn sie den vom Mieter zu zahlenden Anteil nach dem Verhältnis zwischen der Mietdauer seit Durchführung der letzten Schönheitsreparaturen und dem Zeitraum bemessen würden, nach dem bei einer hypothetischen Fortsetzung aufgrund des Wohnverhaltens des Mieters voraussichtlich Renovierungsbedarf bestünde.

Im Hinweisbeschluss vom 22. Januar 2014 (VIII ZR 352/12, aaO) hatte der Senat bereits Bedenken angedeutet, ob eine Berechnung des vom Mieter zu tragenden Anteils an den Renovierungskosten anhand einer hypothetischen Fortsetzung seines bisherigen Wohnverhaltens der Inhaltskontrolle standhält. Diese Bedenken hat der Senat nunmehr für durchgreifend erachtet und unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden, dass eine - zur Unwirksamkeit der Abgeltungsklausel nach § 307 Abs. 1 Satz 1, 2 BGB führende - unangemessene Benachteiligung des Mieters darin liegt, dass der auf ihn entfallende Kostenanteil nicht verlässlich ermittelt werden kann und für ihn bei Abschluss des Mietvertrags nicht klar und verständlich ist, welche Belastung gegebenenfalls auf ihn zukommt. Dies gilt unabhängig davon, ob die Wohnung dem Mieter zu Beginn des Mietverhältnisses renoviert oder unrenoviert überlassen wurde.

In dem Verfahren VIII ZR 21/13 hat der Bundesgerichtshof die Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt, das eine Schadensersatzpflicht des Mieters wegen unterlassener Schönheitsreparaturen schon deshalb verneint hatte, weil die verwendete Formularklausel zum Teil auf "starre" Fristen abstellt und deshalb insgesamt unwirksam ist. Auf die Frage, ob die Wohnung bei Vertragsbeginn renoviert übergeben worden war, kam es aus diesem Grund in diesem Verfahren nicht mehr an.

Urteile vom 18. März 2015 – VIII ZR 185/14; VIII ZR 242/13; VIII ZR 21/13
VIII ZR 185/14
LG Berlin - Urteil vom 25. Juni 2014 - 65 S 388/13
AG Tempelhof, Urteil vom 9. August 2013 – 22 C 57/12
VIII ZR 242/13
LG Hannover, Urteil vom 10. Juli 2013 – 12 S 9/13
AG Hannover, Urteil vom 3. Januar 2013 – 510 C 12173/11
VIII ZR 21/13
LG Berlin, Urteil vom 14. Dezember 2012 – 63 S 179/12
AG Mitte, Urteil vom 10. Januar 2012 – 14 C 64/11

Karlsruhe, den 18. März 2015

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

WEG-Recht - Wechsel d. Bodenbelags bei Einhaltung der DIN ist o.k. (BGH, 27.02.2015)

Wechsel des Bodenbelags und Schallschutz in der Wohnungseigentümergemeinschaft

(Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 26/2015 vom 27.02.2015) 

Der Bundesgerichtshof hat sich heute mit der Frage befasst, welches Schallschutzniveau ein Wohnungseigentümer einhalten muss, der den vorhandenen Bodenbelag (Teppichboden) in seiner Wohnung durch einen anderen (Parkett) ersetzt.

Die Parteien in dem zugrunde liegenden Verfahren sind Wohnungserbbauberechtigte. Die Beklagten erwarben das über der Wohnung der Kläger liegende Appartement im Jahr 2006. In dem Anfang der Siebzigerjahre errichteten Hochhaus befinden sich ein großes Hotel und 320 Appartements, für die jeweils Wohnungserbbaurechte bestehen. Im Jahr 2006 ließen die Beklagten den vorhandenen Teppichboden entfernen und Parkett einbauen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Begründung, der Trittschall habe sich durch den Wechsel des Bodenbelags erhöht.

Das Amtsgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt, in ihrer Wohnung anstelle des Parketts Teppichboden oder einen in der Trittschalldämmung gleichwertigen Bodenbelag zu verlegen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Der unter anderem für das Wohnungseigentumsrecht zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Abweisung der Klage bestätigt. Rechtlicher Maßstab für die zwischen den Wohnungseigentümern hinsichtlich des Schallschutzes bestehenden Pflichten ist § 14 Nr. 1 WEG*. Die Kläger werden durch den Wechsel des Bodenbelags nicht im Sinne dieser Norm nachteilig betroffen. Grundsätzlich sind die Schallschutzwerte einzuhalten, die sich aus der zur Zeit der Errichtung des Gebäudes geltenden Ausgabe der DIN 4109 ergeben. Diese werden gewahrt. Ein höheres Schallschutzniveau kann sich aus der Gemeinschaftsordnung ergeben, nicht aber aus einem sogenannten besonderen Gepräge der Wohnanlage. Die Gemeinschaftsordnung enthält keine solchen Vorgaben. Dass die im Zuge der Errichtung des Hochhauses erstellte Baubeschreibung und der ursprüngliche Verkaufsprospekt eine Ausstattung der Appartements mit Teppichböden vorsahen, hat der Senat als unerheblich angesehen.

Die Entscheidung beruht auf der Überlegung, dass die Auswahl des Bodenbelags die Gestaltung des Sondereigentums betrifft und im Belieben des Sondereigentümers steht. Der Schallschutz muss in erster Linie durch die im Gemeinschaftseigentum stehenden Bauteile gewährleistet werden. Welcher Bodenbelag bei der Errichtung des Gebäudes vorhanden war, ob dieser durch den Bauträger oder durch die Ersterwerber bestimmt worden ist und ob er in allen Wohnungen einheitlich war oder nicht, sind keine geeigneten Kriterien für das über die gesamte Nutzungszeit des Gebäudes einzuhaltende Schallschutzniveau. Dies ergibt sich schon daraus, dass solche Umstände späteren Erwerbern in aller Regel unbekannt sind. Außerdem spricht gegen ein dauerhaftes Gepräge der Anlage, dass sich die geschmacklichen Vorlieben für bestimmte Bodenbeläge im Laufe der Zeit verändern.

*§ 14 Pflichten des Wohnungseigentümers
Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet:
1. die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile so instand zu halten und von diesen sowie von dem gemeinschaftlichen Eigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst; (….)

Urteil vom 27. Februar 2015 – V ZR 73/14

Amtsgericht Lübeck - Urteil vom 1. August 2012 – 35 C 58/11
Landgericht Itzehoe - Urteil vom 18. März 2014 – 11 S 101/12

Karlsruhe, den 27. Februar 2015

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Arbeitsrecht - Verdachtskündigung eines Ausbildungsverhältnisses (BAG, 12.02.2015)

Verdachtskündigung eines Berufsausbildungsverhältnisses 

(Quelle: Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 6/15 vom 12.02.2015)

Der dringende Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung des Auszubildenden kann einen wichtigen Grund zur Kündigung des Berufsausbildungsverhältnisses nach § 22 Abs. 2 Nr. 1 BBiG darstellen, wenn der Verdacht auch bei Berücksichtigung der Besonderheiten des Ausbildungsverhältnisses dem Ausbildenden die Fortsetzung der Ausbildung objektiv unzumutbar macht.

Der Kläger absolvierte bei der Beklagten ab dem 1. August 2010 eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann. Am 20. Juni 2011 zählte er das sich in den Nachttresor-Kassetten einer Filiale befindliche Geld. Später wurde ein Kassenfehlbestand von 500,00 Euro festgestellt. Nach Darstellung der Beklagten nannte der Kläger in einem Personalgespräch von sich aus die Höhe dieses Fehlbetrags, obwohl er nur auf eine unbezifferte Kassendifferenz angesprochen worden war. Die Beklagte hat das Berufsausbildungsverhältnis wegen des durch die Offenbarung von Täterwissen begründeten Verdachts der Entwendung des Fehlbetrags gekündigt. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Ein Berufsausbildungsverhältnis könne nicht durch eine Verdachtskündigung beendet werden. Auch fehle es ua. an seiner ordnungsgemäßen Anhörung. Ihm sei vor dem fraglichen Gespräch nicht mitgeteilt worden, dass er mit einer Kassendifferenz konfrontiert werden solle. Auf die Möglichkeit der Einschaltung einer Vertrauensperson sei er nicht hingewiesen worden. Zudem habe die Beklagte Pflichten aus dem Bundesdatenschutzgesetz verletzt.

Die Vorinstanzen haben nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Die Revision hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg.

Die Verdachtskündigung hat das Ausbildungsverhältnis beendet. Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise die Umstände des Falles gewürdigt und insbesondere die Anhörung des Klägers zu Recht als fehlerfrei angesehen. Es bedurfte weder einer vorherigen Bekanntgabe des Gesprächsthemas noch eines Hinweises bzgl. der möglichen Kontaktierung einer Vertrauensperson. Auch Datenschutzrecht stand der Beweiserhebung und -verwertung nicht entgegen.
 
 
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 12. Februar 2015 - 6 AZR 845/13 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 18. April 2013 - 2 Sa 490/12

Mietrecht - Kündigung auch bei unverschuldeter Geldnot wirksam (BGH, 04.02.2015)

Zur Kündigung bei unverschuldeter Geldnot des Mieters

(Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 15/2015 vom 04.02.2015)

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob der Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt ist, wenn der sozialhilfeberechtigte Mieter zur pünktlichen Zahlung der Miete nicht in der Lage ist, nachdem er zwar rechtzeitig einen Antrag auf Sozialhilfe gestellt hat, die zur Mietzahlung erforderlichen Unterkunftskosten jedoch nicht rechtzeitig bewilligt worden sind.

Der Beklagte ist seit dem 1. Dezember 2010 Mieter einer 140 m² großen Wohnung des Klägers. Die monatliche Nettomiete beträgt 1.100 €, zuzüglich Betriebskosten in Höhe von 180 € und der Miete für die dazugehörige Garage in Höhe von 50 €.
Ab Oktober 2011 bezog der Beklagte vom zuständigen Jobcenter Leistungen nach dem SGB II. Seit Januar 2013 leitete er die für seine Wohnung erhaltenen Zahlungen des Jobcenters nicht mehr an den Kläger weiter. Der Kläger erklärte daraufhin wegen der hierdurch entstandenen Mietrückstände am 17. April 2013 die fristlose Kündigung und erhob im Juni 2013 Räumungsklage. Das Jobcenter Mettmann gab in der Folge aufgrund einer einstweiligen Anordnung des Sozialgerichts eine Verpflichtungserklärung gemäß § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB* auf Übernahme der aufgelaufenen Mietschulden ab.
Nachdem seit Juli 2013 das Sozialamt seines Wohnorts für den Beklagten zuständig geworden worden war, beantragte er bei diesem Sozialhilfe einschließlich der Übernahme der Wohnungskosten. Gegen die Ablehnung der Wohnungskostenübernahme erhob er Widerspruch und beantragte einstweiligen Rechtsschutz bei dem Sozialgericht. Dieses verpflichtete den Sozialhilfeträger schließlich im Wege einstweiliger Anordnung vom 30. April 2014 zur Zahlung der Mieten von September 2013 bis Juni 2014. In der Zwischenzeit hatte der Kläger, gestützt auf die rückständigen Mieten für die Monate Oktober 2013 bis März 2014, am 12. März 2014 erneut die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses erklärt.

Das Amtsgericht hat der Räumungsklage stattgegeben, die Berufung des Beklagten ist zurückgewiesen worden. Die vom Landgericht zugelassene Revision hatte keinen Erfolg.

Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass das Mietverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 12. März 2014 wirksam beendet worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte mit der Mietzahlung für die Monate Oktober 2013 bis März 2014 in Verzug. Der für die fristlose Kündigung erforderliche wichtige Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a BGB** lag daher vor.
Dem Verzugseintritt steht nicht entgegen, dass der Beklagte, um die Miete entrichten zu können, auf Sozialleistungen angewiesen war und diese Leistungen rechtzeitig beantragt hatte. Zwar kommt der Schuldner nur in Verzug, wenn er das Ausbleiben der Leistung im Sinne von § 276 BGB*** zu vertreten hat. Bei Geldschulden befreien jedoch wirtschaftliche Schwierigkeiten den Schuldner auch dann nicht von den Folgen verspäteter Zahlung, wenn sie auf unverschuldeter Ursache beruhen. Vielmehr hat jedermann nach dem Prinzip der einer Geldschuld zugrunde liegenden unbeschränkten Vermögenshaftung ("Geld hat man zu haben") ohne Rücksicht auf ein Verschulden für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen. Dieses Prinzip gilt auch für Mietschulden.
Bei einer auf Zahlungsverzug gestützten Kündigung gemäß § 543 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 BGB müssen darüber hinaus nicht die in § 543 Abs. 1 BGB genannten zusätzlichen Abwägungskriterien beachtet werden. Vielmehr handelt es sich bei den in § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis Nr. 3 BGB aufgeführten Kündigungsgründen um gesetzlich typisierte Fälle der Unzumutbarkeit einer weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses. Soweit deren tatbestandliche Voraussetzungen erfüllt sind, ist danach grundsätzlich auch ein wichtiger Grund im Sinne von § 543 Abs. 1 BGB zur fristlosen Kündigung gegeben. Der Schutz des (nicht rechtzeitig zahlenden) Mieters vor dem Verlust der Wohnung wird vielmehr ausschließlich durch die einmalig innerhalb von zwei Jahren gewährte Schonfrist (§ 569 Abs. 3 BGB) sichergestellt.

* § 569 BGB (…)
(3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt: (…)
2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. 2Dies gilt nicht, wenn der Kündigung vor nicht länger als zwei Jahren bereits eine nach Satz 1 unwirksam gewordene Kündigung vorausgegangen ist.

** § 543 Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. (…)
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn (…)
3. der Mieter
a) für zwei aufeinander folgende Termine mit der Entrichtung der Miete oder eines nicht unerheblichen Teils der Miete in Verzug ist (…)

*** § 276 Verantwortlichkeit des Schuldners
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. (…)

Urteil vom 4. Februar 2015 – VIII ZR 175/14
AG Langenfeld -Urteil vom 2. Oktober 2013 - 34 C 154/13
LG Düsseldorf - Urteil vom 11. Juni 2014 - 34 S 343/13

Karlsruhe, den 4. Februar 2015

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Mietrecht - Darf ein Mieter auf dem Balkon rauchen? (BGH, 16.01.2015)

Rauchen auf dem Balkon

(Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 6/2015 vom 16.01.2015)

Der - unter anderem für Besitzschutzansprüche zuständige - V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich heute mit der Frage befasst, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Mieter, der sich durch den von einem tiefer gelegenen Balkon aufsteigenden Zigarettenrauch im Gebrauch seiner Wohnung beeinträchtigt fühlt und zudem Gefahren für seine Gesundheit durch sog. Passivrauchen befürchtet, von dem anderen Mieter verlangen kann, das Rauchen während bestimmter Zeiten zu unterlassen. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien sind Mieter in einem Mehrfamilienhaus in Brandenburg. Die Kläger wohnen im ersten Stock, die Beklagten im Erdgeschoss. Die Balkone der Wohnungen liegen übereinander. Die Beklagten sind Raucher und nutzen den Balkon mehrmals am Tag zum Rauchen, wobei der Umfang des täglichen Zigarettenkonsums streitig ist. Die Kläger fühlen sich als Nichtraucher durch den von dem Balkon aufsteigenden Tabakrauch gestört und verlangen deshalb von den Beklagten, das Rauchen auf dem Balkon während bestimmter Stunden zu unterlassen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger zurückgewiesen. Die Vorinstanzen sind der Meinung, dass ein Rauchverbot mit der durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Lebensführung nicht vereinbar sei; diese schließe die Entscheidung ein, unabhängig von zeitlichen und mengenmäßigen Vorgaben auf dem zur gemieteten Wohnung gehörenden Balkon zu rauchen.

Der Bundesgerichtshof hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Landgericht zurückverwiesen. Dabei hat er sich von folgenden Erwägungen leiten lassen:

1. Einem Mieter steht gegenüber demjenigen, der ihn in seinem Besitz durch sog. Immissionen stört (zu diesen gehören Lärm, Gerüche, Ruß und eben auch Tabakrauch), grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Das gilt auch im Verhältnis von Mietern untereinander. Der Abwehranspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil das Rauchen eines Mieters im Verhältnis zu seinem Vermieter grundsätzlich zum vertragsgemäßen Gebrauch der Wohnung gehört. Denn vertragliche Vereinbarungen zwischen einem Mieter und seinem Vermieter rechtfertigen nicht die Störungen Dritter.
Der Abwehranspruch ist jedoch ausgeschlossen, wenn die mit dem Tabakrauch verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Das ist anzunehmen, wenn sie auf dem Balkon der Wohnung des sich gestört fühlenden Mieters nach dem Empfinden eines verständigen durchschnittlichen Menschen nicht als wesentliche Beeinträchtigung empfunden werden.
Liegt hingegen nach diesem Maßstab eine als störend empfundene – also wesentliche – Beeinträchtigung vor, besteht der Unterlassungsanspruch allerdings nicht uneingeschränkt. Es kollidieren zwei grundrechtlich geschützte Besitzrechte, die in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden müssen. Einerseits steht dem Mieter das Recht auf eine von Belästigungen durch Tabakrauch freie Nutzung seiner Wohnung zu, anderseits hat der andere Mieter das Recht, seine Wohnung zur Verwirklichung seiner Lebensbedürfnisse - zu denen auch das Rauchen gehört - zu nutzen. Das Maß des zulässigen Gebrauchs und der hinzunehmenden Beeinträchtigungen ist nach dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu bestimmen. Im Allgemeinen wird dies auf eine Regelung nach Zeitabschnitten hinauslaufen. Dem Mieter sind Zeiträume freizuhalten, in denen er seinen Balkon unbeeinträchtigt von Rauchbelästigungen nutzen kann, während dem anderen Mieter Zeiten einzuräumen sind, in denen er auf dem Balkon rauchen darf. Die Bestimmung der konkreten Zeiträume hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.

2. Sollte die Geruchsbelästigung nur unwesentlich sein, kommt ein Abwehranspruch in Betracht, wenn Gefahren für die Gesundheit drohen. Immissionen, die die Gefahr gesundheitlicher Schäden begründen, sind grundsätzlich als eine wesentliche und damit nicht zu duldende Beeinträchtigung anzusehen. Bei der Einschätzung der Gefährlichkeit der Einwirkungen durch aufsteigenden Tabakrauch ist allerdings zu berücksichtigen, dass im Freien geraucht wird. Insoweit kommt den Nichtraucherschutzgesetzen des Bundes und der Länder, die das Rauchen im Freien grundsätzlich nicht verbieten, eine Indizwirkung dahingehend zu, dass mit dem Rauchen auf dem Balkon keine konkreten Gefahren für die Gesundheit anderer einhergehen. Nur wenn es dem Mieter gelingt, diese Annahme zu erschüttern, indem er nachweist, dass im konkreten Fall der fundierte Verdacht einer Gesundheitsbeeinträchtigung besteht, wird eine wesentliche Beeinträchtigung vorliegen und deshalb eine Gebrauchsregelung getroffen werden müssen.

3. Die Sache war an das Landgericht zurückzuweisen, weil es bislang keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob der Rauch auf dem Balkon der Kläger als störend wahrnehmbar ist oder - wenn das zu verneinen sein sollte - ob im konkreten Fall von dem Tabakrauch gesundheitliche Gefahren ausgehen, wie die Kläger unter Hinweis auf eine Feinstaubmessung behaupten.

Urteil vom 16. Januar 2015 – V ZR 110/14
AG Rathenow, Urteil vom 6. September 2013 - 4 C 300/13
LG Potsdam, Urteil vom 12. März 2014 - 1 S 31/14

Karlsruhe, den 16. Januar 2015
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Vertragsrecht - eBay: Auto-Kauf bei Mindestgebot von 1 € wirksam (BGH, 12.11.2014)

"Schnäppchenpreis" bei einer eBay-Auktion

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 164/2014 vom 12.11.2014, www.bundesgerichtshof.de

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage der Wirksamkeit eines im Wege einer Internetauktion abgeschlossenen Kaufvertrags befasst, bei dem ein grobes Missverhältnis zwischen dem Kaufpreis und dem Wert der Kaufsache besteht.

Der Beklagte bot seinen Gebrauchtwagen bei eBay zum Kauf an und setzte ein Mindestgebot von 1 € fest. Der Kläger bot kurz nach dem Beginn der eBay-Auktion 1 € für den Pkw und setzte dabei eine Preisobergrenze von 555,55 €. Einige Stunden später brach der Beklagte die eBay-Auktion ab. Per E-Mail teilte er dem Kläger, der mit seinem Anfangsgebot Höchstbietender war, mit, er habe außerhalb der Auktion einen Käufer gefunden, der bereit sei, 4.200 € zu zahlen. Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen Nichterfüllung des nach seiner Ansicht wirksam zu einem Kaufpreis von 1 € geschlossenen Kaufvertrags und macht geltend, der Pkw habe einen Wert von 5.250 €.

Das Landgericht hat der auf Schadensersatz in Höhe von 5.249 € gerichteten Klage dem Grunde nach stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte sein Klageabweisungsbegehren weiter.

Die Revision hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass der Kaufvertrag nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 Abs. 1 BGB*) nichtig ist. Bei einer Internetauktion rechtfertigt ein grobes Missverhältnis zwischen dem Maximalgebot des Käufers und dem Wert des Versteigerungsobjekts nicht ohne Weiteres den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Bieters im Sinne von § 138 Abs. 1 BGB. Es macht gerade den Reiz einer Internetauktion aus, den Auktionsgegenstand zu einem "Schnäppchenpreis" zu erwerben, während umgekehrt der Veräußerer die Chance wahrnimmt, einen für ihn vorteilhaften Preis im Wege des Überbietens zu erzielen. Besondere Umstände, aus denen auf eine verwerfliche Gesinnung des Klägers geschlossen werden könnte, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt.
Auch die Wertung des Berufungsgerichts, dass der Beklagte dem Kläger nicht den Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen halten könne, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Dass das Fahrzeug letztlich zu einem Preis von 1 € verkauft worden ist, beruht auf den freien Entscheidungen des Beklagten, der das Risiko eines für ihn ungünstigen Auktionsverlaufs durch die Wahl eines niedrigen Startpreises ohne Festsetzung eines Mindestgebots eingegangen ist und durch den nicht gerechtfertigten Abbruch der Auktion die Ursache dafür gesetzt hat, dass sich das Risiko verwirklicht.

* § 138 BGB Sittenwidriges Rechtsgeschäft; Wucher
(1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.

VIII ZR 42/14 - Urteil vom 12. November 2014
LG Mühlhausen - Urteil vom 9. April 2013 – 3 O 527/12
OLG Jena - Urteil vom 15. Januar 2014 – 7 U 399/13

Karlsruhe, den 12. November 2014
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Arbeitsrecht - Mehr Urlaub für ältere Arbeitnehmer zulässig (BAG, 21.10.2014)

Zusätzliche Urlaubstage nach Vollendung des 58. Lebensjahres

(Quelle: Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 57/14 vom 21.10.2014)

Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zulässig sein. Bei der Prüfung, ob eine solche vom Arbeitgeber freiwillig begründete Urlaubsregelung dem Schutz älterer Beschäftigter dient und geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG ist, steht dem Arbeitgeber eine auf die konkrete Situation in seinem Unternehmen bezogene Einschätzungsprärogative zu.

Die nicht tarifgebundene Beklagte stellt Schuhe her. Sie gewährt ihren in der Schuhproduktion tätigen Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres jährlich 36 Arbeitstage Erholungsurlaub und damit zwei Urlaubstage mehr als den jüngeren Arbeitnehmern. Die 1960 geborene Klägerin hat gemeint, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Beklagte habe deshalb auch ihr jährlich 36 Urlaubstage zu gewähren.

Die Vorinstanzen haben den hierauf gerichteten Feststellungsantrag der Klägerin abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte hat mit ihrer Einschätzung, die in ihrem Produktionsbetrieb bei der Fertigung von Schuhen körperlich ermüdende und schwere Arbeit leistenden Arbeitnehmer bedürften nach Vollendung ihres 58. Lebensjahres längerer Erholungszeiten als jüngere Arbeitnehmer, ihren Gestaltungs- und Ermessensspielraum nicht überschritten. Dies gilt auch für ihre Annahme, zwei weitere Urlaubstage seien aufgrund des erhöhten Erholungsbedürfnisses angemessen, zumal auch der Manteltarifvertrag der Schuhindustrie vom 23. April 1997, der mangels Tarifbindung der Parteien keine Anwendung fand, zwei zusätzliche Urlaubstage ab dem 58. Lebensjahr vorsah.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 21. Oktober 2014 - 9 AZR 956/12 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 7. September 2012 - 6 Sa 709/11 -



Der Neunte Senat hat in sechs weiteren Parallelverfahren die Revisionen der Klägerinnen und Kläger ebenfalls zurückgewiesen

Verkehrsrecht - Schadensersatz wegen Betonkante auf Radweg (OLG Hamm, 13.10.2014)

5 cm hohe, schräg verlaufende Betonkante kann Verkehrssicherungspflicht auf Radweg auslösen
 
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 13.10.2014, www.olg-hamm.nrw.de/behoerde/presse/02_aktuelle_mitteilungen/

Eine 5 cm hohe Betonabbruchkante, die auf einem für Radfahrer freigegebenen, unbeleuchteten Weg mit einem Winkel von 45° schräg in Fahrtrichtung verläuft, stellt eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle dar. Das hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm unter teilweiser Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Münster am 29.08.2014 entschieden.
 
Anfang April 2012 verunfallte der Kläger aus Telgte in den Abendstunden mit seinem Fahrrad auf einem unbeleuchteten, für Fahrräder freigegebenen Uferweg des Dortmund-Ems Kanals in Münster. In Höhe des Hauses des Beklagten wies der Weg eine 5 cm hohe, in einem Winkel von 45° zur Fahrtrichtung verlaufende Abbruchkante auf. Auf dieser sei - so der Kläger - das Vorderrad seines Fahrrades abgeglitten, so dass er zu Fall gekommen sei und sich eine Fraktur des linken Knies und eine Fingerluxation sowie Prellungen an der linken Hand zuzogen habe. Von dem Beklagten hat der Kläger aufgrund der behaupteten Verkehrssicherungspflichtverletzung Schadensersatz verlangt, u.a. ein Schmerzendgeld in der Größenordnung bis 6.500 Euro und materiellen Schadensersatz in Höhe von ca. 3.300 Euro.
 
Das Klagebegehren war zum Teil erfolgreich. Der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat eine Verkehrssicherungspflicht des Beklagten bejaht, ihre unfallursächliche Verletzung festgestellt und dem Kläger unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens dem Grunde nach 50 %-igen Schadensersatz zugesprochen.
Der Beklagte sei verkehrssicherungspflichtig, weil er die Verkehrssicherungspflicht von der Bundesrepublik Deutschland als Eigentümerin des Uferweges vertraglich übernommen habe. Der Zustand des Uferweges stelle jedenfalls bei Dunkelheit eine abhilfebedürftige Gefahrenquelle dar. Die anfangs einer Betonfläche mit einem Winkel von 45° in Fahrtrichtung verlaufende Betonabbruchkante könne einen Radfahrer stürzen lassen, wenn er mit seinem Vorderrad so auf die Kante treffe, dass er an dieser abgleite. Diese Gefahrensituation sei bei dem unbeleuchteten Weg im Scheinwerferlicht des Rades erst aus einer Entfernung von 10 Metern zu erkennen und erfordere daher eine erhöhte Aufmerksamkeit eines Radfahrers, von der ein Verkehrssicherungspflichtiger nicht immer ausgehen könne. Außerdem weise der Radweg an der Stelle eine Links- und anschließend eine Rechtskurve auf, so dass damit zu rechnen sei, dass ein Radfahrer sein Hauptaugenmerk auf den Kurvenverlauf und nicht auf den Untergrund richte. Der Beklagte habe daher auf die Beseitigung der Gefahrenquelle hinwirken oder in ausreichendem Abstand vor ihr warnen müssen. Beides habe er versäumt. Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Kläger im Bereich der Betonkante gestürzt sei. Nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises sei zu seinen Gunsten zu vermuten, dass die Gefahrenquelle zum Sturz geführt habe. Weil der Unfall für den Kläger bei einer den Sichtverhältnissen angepassten Geschwindigkeit zu vermeiden gewesen wäre, treffe ihn ein mit 50 % zu bewertendes Mitverschulden. Die genaue Höhe des Schadens und damit die vom Kläger zu beanspruchende Summe sei im weiteren Verfahren vor dem Landgericht zu klären.

Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29.08.2014 (9 U 78/13)
 
Christian Nubbemeyer, Pressedezernent

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 13.10.2014, www.olg-hamm.nrw.de/behoerde/presse/02_aktuelle_mitteilungen/

Schadensersatz - Post haftet für Zustellungsfehler (OLG Hamm, 18.08.2014)

Post haftet für Zustellungsfehler
 
(Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 18.08.2014)
 
Die Post hat dem Empfänger einer Zustellung den durch eine falsch beurkundete Zustellung entstandenen Schaden zu ersetzen. Das hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.06.2014 unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Münster entschieden.

Dem klagenden Unternehmen aus Münster sollte durch das Amtsgericht Münster im Wege der Rechtshilfe die Klage eines griechischen Unternehmens nebst Terminladung für einen in Griechenland zu verhandelnden Zivilrechtsstreit zugestellt werden. Mit der Zustellung wurde die beklagte Post beauftragt. Der für die Post tätige Zusteller erstellte eine Zustellungsurkunde, auf der er ankreuzte, die Postsendung in einem zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung der Klägerin geworfen zu haben. Diese Angabe war falsch, weil es am Geschäftslokal der Klägerin keinen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrich-tung gibt. In der Folgezeit erging in dem griechischen Rechtsstreit ein Versäumnisurteil gegen die in dem Verfahren seinerzeit nicht vertretene Klägerin. Dieses hat die Klägerin unter Inkaufnahme sie belastender Verfahrenskosten angefochten. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrt sie die Feststellung, dass ihr die beklagte Post den durch die falsch beurkundete Zustellung und das deshalb erlassene Versäumnisurteil entstandenen Schaden zu ersetzen habe.

Die Feststellungsklage hatte Erfolg. Nach der Entscheidung des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm kann die Klägerin von der Beklagten den durch den fehlerhaften Zustellvorgang verursachten Schaden ersetzt verlangen. Die Beklagte hafte aufgrund einer schuldhaften Amtspflichtverletzung des für sie tätigen Zustellers. Bei den Zustellungen sei die Beklagte als beliehene Unternehmerin mit Hoheitsbefugnissen ausgestattet. Sie sei verpflichtet, Zustellungen den gesetzlichen Vorschriften entsprechend auszuführen und die mit Beweiskraft ausgestatteten Zustellungsurkunden mit richtigen Angaben zu erstellen. Diese Pflicht habe sie verletzt. Die zu der in Frage stehenden Zustellung erstellte Zustellungsurkunde habe der Zusteller nicht richtig ausgefüllt. Die aus ihr hervorgehende Übergabe des Schriftstücks durch Einwurf in einen Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung sei nicht erfolgt. Die Beklagte habe auch nicht nachgewiesen, die Postsendung der Klägerin auf andere Art und Weise zugestellt zu haben. Deswegen hafte die Beklagte der Klägerin für den durch den pflichtwidrigen Zustellvorgang entstandenen Schaden, der der Höhe nach - abgesehen von einer bereits angefallenen Gerichtsgebühr von 250 Euro - noch nicht feststehe.

Urteil des 11. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 18.06.2014 (11 U 98/13)

Arbeitsrecht - Sachliche Kritik am Vorgesetzten kein Kündigungsgrund (BAG, 31.07.2014)

Bewerber für den Wahlvorstand - Sonderkündigungsschutz

(Quelle: Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 38/14 vom 31.07.2014)
 
Auch im Zusammenhang mit einer geplanten Betriebsratswahl darf ein Arbeitnehmer nicht wissentlich falsche, geschäftsschädigende Behauptungen über die betrieblichen Verhältnisse aufstellen und über digitale Medien verbreiten oder verbreiten lassen. Sachliche Kritik an den betrieblichen Gegebenheiten ist jedoch erlaubt. Für die Grenzziehung kommt es auf den Inhalt und den Kontext der Äußerungen an.

Nimmt der Arbeitgeber die Äußerungen eines „Wahlbewerbers“ zum Anlass für eine Kündigung, ist diese gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 KSchG nur wirksam, wenn Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund berechtigen, und entweder die Zustimmung des Betriebsrats nach § 103 Abs. 1 BetrVG oder - wenn ein Betriebsrat nicht gebildet ist - eine entsprechende gerichtliche Entscheidung vorliegt. Arbeitnehmer, die für das Amt des Wahlvorstands zur Durchführung einer Betriebsratswahl kandidieren oder vorgeschlagen werden, sind keine Wahlbewerber im gesetzlichen Sinne. Das ergibt die Auslegung der einschlägigen Vorschriften.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts die fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines Kandidaten für das Amt des Wahlvorstands wegen vermeintlich geschäftsschädigender Äußerungen - anders als die Vorinstanzen - für unwirksam erachtet. Die Arbeitgeberin stellt Verpackungen her. In ihrem Betrieb, in dem viele Facharbeiter beschäftigt sind, fand am 10. Februar 2012 auf Einladung der Gewerkschaft ver.di eine Betriebsversammlung zur Wahl eines Wahlvorstands statt. Die Versammlung nahm einen unübersichtlichen Verlauf. Nach dem Verständnis beider Prozessparteien ist es zu einer wirksamen Wahl des Klägers nicht gekommen. Zwei Wochen später stellte ver.di beim Arbeitsgericht den Antrag, einen Wahlvorstand zu bestellen. In der Antragsschrift schlug sie als eines von dessen Mitgliedern erneut den Kläger vor. An einem der folgenden Tage gab der Kläger in einer von ver.di produzierten Videoaufzeichnung eine Erklärung des Inhalts ab, es gebe im Betrieb „Probleme“. An einzelnen Maschinen fehlten Sicherheitsvorkehrungen. Man könne „fast behaupten“, keine Maschine sei „zu 100 % ausgerüstet“. Das Problem sei, dass „keine Fachkräfte vorhanden“ seien und „das Beherrschen der Maschinen nicht zu 100 % erfüllt“ werde. Das Video wurde ins Internet gestellt und war bei „YouTube“ zu sehen. Der Kläger verbreitete es zudem über „Facebook“. Mit Blick hierauf kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis am 15. März 2012 fristlos.

Die außerordentliche Kündigung ist zwar nicht mangels gerichtlicher Zustimmung - der Kläger genoss keinen Sonderkündigungsschutz -, aber mangels wichtigen Grundes unwirksam. Die Erklärungen in dem Video waren erkennbar darauf gerichtet zu verdeutlichen, weshalb der Kläger die Bildung eines Betriebsrats als sinnvoll ansah. Der Kläger wollte dagegen nicht behaupten, die Beklagte beschäftige überwiegend ungelernte Kräfte.

Der Senat hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Dieses hat nunmehr die Wirksamkeit einer am 17. Februar 2012 erklärten, auf einen verspäteten Arbeitsbeginn des Klägers gestützten ordentlichen Kündigung zum
31. März 2012 zu prüfen.
 
 
Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 31. Juli 2014 - 2 AZR 505/13 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm
Urteil vom 15. März 2013 - 13 Sa 6/13 -

Verkehrsrecht - Keine Pflicht zur Zahlung überhöhter Abschleppkosten (BGH, 04.07.2014)

Keine Pflicht zur Zahlung unangemessen hoher Abschleppkosten

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 108/2014 vom 04.07.2014)

Der u.a. für Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche aus Besitz und Eigentum an Grundstücken zuständige V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Falschparker dem Besitzer der Parkfläche keine unangemessen hohen Abschleppkosten erstatten müssen. Dem liegt der folgende Sachverhalt zu Grunde:

Der Pkw des Klägers wurde unberechtigt auf dem als solchen gekennzeichneten Kundenparkplatz eines Fitnessstudios in München abgestellt. Dessen Betreiberin beauftragte die Beklagte aufgrund eines mit dieser abgeschlossenen Rahmenvertrags mit dem Entfernen des Fahrzeugs. Hierfür war ein Pauschalbetrag von 250 € netto vereinbart. Die aus dem unberechtigten Parken entstandenen Ansprüche gegen den Kläger trat die Betreiberin des Studios an die Beklagte ab.
Die Beklagte schleppte das Fahrzeug ab. Später teilte sie der Ehefrau des Klägers telefonisch mit, der Standort des Pkw werde bekannt gegeben, sobald ihr der Fahrzeugführer benannt und der durch das Abschleppen entstandene Schaden von 250 € beglichen werde. Der Kläger ließ die Beklagte anwaltlich auffordern, ihm den Fahrzeugstandort Zug um Zug gegen Zahlung von 100 € mitzuteilen. Dem kam die Beklagte nicht nach. Daraufhin hinterlegte der Kläger 120 € bei dem Amtsgericht. Die Beklagte verweigerte weiterhin die Bekanntgabe des Standorts des Fahrzeugs und bezifferte den von dem Kläger zu zahlenden Betrag mit 297,50 €. Sodann hinterlegte der Kläger weitere 177,50 €. Die Beklagte teilte ihm danach den Standort des Fahrzeugs mit.
Der Kläger hält den von der Beklagten geforderten Betrag für zu hoch. Das Amtsgericht hat im Ergebnis entschieden, dass der Kläger von den Abschleppkosten nur 100 € zu tragen hat und dass die Beklagte ihn von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 703,80 € freistellen muss.

Das Landgericht hat die vom Kläger zu tragenden Abschleppkosten im Ergebnis auf 175 € abgeändert und die Klage im Übrigen abgewiesen.

Auf die Revisionen beider Parteien hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, von seinen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freigestellt zu werden. Hinsichtlich der konkreten Höhe der von dem Kläger zu tragenden Abschleppkosten hat er die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Senat bestätigt damit seine bisherige Rechtsprechung. Das unberechtigte Abstellen von Fahrzeugen auf einem Kundenparkplatz stellt eine Besitzstörung bzw. eine teilweise Besitzentziehung dar. Diese darf der Besitzer der Parkflächen im Wege der Selbsthilfe beenden, indem er das Fahrzeug abschleppen lässt. Hiermit kann er schon im Vorfeld eines Parkverstoßes ein darauf spezialisiertes Unternehmen beauftragen. Die durch den konkreten Abschleppvorgang entstandenen Kosten muss der Falschparker erstatten, soweit sie in einem adäquaten Zusammenhang mit dem Parkverstoß stehen. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören nicht nur die reinen Abschleppkosten, sondern auch die Kosten, die im Zusammenhang mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs entstanden sind, etwa durch die Überprüfung des unberechtigt abgestellten Fahrzeugs, um den Halter ausfindig zu machen, das Anfordern eines geeigneten Abschleppfahrzeugs, das Prüfen des Fahrzeugs auf Sicherung gegen unbefugtes Benutzen, dessen Besichtigung von Inneren und Außen und die Protokollierung etwa vorhandener Schäden. Nicht zu erstatten sind hingegen die Kosten für die Bearbeitung und außergerichtliche Abwicklung des Schadensersatzanspruchs des Besitzers, weil sie nicht unmittelbar der Beseitigung der Störung dienen. Auch Kosten für die Überwachung der Parkflächen im Hinblick auf unberechtigtes Parken muss der Falschparker nicht ersetzen; ihnen fehlt der Bezug zu dem konkreten Parkverstoß, denn sie entstehen unabhängig davon.
Die Ersatzpflicht des Falschparkers wird durch das Wirtschaftlichkeitsgebot begrenzt. Er hat nur diejenigen Aufwendungen zu erstatten, die ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Besitzers der Parkflächen machen würde. Maßgeblich ist, wie hoch die ortsüblichen Kosten für das Abschleppen und die unmittelbar mit der Vorbereitung des Abschleppvorgangs verbundenen Dienstleistungen sind. Regionale Unterschiede sind zu berücksichtigen. Dies wird das Landgericht durch Preisvergleich, notfalls durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu klären haben.
Ein Anspruch auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Anwaltskosten steht dem Kläger nicht zu. Denn im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts hatte der Kläger den geschuldeten Schadensersatzbetrag weder gezahlt noch hinterlegt. Solange dies nicht geschehen war, stand der Beklagten an dem Fahrzeug ein Zurückbehaltungsrecht zu, so dass sie sich nicht im Verzug mit der Fahrzeugrückgabe befand.

Urteil vom 4. Juli 2014 – V ZR 229/13
AG München – Urteil vom 23. August 2011 – 415 C 29187/10
LG München I – Urteil vom 14. August 2013 – 15 S 19287/11

Karlsruhe, den 4. Juli 2014

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Verkehrsrecht - Voller Schadensersatz auch ohne Fahrradhelm (BGH, 17.06.2014)

Kein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Fahrradhelms

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 95/2014 vom 17.06.2014

Die Klägerin fuhr im Jahr 2011 mit ihrem Fahrrad auf dem Weg zur Arbeit auf einer innerstädtischen Straße. Sie trug keinen Fahrradhelm. Am rechten Fahrbahnrand parkte ein PKW. Die Fahrerin des PKW öffnete unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin von innen die Fahrertür, so dass die Klägerin nicht mehr ausweichen konnte, gegen die Fahrertür fuhr und zu Boden stürzte. Sie fiel auf den Hinterkopf und zog sich schwere Schädel-Hirnverletzungen zu, zu deren Ausmaß das Nichttragen eines Fahrradhelms beigetragen hatte. Die Klägerin nimmt die Pkw-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherer auf Schadensersatz in Anspruch.

Das Oberlandesgericht hat der Klägerin ein Mitverschulden von 20 % angelastet, weil sie keinen Schutzhelm getragen und damit Schutzmaßnahmen zu ihrer eigenen Sicherheit unterlassen habe.

Der für das Schadensersatzrecht zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat das Berufungsurteil aufgehoben und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Nichttragen eines Fahrradhelms führt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu einer Anspruchskürzung wegen Mitverschuldens. Für Radfahrer ist das Tragen eines Schutzhelms nicht vorgeschrieben. Zwar kann einem Geschädigten auch ohne einen Verstoß gegen Vorschriften haftungsrechtlich ein Mitverschulden anzulasten sein, wenn er diejenige Sorgfalt außer acht lässt, die ein ordentlicher und verständiger Mensch zur Vermeidung eigenen Schadens anzuwenden pflegt. Dies wäre hier zu bejahen, wenn das Tragen von Schutzhelmen zur Unfallzeit nach allgemeinem Verkehrsbewusstsein zum eigenen Schutz erforderlich und zumutbar gewesen wäre. Ein solches Verkehrsbewusstsein hat es jedoch zum Zeitpunkt des Unfalls der Klägerin noch nicht gegeben. So trugen nach repräsentativen Verkehrsbeobachtungen der Bundesanstalt für Straßenwesen im Jahr 2011 innerorts nur elf Prozent der Fahrradfahrer einen Schutzhelm. Inwieweit in Fällen sportlicher Betätigung des Radfahrers das Nichtragen eines Schutzhelms ein Mitverschulden begründen kann, war nicht zu entscheiden.

Urteil vom 17. Juni 2014 - VI ZR 281/13
LG Flensburg – Entscheidung vom 12. Januar 2012 - 4 O 265/11
OLG Schleswig – Entscheidung vom 5. Juni 2013 - 7 U 11/12

Karlsruhe, den 17. Juni 2014
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Mietrecht - Streit mit Mieter ist kein Kündigungsgrund (BGH, 04.06.2014)

Zur fristlosen Kündigung des Vermieters im Anschluss an einen Streit mit dem Mieter

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 90/2014 vom 04.06.2014

Der Beklagte ist seit Juli 2006 Mieter eines Hauses der Klägerin. Am 16. August 2012 suchte die Klägerin den Beklagten vereinbarungsgemäß auf, um zwischenzeitlich installierte Rauchmelder in Augenschein zu nehmen. Bei dieser Gelegenheit versuchte die Klägerin, das gesamte Haus zu inspizieren und gegen den Willen des Beklagten auch Zimmer zu betreten, die nicht mit Rauchmeldern versehen waren. Sie öffnete dabei ein Fenster und nahm Gegenstände von der Fensterbank. Der Aufforderung des Beklagten, das Haus zu verlassen, kam die Klägerin nicht nach. Daraufhin umfasste der Beklagte die Klägerin mit den Armen und trug sie aus dem Haus. Wegen dieses Vorfalls erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 29. August 2012 die fristlose und hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses.

Die von der Klägerin erhobene Räumungsklage ist vor dem Amtsgericht erfolglos geblieben. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht das amtsgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Räumungsantrag stattgegeben.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Beklagten hatte Erfolg und führte zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat hat entschieden, dass die von der Klägerin erklärte Kündigung weder als fristlose Kündigung (§ 543 Abs. 1 BGB*) noch als ordentliche Kündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB*) wirksam ist. Die Parteien hatten verabredet, dass die Klägerin (lediglich) die Räume mit den angebrachten Rauchmeldern in Augenschein nehmen sollte. Zu einer weiteren eigenmächtigen Besichtigung war die Klägerin nicht berechtigt. Indem sie dies gleichwohl – gegen den Willen des Beklagten – durchzusetzen versuchte und seiner Aufforderung, das Haus zu verlassen, nicht nachkam, hat sie das Hausrecht des Beklagten verletzt. Sie trägt deshalb zumindest eine Mitschuld an dem nachfolgenden Geschehen, die das Berufungsgericht bei seiner Abwägung rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt hat. Da weitere Feststellungen nicht zu erwarten waren, hat der Senat unter Aufhebung des Berufungsurteils in der Sache selbst entschieden und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts zurückgewiesen.

Angesichts der Gesamtumstände, insbesondere des vorangegangenen pflichtwidrigen Verhaltens der Klägerin, stellt das mit der Kündigung beanstandete Verhalten des Beklagten - selbst wenn er damit, wie das Berufungsgericht angenommen hat, die Grenzen erlaubter Notwehr (geringfügig) überschritten haben sollte - jedenfalls keine derart gravierende Pflichtverletzung dar, dass der Klägerin deshalb die weitere Fortsetzung des Mietverhältnis nicht zugemutet werden könnte (§ 543 Abs. 1 Satz 2 BGB). Auch von einer Vertragsverletzung von einem Gewicht, das ein berechtigtes Interesse der Klägerin an der Beendigung des Mietvertrags rechtfertigt (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB), kann unter diesen Umständen nicht ausgegangen werden.

* § 543 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Jede Partei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.
(…)

§ 573 BGB Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. (…)
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat (…).

Urteil vom 4. Juni 2014 – VIII ZR 289/13
AG Bad Neuenahr-Ahrweiler - Urteil vom 24. April 2013 – 32 C 666/12
LG Koblenz - Urteil vom 19. September 2013 – 14 S 116/13

Karlsruhe, den 4. Juni 2014

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Kaufrecht - Kein Rücktrittsrecht bei unerheblichem Mangel (BGH, 28.05.2014)

Zum Ausschluss des Rücktritts bei einem unerheblichen Sachmangel

Quelle: Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 87/2014 vom 28.05.2014

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage beschäftigt, unter welchen Umständen ein Sachmangel "unerheblich" im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB* ist, so dass der Käufer vom Kaufvertrag nicht zurücktreten kann.

Der Kläger begehrt von dem beklagten Autohaus die Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen zum Preis von 29.953 € erworbenen Neuwagen. Nach der Übergabe des Fahrzeugs machte er verschiedene Mängel geltend, unter anderem Fehlfunktionen des akustischen Signals und das völlige Fehlen des optischen Signals der Einparkhilfe. Wegen der Mängel suchte er wiederholt das Autohaus der Beklagten und eine andere Vertragswerkstatt auf und setzte schließlich – erfolglos – in Bezug auf einige Mängel, darunter die Mängel an der Einparkhilfe, eine letzte Frist zur Mängelbeseitigung. Die Beklagte teilte dem Kläger hierauf schriftlich mit, die Einparkhilfe funktioniere nach einem vorangegangenen Nachbesserungsversuch einwandfrei und entspreche dem Stand der Technik. Der Kläger erklärte daraufhin den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit seiner Klage begehrt er die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung, insgesamt 27.257,23 €.

Das Landgericht hat die Klage nach Einholung eines Sachverständigengutachtens abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat keinen Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat unter Zugrundelegung des Sachverständigengutachtens festgestellt, das Fahrzeug sei insoweit mangelhaft, als die Sensoren der Einparkhilfe in falscher Höhe und mit falschem Abstand zueinander eingebaut seien, was dazu führe, dass die Einparkhilfe immer wieder Warnsignale ohne erkennbares Hindernis abgebe. Der Mangelbeseitigungsaufwand betrage gemäß dem Gutachten des Sachverständigen 1.958,85 €. Der Rücktritt sei jedoch gemäß §§ 440, 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da die Mangelbeseitigungskosten zehn Prozent des Kaufpreises nicht überstiegen und die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung deshalb unerheblich, der Mangel also geringfügig sei.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision hatte Erfolg und führte zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass bei einem behebbaren Sachmangel die Erheblichkeitsschwelle des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB im Rahmen der auf der Grundlage der Einzelfallumstände vorzunehmenden Interessenabwägung in der Regel bereits dann erreicht ist, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand einen Betrag von fünf Prozent des Kaufpreises überschreitet. Von einem geringfügigen Mangel, der zwar den Rücktritt, nicht aber die übrigen Gewährleistungsrechte ausschließt, kann hingegen in der Regel noch gesprochen werden, wenn der Mängelbeseitigungsaufwand die vorgenannte flexible Schwelle von fünf Prozent des Kaufpreises nicht übersteigt. Eine generelle Erhöhung der Erheblichkeitsschwelle über diesen Prozentsatz hinaus ist mit dem durch den Gesetzeswortlaut und durch die Gesetzesmaterialien klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB sowie der Systematik der Rechte des Käufers bei Sachmängeln nicht zu vereinbaren. Die Erheblichkeitsschwelle von (nur) fünf Prozent des Kaufpreises steht im Einklang mit den Vorgaben der EU-Verbrauchsgüterkaufrichtlinie.**

Da im vorliegenden Fall bereits für die Beseitigung der vom Berufungsgericht festgestellten Fehlfunktion der Einparkhilfe ein die oben genannte Erheblichkeitsschwelle übersteigender Aufwand in Höhe von 6,5 Prozent des Kaufpreises erforderlich ist und das Berufungsgericht keine besonderen Umstände festgestellt hat, die es rechtfertigten, den Mangel gleichwohl ausnahmsweise als unerheblich anzusehen, ist der vom Kläger erklärte Rücktritt vom Kaufvertrag nicht gemäß § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und der Rechtsstreit zur Feststellung der Höhe der vom Käufer aufgrund des Rücktritts geschuldeten Nutzungsentschädigung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

*§ 323 Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung
(5) (…) Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflichtverletzung unerheblich ist.

**Art. 3 der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter (ABl. EG Nr. L 171 S. 12 - Verbrauchsgüterkaufrichtlinie)
(1) Der Verkäufer haftet dem Verbraucher für jede Vertragswidrigkeit, die zum Zeitpunkt der Lieferung des Verbrauchsgutes besteht.
(2) Bei Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher entweder Anspruch auf die unentgeltliche Herstellung des vertragsgemäßen Zustands des Verbrauchsgutes durch Nachbesserung oder Ersatzlieferung nach Maßgabe des Absatzes 3 oder auf angemessene Minderung des Kaufpreises oder auf Vertragsauflösung in Bezug auf das betreffende Verbrauchsgut nach Maßgabe der Absätze 5 und 6.
(…)
(5) Der Verbraucher kann eine angemessene Minderung des Kaufpreises oder eine Vertragsauflösung verlangen,
(…)
— wenn der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist Abhilfe geschaffen hat oder
(…)
(6) Bei einer geringfügigen Vertragswidrigkeit hat der Verbraucher keinen Anspruch auf Vertragsauflösung.

Urteil vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 94/13
LG Stuttgart - Urteil vom 16. August 2012 - 10 O 223/10
OLG Stuttgart - Urteil vom 20. März 2013 - 4 U 149/12
Karlsruhe, den 28. Mai 2014

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Vertragsrecht – Bank muss Bearbeitungsgebühr für Darlehen erstatten (BGH, 13.05.2014)

Allgemeine Geschäftsbedingungen über ein Bearbeitungsentgelt für Privatkredite unwirksam

(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 80/2014 vom 13.05.2014)

Der u. a. für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat in zwei im wesentlichen Punkt parallel gelagerten Revisionsverfahren entschieden, dass vorformulierte Bestimmungen über ein Bearbeitungsentgelt in Darlehensverträgen zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind.
Im Verfahren XI ZR 405/12 (vgl. dazu die Pressemitteilungen Nrn. 36/2013 und 3/2014) macht der klagende Verbraucherschutzverein gegenüber der beklagten Bank im Wege der Unterlassungsklage die Unwirksamkeit der im Preisaushang der Beklagten für Privatkredite enthaltenen Klausel

"Bearbeitungsentgelt einmalig 1%"

geltend. Die Klage ist in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen.

Im Verfahren XI ZR 170/13 (vgl. dazu die Pressemitteilungen Nrn. 176/2013 und 199/2013) begehren die Kläger als Darlehensnehmer von der beklagten Bank aus ungerechtfertigter Bereicherung die Rückzahlung des von der Beklagten beim Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags berechneten Bearbeitungsentgelts. Die Parteien schlossen im März 2012 einen Online-Darlehensvertrag. Dazu hatten die Kläger die von der Beklagten vorgegebene und auf deren Internetseite eingestellte Vertragsmaske ausgefüllt, die u. a. folgenden Abschnitt enthielt:

"Bearbeitungsentgelt EUR

Das Bearbeitungsentgelt wird für die Kapitalüberlassung geschuldet. Das Entgelt wird mitfinanziert und ist Bestandteil des Kreditnennbetrages. Es wird bei der Auszahlung des Darlehens oder eines ersten Darlehensbetrages fällig und in voller Höhe einbehalten."

Die Höhe des Bearbeitungsentgelts war von der Beklagten sodann mit 1.200 € berechnet und in das Vertragsformular eingesetzt worden. Die auf Rückzahlung dieses Betrages nebst entgangenem Gewinn, Verzugszinsen und Ersatz der Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage ist - bis auf einen kleinen Teil der Zinsen - ebenfalls in beiden Vorinstanzen erfolgreich gewesen.

In beiden Verfahren hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs die Revisionen der beklagten Kreditinstitute zurückgewiesen. Die jeweils in Streit stehenden Bestimmungen über das Bearbeitungsentgelt unterliegen der gerichtlichen Inhaltskontrolle gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* und halten dieser - wie die Berufungsgerichte zutreffend entschieden haben - nicht stand.

Wie in der Parallelsache XI ZR 405/12 handelt es sich auch bei der im Verfahren XI ZR 170/13 streitgegenständlichen Regelung um eine - von der beklagten Bank gestellte - Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 307 BGB. Dafür ist ausreichend, wenn das Entgelt, wie dies hier nach den Feststellungen des Berufungsgerichts beim Abschluss der Online-Darlehensverträge der Fall war, zum Zwecke künftiger wiederholter Einbeziehung in Vertragstexte "im Kopf" des Kreditinstituts als Klauselverwender gespeichert ist, anhand der Daten des individuellen Darlehensvertrages errechnet und sodann in ein Leerfeld in der Vertragsurkunde eingesetzt wird.

Die beiden beanstandeten Entgeltklauseln stellen ferner keine gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfreien Preisabreden, sondern vielmehr der Inhaltskontrolle zugängliche Preisnebenabreden dar. Ausgehend von der jeweils ausdrücklichen Bezeichnung als "Bearbeitungsentgelt" haben die Berufungsgerichte aus der maßgeblichen Sicht eines rechtlich nicht gebildeten Durchschnittskunden rechtsfehlerfrei angenommen, die beklagten Banken verlangten ein zusätzliches Entgelt zur Abgeltung ihres Bearbeitungsaufwandes im Zusammenhang mit der Kreditgewährung und der Auszahlung der Darlehensvaluta; dass im Verfahren XI ZR 170/13 ausweislich des Darlehensvertrages das Bearbeitungsentgelt für die "Kapitalüberlassung" geschuldet wird, steht dem bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung  nicht entgegen.
Gemessen hieran ist das Bearbeitungsentgelt weder kontrollfreie Preishauptabrede für die vertragliche Hauptleistung noch Entgelt für eine Sonderleistung der Beklagten. Beim Darlehensvertrag stellt der gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB** vom Darlehensnehmer zu zahlende Zins den laufzeitabhängigen Preis für die Kapitalnutzung dar; aus Vorschriften des Gesetzes- und Verordnungsrechts - insbesondere soweit darin neben Zinsen von "Kosten" die Rede ist - ergibt sich nichts Abweichendes. Mit einem laufzeitunabhängigen Entgelt für die "Bearbeitung" eines Darlehens wird indes gerade nicht die Gewährung der Kapitalnutzungsmöglichkeit "bepreist". Das Bearbeitungsentgelt stellt sich auch nicht als Vergütung für eine sonstige, rechtlich selbständige, gesondert vergütungsfähige Leistung der Beklagten dar. Vielmehr werden damit lediglich Kosten für Tätigkeiten (wie etwa die Zurverfügungstellung der Darlehenssumme, die Bearbeitung des Darlehensantrages, die Prüfung der Kundenbonität, die Erfassung der Kundenwünsche und Kundendaten, die Führung der Vertragsgespräche oder die Abgabe des Darlehensangebotes) auf die Kunden der Beklagten abgewälzt, die die Beklagten im eigenen Interesse erbringen oder auf Grund bestehender eigener Rechtspflichten zu erbringen haben.

Der danach eröffneten Inhaltskontrolle halten die streitigen Klauseln nicht stand. Sie sind vielmehr unwirksam, weil die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts für die Bearbeitung eines Verbraucherdarlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt. Nach dem gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB haben die Beklagten anfallende Kosten für die Kreditbearbeitung und -auszahlung durch den laufzeitabhängig bemessenen Zins zu decken und können daneben kein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt verlangen. Gründe, die die angegriffenen Klauseln bei der gebotenen umfassenden Interessenabwägung gleichwohl als angemessen erscheinen lassen, haben die Beklagten weder dargetan noch sind solche ersichtlich. Insbesondere vermögen bankbetriebswirtschaftliche Erwägungen die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelts nicht zu rechtfertigen, zumal mit einem laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelt in Verbraucherdarlehensverträgen nicht bloß unerhebliche Nachteile für die Kunden bei der Vertragsabwicklung verbunden sind.

Verfassungsrechtliche Erwägungen stehen der Annahme, Bearbeitungsentgelte in Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien unwirksam, ebenso wenig entgegen wie das Unionsrecht einem AGB-rechtlichen Verbot formularmäßig erhobener Bearbeitungsentgelte Grenzen setzt.

Im Verfahren XI ZR 170/13 hat der XI. Zivilsenat - insoweit über den Streitstoff der der Parallelsache XI ZR 405/12 zugrunde liegenden Unterlassungsklage hinausgehend - weiter ausgeführt, dass der dortigen Beklagten auch nicht im Wege ergänzender Vertragsauslegung ein Anspruch auf Zahlung des nicht wirksam vereinbarten Bearbeitungsentgelts gegen die Kläger zugebilligt werden kann. Zudem ist der im Verfahren XI ZR 170/13 streitgegenständliche Bereicherungsanspruch der dortigen Kläger nicht gemäß § 814 Fall 1 BGB*** ausgeschlossen.

Urteil vom 13. Mai 2014 - XI ZR 405/12
LG Dortmund - Urteil vom 3. Februar 2012 - 25 O 519/11
OLG Hamm - Urteil vom 17. September 2012 - 31 U 60/12

und

Urteil vom 13. Mai 2014 - XI ZR 170/13
AG Bonn - Urteil vom 30. Oktober 2012 - 108 C 271/12
LG Bonn - Urteil vom 16. April 2013 - 8 S 293/12
Karlsruhe, den 13. Mai 2014
 
* § 307 BGB

Inhaltskontrolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte und Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrages ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 488 BGB

(1) Durch den Darlehensvertrag wird der Darlehensgeber verpflichtet, dem Darlehensnehmer einen Geldbetrag in der vereinbarten Höhe zur Verfügung zu stellen. Der Darlehensnehmer ist verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehen zurückzuzahlen.

(2) …

(3) …

*** § 814 BGB

Das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete kann nicht zurückgefordert werden, wenn der Leistende gewusst hat, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war, oder wenn die Leistung einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprach.
 
Quelle:
Pressemitteilung Nr. 80/2014 der
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Baurecht - Architekt muss Baukosten ermitteln und berücksichtigen (BGH, 21.03.2013)

Bundesgerichtshof präzisiert Pflichten des Architekten

(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 51/2013 vom 21.03.2013)

Der unter anderem für das Architektenrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute über die Pflichten eines Architekten im Hinblick auf die Ermittlung und Berücksichtigung der Kosten eines von ihm zu planenden Bauwerks entschieden.

Der Beklagte beauftragte 1998 einen Architekten mit der Genehmigungsplanung für ein Wohnhaus. Die vom Architekten vorgelegte Planung wurde nicht realisiert. Nach der Behauptung des Beklagten war sie für ihn unbrauchbar, weil sie mit Baukosten von über 1,5 Mio. DM weit über dem vorgegebenen Kostenrahmen von 800.000 DM gelegen habe. Der Architekt stellte dem Beklagten die erbrachten Planungsleistungen in Rechnung und erhob gegen ihn schließlich Klage auf Zahlung des Honorars.

Die Klage hat in den Vorinstanzen überwiegend Erfolg gehabt. Das Berufungsgericht hat den Einwand des Beklagten, die Planung sei für ihn unbrauchbar gewesen, nicht gelten lassen. Eine vom Architekten bei seiner Planung einzuhaltende Bausummenobergrenze von 800.000 DM sei nicht vereinbart worden.

Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, der Architekt sei grundsätzlich verpflichtet, bereits im Rahmen der sogenannten Grundlagenermittlung mit dem Auftraggeber den wirtschaftlichen Rahmen für ein Bauvorhaben abzustecken und dessen Kostenvorstellungen zu berücksichtigen. Diese dem Architekten gegenüber zum Ausdruck gebrachten Kostenvorstellungen seien in dem Sinne verbindlich, dass sie - vorbehaltlich einer nachträglichen Änderung - den Planungsrahmen bestimmen und jedenfalls dann regelmäßig zum Vertragsinhalt werden, wenn der Architekt ihnen nicht widerspricht. Solche Kostenvorstellungen sind nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs auch dann beachtlich, wenn sie nicht eine genaue Bausummenobergrenze enthalten, sondern nur Angaben zur ungefähren Bausumme, mit denen ein Kostenrahmen abgesteckt wird. Etwaige Zweifel über den Umfang des Kostenrahmens muss der Architekt aufklären, was auch durch die von der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure erfassten Kostenermittlungen für den Auftraggeber geschehen kann. Überschreitet der Architekt den vorgegebenen Kostenrahmen und ist die Planung deshalb unbrauchbar, so kann der Anspruch auf Honorar entfallen. Der Bundesgerichtshof hat die Nichtbeachtung dieser Grundsätze durch das Berufungsgericht beanstandet und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Urteil vom 21. März 2013 – VII ZR 230/11
OLG Bamberg - Urteil vom 2. November 2011 - 3 U 100/11
LG Schweinfurt - Urteil vom 3. Mai 2011 - 24 O 134/00

Karlsruhe, den 21. März 2013
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

(Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs Nr. 51/2013 vom 21.03.2013)

Mietrecht - Kein generelles Verbot von Hunde- und Katzenhaltung (BGH, 20.03.2013)

Kein generelles Verbot von Hunde- und Katzenhaltung durch eine Allgemeine Geschäftsbedingung

(Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 47/2013 vom 20.03.2013)

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob eine Formularklausel in einem Wohnraummietvertrag wirksam ist, welche die Haltung von Hunden und Katzen in einer Mietwohnung generell untersagt.
Der Beklagte mietete eine Wohnung der Klägerin in Gelsenkirchen. Die Klägerin ist eine Genossenschaft, der auch der Beklagte angehört. Im Mietvertrag war - wie bei der Klägerin üblich - als "zusätzliche Vereinbarung" enthalten, dass das Mitglied verpflichtet sei, "keine Hunde und Katzen zu halten."

Der Beklagte zog mit seiner Familie und einem Mischlingshund mit einer Schulterhöhe von etwa 20 cm in die Wohnung ein. Die Klägerin forderte den Beklagten auf, das Tier binnen vier Wochen abzuschaffen. Der Beklagte kam dieser Aufforderung nicht nach. Hierauf hat die Klägerin den Beklagten auf Entfernung des Hundes aus der Wohnung und auf Unterlassung der Hundehaltung in der Wohnung in Anspruch genommen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass eine Allgemeine Geschäftsbedingung des Vermieters, welche die Haltung von Hunden und Katzen in der Mietwohnung generell untersagt, gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB* unwirksam ist. Sie benachteiligt den Mieter unangemessen, weil sie ihm eine Hunde- und Katzenhaltung ausnahmslos und ohne Rücksicht auf besondere Fallgestaltungen und Interessenlagen verbietet. Zugleich verstößt sie gegen den wesentlichen Grundgedanken der Gebrauchsgewährungspflicht des Vermieters in § 535 Abs. 1 BGB**. Ob eine Tierhaltung zum vertragsgemäßen Gebrauch im Sinne dieser Vorschrift gehört, erfordert eine umfassende Interessenabwägung im Einzelfall. Eine generelle Verbotsklausel würde - in Widerspruch dazu - eine Tierhaltung auch in den Fällen ausschließen, in denen eine solche Abwägung eindeutig zugunsten des Mieters ausfiele.
Die Unwirksamkeit der Klausel führt nicht dazu, dass der Mieter Hunde oder Katzen ohne jegliche Rücksicht auf andere halten kann. Sie hat vielmehr zur Folge, dass die nach § 535 Abs. 1 BGB** gebotene umfassende Abwägung der im Einzelfall konkret betroffenen Belange und Interessen der Mietvertragsparteien, der anderen Hausbewohner und der Nachbarn erfolgen muss. Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht eine Zustimmungspflicht der Klägerin zur Hundehaltung rechtsfehlerfrei bejaht.

*§ 307 BGB: Inhaltskontrolle
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder
2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

**§ 535 BGB: Inhalt und Hauptpflichten des Mietvertrags
(1) Durch den Mietvertrag wird der Vermieter verpflichtet, dem Mieter den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren. Der Vermieter hat die Mietsache dem Mieter in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und sie während der Mietzeit in diesem Zustand zu erhalten. Er hat die auf der Mietsache ruhenden Lasten zu tragen.

Urteil vom 20. März 2013 - VIII ZR 168/12
AG Gelsenkirchen-Buer - Urteil vom 16. November 2011 – 28 C 374/11
LG Essen - Urteil vom 15. Mai 2012 – 15 S 341/11
Karlsruhe, den 20. März 2013
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe
Telefon (0721) 159-5013
Telefax (0721) 159-5501

(Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle Nr. 47/2013 vom 20.03.2013)

Arbeitsrecht - Gleiches Arbeitsentgelt für Leiharbeitnehmer (BAG, 13.03.2013)

Gleiches Arbeitsentgelt für Leiharbeitnehmer

(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 17/13 vom 13.03.2013)
 
Das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) verpflichtet den Verleiher, dem Leiharbeitnehmer das gleiche Arbeitsentgelt zu zahlen, das der Entleiher vergleichbaren Stammarbeitnehmern gewährt („equal pay“). Von diesem Gebot der Gleichbehandlung erlaubt das AÜG ein Abweichen durch Tarifvertrag, wobei nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Anwendung der tariflichen Regelungen arbeitsvertraglich vereinbaren können. Tarifverträge, die für Leiharbeitnehmer ein geringeres Arbeitsentgelt vorsehen, als es vergleichbare Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten, hat ua. die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften Zeitarbeit und PSA (CGZP) mit Arbeitgeberverbänden der Leiharbeitsbranche geschlossen. Nachdem der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts am 14. Dezember 2010 (- 1 ABR 19/10 -, vgl. Pressemitteilung Nr. 93/10) festgestellt hat, dass die CGZP nicht tariffähig ist, haben bundesweit zahlreiche Leiharbeitnehmer auf Nachzahlung der Differenz zwischen der von ihren Arbeitgebern gewährten Vergütung und der eines vergleichbaren Stammarbeitnehmers geklagt. In fünf dieser Verfahren hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts heute über die Revisionen verhandelt und entschieden. Dabei ist er von folgenden Grundsätzen ausgegangen:

  • Die CGZP konnte keine wirksamen Tarifverträge schließen. Leiharbeitnehmer, in deren Arbeitsverträgen auf die von der CGZP abgeschlossenen „Tarifverträge“ Bezug genommen ist, haben nach § 10 Abs. 4 AÜG Anspruch auf das Arbeitsentgelt, das ein vergleichbarer Stammarbeitnehmer des Entleihers erhalten hat.
 
  • Etwaiges Vertrauen der Verleiher in die Tariffähigkeit der CGZP ist nicht geschützt.
 
  • Soweit in neueren Arbeitsverträgen neben oder anstelle einer Verweisung auf CGZP-Tarifverträge auf den mehrgliedrigen Tarifvertrag zwischen dem Arbeitgeberverband Mittelständischer Personaldienstleister (AMP), der CGZP und einer Reihe von christlichen Arbeitnehmervereinigungen vom 15. März 2010 Bezug genommen wird, ist eine solche Klausel intransparent und nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB unwirksam, wenn sich nicht ersehen lässt, welches der tariflichen Regelwerke bei sich widersprechenden Regelungen den Vorrang haben soll.
 
  • Der gesetzliche Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG wird zu dem arbeitsvertraglich für die Vergütung vereinbarten Zeitpunkt fällig. Er unterliegt wirksam vereinbarten Ausschlussfristen. Insbesondere darf die Verfallfrist drei Monate nicht unterschreiten. Zur Verhinderung des Verfalls genügt eine Geltendmachung des gesetzlichen Anspruchs dem Grunde nach.
 
  • Der gesetzliche Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt nach § 10 Abs. 4 AÜG unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Leiharbeitnehmer Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen hat (§ 199 Abs. 1 BGB). Dafür reicht die Kenntnis des Leiharbeitnehmers von den Tatsachen. Auf seine rechtliche Beurteilung der Tariffähigkeit der CGZP kommt es nicht an.
 
  • Der Entgeltanspruch nach § 10 Abs. 4 AÜG besteht während der Dauer der Überlassung an ein entleihendes Unternehmen. Zu seiner Berechnung ist ein Gesamtvergleich aller Entgelte im Überlassungszeitraum anzustellen. Dabei bleibt Aufwendungsersatz außer Betracht, es sei denn, es handelt sich um “verschleiertes“ und damit steuerpflichtiges Arbeitsentgelt.
 
Der Fünfte Senat hat in den Verfahren

- 5 AZR 954/11 - unter Aufhebung des Berufungsurteils die Klage
wegen Verfalls der Ansprüche abgewiesen,
 
- 5 AZR 146/12 - wegen unsubstantiierter Darlegung der Zahlungs-
ansprüche die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen
bestätigt,
 
- 5 AZR 242/12 - unter Aufhebung des Berufungsurteils die Sache
an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen, damit die Gesamt-
berechnung der Zahlungsansprüche nachgeholt werden kann,
 
- 5 AZR 294/12 - die Revision der Beklagten zurückgewiesen und
auf die Revision des Klägers das Berufungsurteil teilweise aufge-
hoben und die Sache insoweit an das Landesarbeitsgericht
zurückverwiesen, damit die genaue Höhe des steuerpflichtigen
Bruttoentgelts eines vergleichbaren Arbeitnehmers festgestellt wird,
 
- 5 AZR 424/12 - die Revision gegen das die Klage wegen
Verjährung der Ansprüche abweisende Berufungsurteil
zurückgewiesen.
 
Bundesarbeitsgericht,
Urteile vom 13. März 2013 - 5 AZR 954/11 -, - 5 AZR 146/12 -,
- 5 AZR 242/12 -, - 5 AZR 294/12 - und - 5 AZR 424/12 -

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg,
Urteil vom 20. September 2011 - 7 Sa 1318/11 -

Sächsisches Landesarbeitsgericht,
Urteil vom 23. August 2011 - 1 Sa 322/11 -

Landesarbeitsgericht Düsseldorf,
Urteil vom 8. Dezember 2011
- 11 Sa 852/11 -

Landesarbeitsgericht Hamm,
Urteil vom 25. Januar 2012 - 3 Sa 1544/11 -

Landesarbeitsgericht Hamm,
Urteil vom 21. März 2012 - 3 Sa 1526/11 -


(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 17/13 vom 13.03.2013)

Vertragsrecht - Bank muss Bearbeitungsgebühr erstatten (AG Mönchengladbach, 20.02.2013)

Klage der Kanzlei im Rebland vor dem Amtsgericht Mönchengladbach erfolgreich

Santander Consumer Bank AG muss Bearbeitungsgebühr für den Abschluss eines Darlehensvertrags erstatten
 
Noch immer verlangen viele Banken und Sparkassen für den Abschluss eines privaten Darlehensvertrages eine Bearbeitungsgebühr. Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt hatte über diese Problematik im Wochenblatt vom 19.12.2012 berichtet.

Nunmehr hat das Amtsgericht Mönchengladbach einer Klage der Kanzlei im Rebland  stattgegeben und entschieden, dass solche Bearbeitungsgebühren in Darlehensverträgen mit Verbrauchern unwirksam sind (Urteil vom 20.02.2013, 3 C 460/12). Das Gericht hat die Bank in vollem Umfang zur Erstattung der unzulässigen Bearbeitungsgebühr sowie zur Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt:
 

Amtsgericht Mönchengladbach
 
IM NAMEN DES VOLKES
 
Urteil
 
In dem Rechtsstreit
 
des Herrn --- , ---,79415 Bad Bellingen,
 
Kläger,
 
Prozessbevollmächtigter:      Rechtsanwalt Jens Hugenschmidt, Eisenbahnstraße 7, 79418 Schliengen,
 
gegen
 
die Santander Consumer Bank AG, vertr d d Vorstand, ---
 
Beklagte,
 
Prozessbevollmächtigte:        Rechtsanwälte ---, ---, 41169 Mönchengladbach,
 
hat das Amtsgericht Mönchengladbach
im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung am 20.02.2013
 
durch den Richter am Amtsgericht --- für Recht erkannt:
 
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 453,40 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31.08.2012 zu zahlen.
 
Die Beklagte wird verurteilt, an den KIäger vorgerichtliche
Rechtsanwaltskosten von 83,54 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.11.2012 zu zahlen
 
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt
 
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
 
Tatbestand
 
Der Kläger schloss als Verbraucher mit der Beklagten am 18 03 2011 einen Darlehensvertrag zu Nr. --- über einen Gesamtdarlehensbetrag von 15.276,96 EUR. Hierin enthalten war eine Bearbeitungsgebühr von 3,5 % des
Nettodarlehensbetrages, das entsprach einer Gebühr von 453,40 EUR. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Darlehensvertrages wird auf das als Anlage K 1 zur Akte gereichte Schriftstück verwiesen. Das Darlehen wurde im September 2012 durch Zahlung eines Ablösebetrages abgelöst.
 
Der Kläger ist der Ansicht, dass die Vereinbarung der Bearbeitungsgebühr unwirksam sei
Der Kläger beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 453,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 31 08 2012 zu zahlen, die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 83,54 EUR nebst Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06 11 2012 zu zahlen.
 
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Ansicht, dass die Vereinbarung über eine Bearbeitungsgebühr wirksam sei. Es handele sich bei der vereinbarten Bearbeitungsgebühr um eine Preishauptabrede Es liege insoweit keine Aligemeine Geschäftsbedingung vor.
 
Entscheidungsgründe
 
Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 453,40 EUR aufgrund des streitgegenständliche Darlehensvertrages in Verbindung mit § 812 Abs. 1 S 1 BGB als Rückzahlung der im Vertrag bezeichneten Bearbeitungsgebühr.
 
Eine Rechtsgrundlage für die Zahlung einer Bearbeitungsgebühr an die Beklagte bestand nicht, da die entsprechende Klausel in dem streitgegenständlichen Darlehensvertrag über die Zahlung einer Bearbeitungsgebühr gemaß § 307 Abs 1 S 1 BGB unwirksam ist.
Bei der Klausel handelt es sich um eine Allgemeine Geschäftsbedingung der Beklagten gemäß § 305 Abs. 1 BGB, mit der diese einseitig für die Bewilligung eines Privatkredites eine Iaufzeitunabhängige ,,Bearbeitungsgebühr" nach einem Regelsatz von 3,5 % des ursprünglichen Kreditbetrages festsetzt. Die Bearbeitungsgebühr wurde nicht individuell zwischen den Parteien ausgehandelt Der Umstand, dass der konkrete Betrag für die Bearbeitungsgebühr nicht von vorneherein feststand, ändert hieran nichts, denn dieser wird lediglich entsprechend der Höhe des Darlehens errechnet.
Die hiernach gemäß § 307 BGB eröffnete lnhaltskontrolle entfallt nicht deshalb, weil dem Kunden das Entgelt bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses hinreichend klar vor Augen geführt wird, so dass davon ausgegangen werden kann, dass er es bei seiner Abschlussentscheidung berücksichtigt hat. Lässt eine Klausel die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für den Kunden hinreichend deutlich erkennen, so wahrt sie damit zwar die Anforderungen des Transparenzgebotes gemäß § 307 Abs. 1 S 2 BGB, dies allein lässt jedoch weder die Möglichkeit noch das Bedürfnis, die Klausel darüber hinaus einer inhaltlichen Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 S 1 BGB zu unterziehen, entfallen (BGH WM 2011, 263). Dieses Bedürfnis besteht allein deshalb, weil der Kunde – auch wenn er eine Klausel zur Kenntnis genommen hat - bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die inhaltliche Ausgestaltung der Regelungen keinen Einfluss nehmen kann (BGH a a 0)
Zwar beschränkt § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB die lnhaltskontrolle nach den §§ 307 bis 309 BGB auf solche Bestimmungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden (BGH NJW 2011, 2640). Hierunter fallen weder Klauseln, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung regeln, noch solche, die das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen (BGH a a 0 , m w N). Hat die Regelung hingegen kein Entgelt für eine Leistung, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, zum Gegenstand, sondern walzt der Verwender durch die Bestimmung allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden ab, so ist sie kontrollfähig (BGH a a 0). Solche (Preis-) Nebenabreden werden durch § 307 Abs. 3 S 1 BGB nicht der AGB-Kontrolle entzogen (BGH a a 0 , m w N).
 
Für die Bestimmung, ob einer geforderten Gebühr eine echte Gegenleistung des Verwenders gegenübersteht, ist allein entscheidend, ob es sich bei der in Rede stehenden Gebühr um die Festlegung des Preises für eine vom Klauselverwender angebotene vertragliche Leistung handelt (BGH a a 0). Grundsätzlich ist hierbei der Klauselverwender in der konkreten Ausgestaltung seines Preisgefüges frei, er kann also insbesondere das Entgelt für seine Leistung auch in mehrere Preisbestandteile aufteilen (BGH a.a.O.).
Ob eine konkrete Entgeltregelung eine solche Preisabrede enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn, ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten Durchschnittskunden, einheitlich so auszulegen, wie ihr Wortlaut von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden wird (BGH a.a.O.).
 
Die streitige Bearbeitungsgebühr stellt sich danach nicht als ein Entgelt, das zur Abgeltung einer konkreten vertraglichen Gegenleistung der Beklagten erhoben wird, und daher nicht als Preisabrede dar. Die Bearbeitungsgebühr kann nicht in dem Sinne verstanden werden, dass damit die Kreditgewährung bzw. Kapitalüberlassung durch die Beklagte abgegolten werden soll.
Gemäß § 488 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Darlehensnehmer aufgrund des Darlehensvertrages verpflichtet, einen geschuldeten Zins zu zahlen und bei Fälligkeit das zur Verfügung gestellte Darlehenskapital zurückzuerstatten. Beim Darlehensvertrag stellt daher der Zins die im Gegenseitigkeitsverhältnis zur Kapitalbelassungspflicht des Darlehensgebers stehende Hauptleistung des Darlehensnehmers und mithin den Preis für die Kapitalnutzung dar (BGH a.a.O.). Bei der streitgegenständlichen Bearbeitungsgebühr handelt es sich um ein einmaliges Entgelt für die Bearbeitung eines Antrags auf Gewährung eines Privatkredites. Die dabei anfallenden Kosten sind allgemeine Geschäftskosten, deren Erstattung das Gesetz nicht vorsieht. Diese Geschäftskosten fallen durch einen Aufwand der Beklagten an, den sie im Rahmen ihrer Angebotsprüfung vor Abschluss eines Vertrages betreibt, um sich entweder für oder gegen einen Vertragsschluss zu entscheiden oder um sich darüber klar zu werden, unter welchen Konditionen sie sich vor einem Vertragsschluss entscheiden will (vgl. OLG Düsseldorf Urteil vom 24.02.2011,I-6 U 162/10, 6 U 162/10, zitiert nach juris). Dieser Aufwand besteht insbesondere in einer Bonitätsprüfung des Kunden sowie der von ihm zu stellenden Sicherheiten, ggfls. einer Vertragserstellung, der Auszahlungskontrolle oder der Sicherstellung der Darlehensvaluta (vgl. OLG Düsseldorf a a 0). Da es sich hierbei weder um Hauptleistungspflichten der Beklagten noch um von ihr angebotene Sonderleistungen handelt, stellt die Bearbeitungsgebühr der Beklagten eine sogenannte "Preisnebenabrede" dar, die der Inhaltskontrolle der §§ 307 ff. BGB unterliegt.
 
Die Erhebung einer solchen Gebühr durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist nach § 307 Abs. 1 und 2 BGB unzulässig, da sie den Kunden unangemessen benachteiligt (OLG Düsseldorf a a 0). Mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelungen sind Entgeltklauseln nicht vereinbar, in denen ein Kreditinstitut einen Vergütungsanspruch für Tätigkeiten normiert, zu deren Erbringung es bereits gesetzlich oder aufgrund einer selbständigen vertraglichen Nebenpflicht verpflichtet ist oder die es vorwiegend im eigenen Interesse wahrnimmt, da nach dem gesetzlichen Leitbild für solche Tätigkeiten ein Entgelt nicht beansprucht werden kann (BGH NJW 2011, 2640). Durch diese Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung wird eine gegen Treu und Glauben verstoßende unangemessene Benachteiligung der Kunden des Verwenders bereits indiziert (BGH a a 0).
 
Der der Beklagten durch die Bearbeitungsgebühr abzugeltende Aufwand stellt keine Dienstleistung gegenüber dem Kunden dar, sondern dient vielmehr vordringlich der Wahrung eigener Interessen der Beklagten. Denn diese möchte mit dem zu Vertragsbeginn zu tätigenden Aufwand - etwa durch die vorherige Prüfung von Bonität und Sicherheiten - zum einen prüfen, ob sie mit dem Kunden in eine Vertragsbeziehung treten will und zum anderen - etwa durch die Vorbereitung eines unterschriftsfähigen Vertrages, die Sicherstellung einer eigenen Refinanzierung und die Darlehensauszahlung - eine eigene ordnungsgemäße Vertragserfüllung sicherstellen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die üblicherweise durchgeführte Prüfung von Bonität und Sicherheiten des Kunden in dessen Interesse durchgeführt wird und damit eine Leistung an ihn darstellt (OLG Düsseldorf a a 0). Sie erfolgt vielmehr im Vermögensinteresse der Bank, die dem Kunden gegenüber gerade nicht dazu verpflichtet ist, diesen unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit seiner Kreditaufnahme zu beraten (OLG Düsseldorf a.a.0.). Auch eine Antragsbearbeitung im Sinne einer Aufarbeitung der Vermögensverhältnisse eines Privatkreditkunden erfolgt im eigenen Geschäftsinteresse des Kreditgebers, eine echte Dienstleistung liegt hierin nicht (OLG Dusseldorf a.a.0.).
 
Die Entgeltklausel ist auch nicht im Hinblick auf § 6 PAngV angemessen. Denn § 6 PAngV verhält sich nicht über das Recht des Kreditinstituts zu einer Entgelterhebung Die Vorschrift des § 6 Abs. 3 PAngV regelt als formelles Preisrecht bzw. Preisordnungsrecht nicht die Zulässigkeit von bestimmten Preisen, sondern allein die Art und Weise der Preisangabe im Verkehr (BGH NJW 2011, 2640, OLG Düsseldorf a a 0).
 
Die streitgegenständliche Bearbeitungsgebühr entspricht hinsichtlich der maßgeblichen Frage einer Preisabrede auch nicht der von einem Bausparer zu entrichtenden Abschlussgebühr, die gemäß § 307 BGB als wirksam angesehen wird. Beim Bausparen kommt ein stetiges Neukundengeschäft - anders als in einem bilateralen Austauschvertrag - gerade nicht nur dem Unternehmer zu Gute, sondern unmittelbar auch der Bauspargemeinschaft, so dass die Bausparkassen mit dieser durch die Abschlussgebühr zu vergütenden Tätigkeit auch kollektive Gesamtinteressen wahrnehmen (BGH a.a.0.). Die mit jedem Bausparvertrag bezweckte Zuteilung der Bausparsumme ist dadurch unmittelbar mit der Entwicklung der zur Verfügung stehenden Zuteilungsmittel verknüpft, so dass es dem gesetzlichen Leitbild des Bausparens nicht widerspricht, wenn die Kosten, die für die Anwerbung neuer Kunden anfallen, von den neu in die Gemeinschaft eintretenden Bausparern zu tragen sind (BGH a a 0). Eine entsprechende Situation, bei der das Neukundengeschäft unmittelbar der ,,Gemeinschaft der Darlehensnehmer" zugutekommt, besteht bei den streitgegenständlichen Darlehensverträgen nicht.
 
Hiernach ist die Klausel in dem streitgegenständlichen Vertrag über die Erhebung einer Bearbeitungsgebühr unwirksam und damit der Klageantrag auf Rückzahlung begründet.
 
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen im zuerkannten Umfang aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß den §§ 280, 286, 288 BGB. Die Beklagte befindet sich aufgrund ihrer Ablehnung einer Erstattung am 31.08.2012 seit diesem Tag in Verzug. Der Kläger hat einen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten von 83,54 EUR aus dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß den §§ 280, 286 BGB. Diese berechnen sich nach dem RVG aufgrund einer 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer. Der KIäger hat einen Anspruch auf Zahlung von Zinsen hieraus gemäß den §§ 291, 288 BGB seit Zustellung der Klage am 06.11.2012.
 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
 
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO
 
Streitwert 453,40 EUR
 
---
Richter am Amtsgericht

Amtsgericht Mönchengladbach, Urteil vom 20.02.2013, 3 C 460/12

Mietrecht - Lagerung von Kartons auf Pkw-Stellplatz unzulässig (AG München, 18.02.2013)

Wie nutzt man einen Tiefgaragenstellplatz?

(Pressemitteilung des Amtsgerichts München Nr. 08/13 vom 18.02.2013)

Tiefgaragenplätze dürfen, sofern im Mietvertrag nichts anderes geregelt ist, nur zum Abstellen von Autos, nicht zur Lagerung von Kartons oder ähnlichem genutzt werden.

Ein Münchner Ehepaar hatte eine Wohnung gemietet, zu der auch ein Tiefgaragenstellplatz gehörte. Anfang 2011 stellte die Vermieterin fest, dass ihre Mieter auf dem Tiefgaragenstellplatz Kartons und Plastikmaterial lagerten. Sie forderte das Ehepaar auf, dieses zu entfernen. Schließlich sei der Tiefgaragenplatz dafür nicht gedacht. Außerdem bestünden feuerpolizeiliche Bedenken. Die Mieter weigerten sich, deshalb erhob die Vermieterin Klage vor dem Amtsgericht München.

Die zuständige Richterin gab ihr Recht:
Grundsätzlich dürfe ein Mieter Garagen und Stellplätze nur im Rahmen des Vertragszweckes nutzen. Fehle es an einer ausdrücklichen vertraglichen Regelung sei der Umfang der Gebrauchsgewährung durch Auslegung zu ermitteln. Anhaltspunkte dazu könnten der Reichsgaragenordnung entnommen werden. Danach seien Stellplätze unbebaute oder mit Schutzdächern versehene, weder dem ruhenden noch dem fließenden Verkehr dienende Flächen, die zum Einstellen von Kraftfahrzeugen bestimmt seien. Da sie keinen geschlossenen Raum, sondern lediglich eine ungeschützte Fläche bilden, seien sie grundsätzlich nur für das Abstellen eines PKWs geeignet. Vor diesem Hintergrund würde bereits das Einverständnis der Klägerin zum Abstellen der Fahrräder auf dem Stellplatz ein Entgegenkommen darstellen. Andere Gegenstände seien jedenfalls zu entfernen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Urteil des Amtsgerichts München vom 21.11.12, AZ 433 C 7448/12

Arbeitsrecht - Entschädigung für Diskriminierung eines älteren Bewerbers (BAG, 24.01.2013)

 Altersbedingte Diskriminierung eines Stellenbewerbers
 
(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 5/13 vom 24.01.2013)

Sucht ein öffentlicher Arbeitgeber in einer an „Berufsanfänger“ gerichteten Stellenanzeige für ein Traineeprogramm „Hochschulabsolventen/Young Professionells“ und lehnt er einen 36jährigen Bewerber mit Berufserfahrung bei einer Rechtschutzversicherung und als Rechtsanwalt ab, so ist dies ein Indiz für eine Benachteiligung dieses Bewerbers wegen seines Alters. Der Arbeitgeber trägt dann die Beweislast dafür, dass ein solcher Verstoß nicht vorgelegen hat. Er darf sich darauf berufen, dass der Bewerber aufgrund seiner im Vergleich zu den Mitbewerbern schlechteren Examensnoten nicht in die eigentliche Bewerberauswahl einbezogen worden ist.

Die Beklagte - eine öffentlich-rechtliche Krankenhausträgerin - hatte Zeitungsinserate aufgegeben, in denen es u. a. heißt: „Die C. hat in den kommenden Jahren einen relevanten Bedarf an Nachwuchsführungskräften. Um diesen abzudecken, gibt es ein spezielles Programm für Hochschulabsolventen/Young Professionells: Traineeprogramm an der C. Dabei sollen jährlich zunächst zwei Hochschulabsolventen rekrutiert und dem Programm „C“ zugeführt werden. Da es sich per definitionem um Berufsanfänger handelt, stehen neben den erworbenen Fähigkeiten vor allem die persönlichen Eigenschaften im Mittelpunkt.“
Der damals 36jährige Kläger, ein Volljurist mit mehrjähriger Berufserfahrung, erhielt auf seine Bewerbung eine Absage. Dies sah er als eine Benachteiligung wegen seines Alters an und verlangte von der Beklagten eine Entschädigung. Die Beklagte bestritt eine solche Diskriminierung und machte geltend, sie habe eine Auswahl nach den Examensnoten getroffen und nur diejenigen Bewerber in Betracht gezogen, die Examensnoten von gut oder sehr gut aufgewiesen hätten.
 
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Die Stellenausschreibung, die sich an Hochschulabsolventen/Young Professionells und an Berufsanfänger richtet, begründet ein Indiz für eine Benachteiligung des abgelehnten Klägers wegen dessen Alters. Dieses Indiz könnte die Beklagte widerlegen, wenn sie nur die Bewerber mit den besten Examensnoten in die Bewerberauswahl einbezogen hätte, weil sie als öffentliche Arbeitgeberin gemäß Art. 33 Abs. 2 GG Stellen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung der Bewerber zu besetzen hatte. Da der Kläger eine solche Bewerberauswahl durch die Beklagte bestritten hatte, war die Sache zur weiteren Sachaufklärung und erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
  
Bundesarbeitsgericht: Urteil vom 24. Januar 2013 - 8 AZR 429/11 –
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14. Januar 2011 - 9 Sa 1771/10 - 

Vertragsrecht - Schadensersatz für Ausfall eines Internetanschlusses (BGH, 24.01.2013)

Bundesgerichtshof erkennt Schadensersatz für den Ausfall eines Internetanschlusses zu

(Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 14/2013 vom 24.01.2013)

Der unter anderem für das Telekommunikationsrecht zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat dem Kunden eines Telekommunikationsunternehmens Schadensersatz für den mehrwöchigen Ausfall seines DSL-Anschlusses zuerkannt.

Infolge eines Fehlers des beklagten Telekommunikationsunternehmens bei einer Tarifumstellung konnte der Kläger seinen DSL-Internetanschluss in der Zeit vom 15. Dezember 2008 bis zum 16. Februar 2009 nicht nutzen. Über diesen Anschluss wickelte er auch seinen Telefon- und Telefaxverkehr ab (Voice und Fax over IP, VoIP). Neben Mehrkosten, die infolge des Wechsels zu einem anderen Anbieter und für die Nutzung eines Mobiltelefons anfielen, verlangt der Kläger Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit, seinen DSL-Anschluss während des genannten Zeitraums für die Festnetztelefonie sowie für den Telefax- und Internetverkehr zu nutzen, in Höhe von 50 € täglich.

In den Vorinstanzen sind dem Kläger 457,50 € für das höhere, bei dem anderen Anbieter anfallende Entgelt sowie für die Kosten der Mobilfunknutzung zuerkannt worden. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger seinen Schadensersatzanspruch für die entgangenen Nutzungsmöglichkeiten seines DSL-Anschlusses weiter verfolgt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Ersatz für den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit eines Wirtschaftsguts grundsätzlich Fällen vorbehalten bleiben, in denen sich die Funktionsstörung typischerweise als solche auf die materiale Grundlage der Lebenshaltung signifikant auswirkt.
In Anwendung dieses Maßstabs hat der III. Zivilsenat einen Schadensersatzanspruch wegen des Ausfalls des Telefaxes verneint. Dieses vermittelt lediglich die Möglichkeit, Texte oder Abbildungen bequemer und schneller als auf dem herkömmlichen Postweg zu versenden. Der Fortfall des Telefaxes wirkt sich zumindest in dem hier in Rede stehenden privaten Bereich nicht signifikant aus, zumal diese Art der Telekommunikation zunehmend durch die Versendung von Text- und Bilddateien mit elektronischer Post verdrängt wird.
Im Ergebnis hat der Senat einen Schadensersatzanspruch auch für den Ausfall des Festnetztelefons abgelehnt. Allerdings stellt die Nutzungsmöglichkeit des Telefons ein Wirtschaftsgut dar, dessen ständige Verfügbarkeit für die Lebensgestaltung von zentraler Wichtigkeit ist. Die Ersatzpflicht des Schädigers für die entgangene Möglichkeit, Nutzungsvorteile aus einem Wirtschaftsgut zu ziehen, entfällt jedoch, wenn dem Geschädigten ein gleichwertiger Ersatz zur Verfügung steht und ihm der hierfür anfallende Mehraufwand ersetzt wird. Dies war vorliegend der Fall, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitraum ein Mobiltelefon nutzte und er die dafür angefallenen zusätzlichen Kosten ersetzt verlangen konnte.

Demgegenüber hat der Senat dem Kläger dem Grunde nach Schadensersatz für den Fortfall der Möglichkeit zuerkannt, seinen Internetzugang für weitere Zwecke als für den Telefon- und Telefaxverkehr zu nutzen. Die Nutzbarkeit des Internets ist ein Wirtschaftsgut, dessen ständige Verfügbarkeit seit längerer Zeit auch im privaten Bereich für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise von zentraler Bedeutung ist. Das Internet stellt weltweit umfassende Informationen in Form von Text-, Bild-, Video- und Audiodateien zur Verfügung. Dabei werden thematisch nahezu alle Bereiche abgedeckt und verschiedenste qualitative Ansprüche befriedigt. So sind etwa Dateien mit leichter Unterhaltung ebenso abrufbar wie Informationen zu Alltagsfragen bis hin zu hochwissenschaftlichen Themen. Dabei ersetzt das Internet wegen der leichten Verfügbarkeit der Informationen immer mehr andere Medien, wie zum Beispiel Lexika, Zeitschriften oder Fernsehen. Darüber hinaus ermöglicht es den weltweiten Austausch zwischen seinen Nutzern, etwa über E-Mails, Foren, Blogs und soziale Netzwerke. Zudem wird es zunehmend zur Anbahnung und zum Abschluss von Verträgen, zur Abwicklung von Rechtsgeschäften und zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten genutzt. Der überwiegende Teil der Einwohner Deutschlands bedient sich täglich des Internets. Damit hat es sich zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.

Zur Höhe des Schadensersatzes hat der Senat ausgeführt, dass der Kläger in Übertragung der insoweit von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auf die vorliegende Fallgestaltung einen Betrag verlangen kann, der sich nach den marktüblichen, durchschnittlichen Kosten richtet, die in dem betreffenden Zeitraum für die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses mit der vereinbarten Kapazität ohne Telefon- und Faxnutzung angefallen wären, bereinigt um die auf Gewinnerzielung gerichteten und sonstigen, eine erwerbwirtschaftliche Nutzung betreffenden Wertfaktoren.
Zur näheren Sachaufklärung hierzu hat der Senat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Urteil vom 24. Januar 2013 – III ZR 98/12

AG Montabaur - Urteil vom 7. Dezember 2010 – 5 C 442/10
LG Koblenz - Urteil vom 7. März 2012 – 12 S 13/11

Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Erbrecht - Zur Haftung des Erben für Mietschulden des Erblassers (BGH, 23.01.2013)

Haftung des Erben für Forderungen aus dem Mietverhältnis

(Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 10/2013 vom 23.01.2013)

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit dem Umfang der Haftung des Erben für Forderungen aus dem – mit dem Tod des Mieters auf den Erben übergegangenen – Mietverhältnis beschäftigt.

Der Vater der Beklagten war Mieter einer Wohnung in Nürnberg. Er starb am 8. Oktober 2008. Der Kläger macht aus abgetretenem Recht der Vermieterin gegen die Beklagte als Erbin ihres Vaters Ansprüche aus dem zum 31. Januar 2009 beendeten Mietverhältnis geltend. Er verlangt Zahlung der Miete für die Monate November 2008 bis Januar 2009 sowie Schadensersatz wegen unvollständiger Räumung, nicht durchgeführter Schönheitsreparaturen und Beschädigung der Mietsache, insgesamt 7.721,54 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten. Die Beklagte hat die Dürftigkeitseinrede nach § 1990 Abs. 1 Satz 1 BGB* erhoben.

Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und der Beklagten die Beschränkung der Haftung auf den Nachlass vorbehalten. Das Landgericht hat das amtsgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage bis auf einen Betrag von 2.512,48 € (Miete für November 2008 bis Januar 2009 sowie 250 € Räumungskosten) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 311,19 € abgewiesen. Die weitergehende Berufung der Beklagten hat es zurückgewiesen.

Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass jedenfalls dann, wenn das Mietverhältnis innerhalb der in § 564 Satz 2 BGB** bestimmten Frist beendet wird, auch die nach dem Tod des Mieters fällig werdenden Forderungen aus dem Mietverhältnis reine Nachlassverbindlichkeiten sind – mit der Folge, dass der Erbe die Haftung auf den Nachlass beschränken kann und nicht daneben mit seinem Eigenvermögen haftet. § 564 Satz 1 BGB** begründet keine persönliche Haftung des Erben. Weder aus dem Wortlaut noch aus der systematischen Stellung der Vorschrift lässt sich entnehmen, dass dem Erben im Hinblick auf das Wohnraummietverhältnis des Erblassers eine mit einer persönlichen Haftung verbundene Sonderstellung zugewiesen sein soll.
Da die Klage nur auf Erfüllung reiner Nachlassverbindlichkeiten gerichtet ist, die Beklagte jedoch die Dürftigkeitseinrede erhoben und das Berufungsgericht die Unzulänglichkeit des Nachlasses festgestellt hat, hat der Senat die Klage insgesamt abgewiesen.

*§ 1990 BGB: Dürftigkeitseinrede des Erben
(1) Ist die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht tunlich oder wird aus diesem Grunde die Nachlassverwaltung aufgehoben oder das Insolvenzverfahren eingestellt, so kann der Erbe die Befriedigung eines Nachlassgläubigers insoweit verweigern, als der Nachlass nicht ausreicht. Der Erbe ist in diesem Fall verpflichtet, den Nachlass zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers im Wege der Zwangsvollstreckung herauszugeben.

**§ 564 BGB: Fortsetzung des Mietverhältnisses mit dem Erben, außerordentliche Kündigung
Treten beim Tod des Mieters keine Personen im Sinne des § 563 in das Mietverhältnis ein oder wird es nicht mit ihnen nach § 563a fortgesetzt, so wird es mit dem Erben fortgesetzt. In diesem Fall ist sowohl der Erbe als auch der Vermieter berechtigt, das Mietverhältnis innerhalb eines Monats außerordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen, nachdem sie vom Tod des Mieters und davon Kenntnis erlangt haben, dass ein Eintritt in das Mietverhältnis oder dessen Fortsetzung nicht erfolgt sind.

Urteil vom 23. Januar 2013 - VIII ZR 68/12

AG Nürnberg – Urteil vom 15. Juni 2010 – 29 C 5423/09
LG Nürnberg-Fürth – Urteil vom 7. Februar 2012 – 7 S 5446/10

Pressestelle des Bundesgerichtshofs 
76125 Karlsruhe

Verkehrsrecht - Neuer europäischer Führerschein (Europäische Kommission, 18.01.2013)

Straßenverkehr: Neuer europäischer Führerschein

(Europäische Kommission, Pressemitteilung  vom 18. 01. 2013)

 Ab dem 19. 1. 2013 werden in der gesamten EU alle neuen Führerscheine in Form einer Plastik-Scheckkarte in einem europäischen Standardformat und mit effektiveren Sicherheitsmerkmalen ausgestellt. Dieser neue europäische Führerschein wird schrittweise die über 100 unterschiedlichen Papier- und Plastikmodelle ablösen, die derzeit noch bei über 300 Millionen Fahrern in der EU in Gebrauch sind. Diese Maßnahme ist Teil eines umfangreicheren Maßnahmenpakets (Dritte EU-Führerscheinrichtlinie), dessen Umsetzung zu mehr Freizügigkeit sowie zur Eindämmung des Führerscheinbetrugs und zur Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit in der EU beitragen soll.
Dies sind die wichtigsten Änderungen, die am 19. 1. 2013 in Kraft treten:

Europäisches Standardformat
Alle neuen europäischen Führerscheine werden in einem neuen Format ausgestellt, dem einer Plastik-Scheckkarte, mit einem Lichtbild und Standard-Informationsanforderungen; sie sollen leicht zu erkennen und EU-weit lesbar sein (siehe Bild unten). Alle neuen Führerscheine werden ab dem 19. 1. 2013 in diesem Format ausgestellt. Bereits bestehende Führerscheine bleiben unberührt, werden jedoch bei der Erneuerung bzw. spätestens 2033 im neuen Format ausgestellt. Der europäische Führerschein kann angepasst werden, um je nach Entscheidung der einzelnen Mitgliedstaaten nationale Symbole aufzunehmen.

Verbesserte Sicherheit
Der neue Führerschein hat eine Reihe von Sicherheitsmerkmalen, die ihn „manipulationssicher” machen und vor Fälschung schützen sollen. Zudem wird gleichzeitig ein europäisches Datenaustauschsystem eingerichtet, um den Austausch von Informationen zwischen nationalen Behörden zu erleichtern. Dadurch werden Verwaltungsverfahren für Führerscheine beim Umzug von Bürgern in einen anderen Mitgliedstaat vereinfacht. Das System wird auch wesentlich dazu beitragen, „Führerscheintourismus” und Fälschungen zu bekämpfen; so wird es zum Beispiel leichter, das neue und strengere Verbot durchzusetzen, wonach die Mitgliedstaaten Personen, deren Führerschein in einem anderen Mitgliedstaat entzogen, ausgesetzt oder mit Einschränkungen versehen wurde, keinen Führerschein ausstellen dürfen.

Regelmäßige Erneuerung der Führerscheine
Eine zentrale Anforderung bei der Bekämpfung von Betrug und der Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit ist die regelmäßige Erneuerung der Führerscheine in der gesamten EU. Nach den neuen Vorschriften müssen die Führerscheine für PKW- und Kraftradfahrer je nach Mitgliedstaat alle10-15 Jahre erneuert werden. Für Bus- und LKW-Fahrer ist alle fünf Jahre eine Erneuerung sowie eine ärztliche Untersuchung vorgesehen.
Dabei handelt es sich um eine administrative Erneuerung ohne zusätzliche Prüfung. Auf diese Weise bleiben Informationen des Führerscheins, Lichtbilder usw. auf dem neusten Stand, Sicherheitsmerkmale auf den Karten können an neue Technologien angepasst werden und die Mitgliedstaaten verfügen stets über aktuelle Informationen zu den in Umlauf befindlichen Führerscheinen.

Schutz unfallgefährdeter Fahrer
Der europäische Führerschein stärkt den Schutz in den Kategorien der am meisten gefährdeten Verkehrsteilnehmer. Dazu gehören:
  • Anhebung des Mindestalters für den Direktzugang (durch praktische und theoretische Prüfung) zu Führerscheinen für die stärksten Krafträder von derzeit 21 auf 24 Jahre.
  • Anhebung des Mindestalters sowie Einführung zusätzlicher Schritte beim stufenweisen Zugang. Nach der neuen Regelung ist eine Fahrpraxis von mindestens vier Jahren (anstatt zwei) mit schwächeren Krafträdern erforderlich, bevor eine Fahrerlaubnis für die stärksten Krafträder erteilt wird.
  • Kleinkrafträder bilden eine neue Fahrzeugkategorie, außerdem müssen Kandidaten für Kleinkraftrad-Führerscheine ab jetzt eine theoretische Prüfung ablegen. Die Mitgliedstaaten können auch Prüfungen von Fähigkeiten und Verhaltensweisen sowie ärztliche Untersuchungen einführen. Die EU legt 16 Jahre als empfohlenes Mindestalter fest, ab dem Führerscheine von allen Mitgliedstaaten gegenseitig anerkannt werden (im eigenen Land können die Mitgliedstaaten das Alter auf 14 Jahre herabsetzen). Bisher gab es für Kleinkrafträder keine Mindestanforderungen auf EU-Ebene.
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Mindeststandards für Fahrprüfer
Fahrprüfer müssen im Hinblick auf ihre Erstqualifikation sowie ihre regelmäßige Fortbildung bestimmte Mindestanforderungen erfüllen. Diese Maßnahme wird in dem neuen System eine Qualitätskontrolle sicherstellen.
Die Richtlinie 2006/126/EG über den Führerschein wurde von den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament 2006 angenommen. Sie musste von den Mitgliedstaaten bis zum 19. Januar 2011 umgesetzt werden und findet ab dem 19. 1. 2013 in vollem Umfang Anwendung.
 
(Pressemitteilung der Europäischen Kommission v. 18. 1. 2013)

Vertragsrecht - Bank darf Girovertrag ohne besonderen Grund kündigen (BGH, 15.01.2013)

Bundesgerichtshof entscheidet über das ordentliche Kündigungsrecht der privaten Banken

(Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 8/2013 vom 15.01.2013)

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat hat heute entschieden, dass die ordentliche Kündigung eines Girovertrags nach Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 nicht voraussetzt, dass eine private Bank eine Abwägung ihrer Interessen an einer Beendigung des Vertragsverhältnisses mit den Interessen des Kunden an dessen Fortbestand vornimmt.
Die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die Bücher und Zeitschriften vertreibt, unterhielt bei der beklagten privaten Bank seit September 2006 ein Girokonto, das sie für ihren Geschäftsverkehr nutzte. Ihrer Vertragsbeziehung zur Beklagten lagen deren Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB-Banken 2002) zugrunde, die unter anderem folgende Klausel enthielten:

"19.Kündigungsrechte der Bank
(1) Kündigung unter Einhaltung einer Kündigungsfrist
Die Bank kann die gesamte Geschäftsverbindung oder einzelne Geschäftsbeziehungen, für die weder eine Laufzeit noch eine abweichende Kündigungsregelung vereinbart ist, jederzeit unter Einhaltung einer angemessenen Kündigungsfrist kündigen (zum Beispiel den Scheckvertrag, der zur Nutzung von Scheckvordrucken berechtigt). Bei der Bemessung der Kündigungsfrist wird die Bank auf die berechtigten Belange des Kunden Rücksicht nehmen. Für die Kündigung der Führung von laufenden Konten und Depots beträgt die Kündigungsfrist mindestens sechs Wochen.
[…]"


Die Beklagte teilte der Klägerin unter dem 22. Juli 2009 mit, sie sehe sich "aus grundsätzlichen Erwägungen" nicht mehr in der Lage, die Kontoverbindung mit der Klägerin aufrecht zu erhalten, und kündigte mit einer sechswöchigen Kündigungsfrist.

Mit ihrer in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage begehrt die Klägerin festzustellen, der Girovertrag bestehe fort.
Der XI. Zivilsenat hat auf die vom Berufungsgericht zugelassene Revision das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen für seine Entscheidung maßgeblich:

Im Ergebnis richtig hat das Berufungsgericht angenommen, mittels Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 sei ein ordentliches Kündigungsrecht wirksam vereinbart, auch wenn die Bestimmung der Beklagten nicht abverlangt, ihr Interesse an einer Vertragsbeendigung mit dem Interesse der Klägerin an der Fortführung des Vertrages abzuwägen. Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 hält einer Inhaltskontrolle stand.
Auch ist die Ausübung des Kündigungsrechts auf der Grundlage der Nr. 19 Abs. 1 AGB-Banken 2002 im konkreten Fall nicht verbots- oder treuwidrig gewesen. Insbesondere statuiert das vom Grundsatz der Privatautonomie beherrschte bürgerliche Recht keine über eine mittelbare Drittwirkung des allgemeinen Gleichheitssatzes begründbare allgemeine Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung, hier bei der Ausübung eines vertraglich vereinbarten ordentlichen Kündigungsrechts. Entsprechend oblag es der Beklagten nicht, eine Ungleichbehandlung der Klägerin im Verhältnis zu anderen Kunden mittels einer Angemessenheits- oder Verhältnismäßigkeitsprüfung sachlich zu rechtfertigen. Der konkrete Fall bietet auch keine Besonderheiten, die eine Kündigung als rechtsmissbräuchlich bzw. als schikanös oder eine Kündigungsfrist von sechs Wochen als zu kurz bemessen erscheinen lassen.

Die Sache ist jedoch noch nicht entscheidungsreif, weil das Berufungsgericht, anstatt aufzuklären, ob die Beklagte - wie von der Klägerin bestritten - bei Erklärung der Kündigung mit Schreiben vom 22. Juli 2009 wirksam vertreten war, die Klageerwiderung als erneute Kündigung interpretiert hat. Dabei hat es deren Wortlaut überdehnt. Der XI. Zivilsenat hat die Sache deshalb zur Prüfung der Vertretungsverhältnisse an das Berufungsgericht zurückgegeben.

Urteil vom 15. Januar 2013 - XI ZR 22/12
LG Bremen - Urteil vom 6. Januar 2011 - 2 O 2150/09
Hanseatisches OLG Bremen - Urteil vom 9. Dezember 2011 - 2 U 20/11 (veröffentlicht: WM 2012, 1239 ff.)

Karlsruhe, den 15. Januar 2013
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

Urheberrecht - Eltern haften nicht für Musikdownloads des Kindes (BGH, 15.11.2012)

Bundesgerichtshof zur Haftung von Eltern für illegales Filesharing ihrer minderjährigen Kinder
 
(Mitteilung der Pressestelle Nr. 193/2012 vom 15.11.2012)

Der unter anderem für das Urheberrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat heute entschieden, dass Eltern für das illegale Filesharing eines 13-jährigen Kindes grundsätzlich nicht haften, wenn sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt hatten und keine Anhaltspunkte dafür hatten, dass ihr Kind diesem Verbot zuwiderhandelt.
Die Klägerinnen sind Tonträgerhersteller. Sie sind Inhaber ausschließlicher urheberrechtlicher Nutzungsrechte an zahlreichen Musikaufnahmen.

Am 28. Januar 2007 wurden nach den Ermittlungen eines von den Klägerinnen beauftragten Unternehmens in einer Internettauschbörse unter einer bestimmten IP-Adresse 1147 Audiodateien zum kostenlosen Herunterladen angeboten. Die Klägerinnen stellten Strafanzeige gegen Unbekannt und teilten der Staatsanwaltschaft die IP-Adresse mit. Nach der im Ermittlungsverfahren eingeholten Auskunft des Internetproviders war die IP-Adresse zur fraglichen Zeit dem Internetanschluss der Beklagten zugewiesen.

Bei den Beklagten handelt es sich um ein Ehepaar. Sie hatten den Internetanschluss auch ihrem damals 13 Jahre alten Sohn zur Verfügung gestellt, dem sie zu seinem 12. Geburtstag den gebrauchten PC des Beklagten zu 1 überlassen hatten. Bei einer vom zuständigen Amtsgericht angeordneten Durchsuchung der Wohnung der Beklagten wurde am 22. August 2007 der PC des Sohnes der Beklagten beschlagnahmt. Auf dem Computer waren die Tauschbörsenprogramme "Morpheus" und "Bearshare" installiert; das Symbol des Programms "Bearshare" war auf dem Desktop des PC zu sehen. Nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft ließen die Klägerinnen die Beklagten durch einen Rechtsanwalt abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auffordern. Die Beklagten gaben die Unterlassungserklärung ab. Sie weigerten sich jedoch, Schadensersatz zu zahlen und die Abmahnkosten zu erstatten.

Die Klägerinnen sind der Ansicht, die Beklagten seien wegen einer Verletzung ihrer elterlichen Aufsichtspflicht zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der durch das unbefugte öffentliche Zugänglichmachen der Musikstücke entstanden sei. Sie nehmen die Beklagten wegen des öffentlichen Zugänglichmachens von 15 Musikaufnahmen auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 200 € je Titel, insgesamt also 3.000 € nebst Zinsen sowie auf Erstattung von Abmahnkosten in Höhe von 2.380,80 € in Anspruch.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben. Das Berufungsgericht hat angenommen, die Beklagten hafteten nach § 832 Abs. 1 BGB für den durch das illegale Filesharing ihres minderjährigen Sohnes entstandenen Schaden, weil sie ihre elterliche Aufsichtspflicht verletzt hätten. Sie hätten die Einhaltung der von ihnen aufgestellten Verhaltensregeln für die Internetnutzung nicht - wie von ihnen behauptet - kontrolliert. Hätten die Beklagte auf dem Computer ihres Sohnes tatsächlich eine Firewall und ein Sicherheitsprogramm installiert, das bezüglich der Installation weiterer Programme auf "keine Zulassung" gestellt gewesen wäre, hätte ihr Sohn die Filesharingsoftware nicht installieren können. Hätte der Beklagte zu 1 den PC seines Sohnes monatlich überprüft, hätte er die von seinem Sohn installierten Programme bei einem Blick in die Softwareliste oder auf den Desktop des Computers entdecken müssen.

Der Bundesgerichtshof hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach Ansicht des BGH genügen Eltern ihrer Aufsichtspflicht über ein normal entwickeltes 13-jähriges Kindes, das ihre grundlegenden Gebote und Verbote befolgt, regelmäßig bereits dadurch, dass sie das Kind über das Verbot einer rechtswidrigen Teilnahme an Internettauschbörsen belehren. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internet durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern - so der BGH - erst verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch das Kind haben.

Urteil vom 15. November 2012 - I ZR 74/12 - Morpheus
LG Köln - Urteil vom 30. März 2011 - 28 O 716/10
CR 2011, 687
OLG Köln - Urteil vom 23. März 2012 - 6 U 67/11
WRP 2012, 1007

Karlsruhe, den 15. November 2012
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe

 

Arbeitsrecht - Ärztliches Attest schon ab dem ersten Krankheitstag (BAG, 14.11.2012)

Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung

(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichtes Nr. 78/12 vom 14.11.2012)

Nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) ist der Arbeitgeber berechtigt, von dem Arbeitnehmer die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer schon von dem ersten Tag der Erkrankung an zu verlangen. Die Ausübung dieses Rechts steht im nicht an besondere Voraussetzungen gebundenen Ermessen des Arbeitgebers.

Die Klägerin ist bei der beklagten Rundfunkanstalt als Redakteurin beschäftigt. Sie stellte für den 30. November 2010 einen Dienstreiseantrag, dem ihr Vorgesetzter nicht entsprach. Eine nochmalige Anfrage der Klägerin wegen der Dienstreisegenehmigung am 29. November wurde abschlägig beschieden. Am 30. November meldete sich die Klägerin krank und erschien am Folgetag wieder zur Arbeit. Daraufhin forderte die Beklagte die Klägerin auf, künftig schon am ersten Tag der Krankmeldung einen Arzt aufzusuchen und ein entsprechendes Attest vorzulegen. Mit ihrer Klage hat die Klägerin den Widerruf dieser Weisung begehrt und geltend gemacht, das Verlangen des Arbeitgebers auf Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bereits für den ersten Tag der Erkrankung bedürfe einer sachlichen Rechtfertigung. Außerdem sehe der für die Beklagte geltende Tarifvertrag ein derartiges Recht nicht vor.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. Die Ausübung des dem Arbeitgeber von § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG eingeräumten Rechts steht im nicht gebundenen Ermessen des Arbeitgebers. Insbesondere ist es nicht erforderlich, dass gegen den Arbeitnehmer ein begründeter Verdacht besteht, er habe in der Vergangenheit eine Erkrankung nur vorgetäuscht. Eine tarifliche Regelung steht dem nur entgegen, wenn sie das Recht des Arbeitgebers aus § 5 Abs. 1 Satz 3 EFZG ausdrücklich ausschließt. Das war vorliegend nicht der Fall.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14. November 2012 - 5 AZR 886/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 14. September 2011 - 3 Sa 597/11

Reiserecht - Keine Entschädigung für verspät. außereurop. Anschlussflug (BGH, 13.11.2012)

Keine Entschädigung für verspäteten außereuropäischen Anschlussflug

(Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 190/2012 vom 13.11.2012)

In den beiden heute vom Bundesgerichtshof entschiedenen Reisesachen beanspruchen die Kläger Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1c*, Art. 5 Abs. 1c** der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004) wegen einer Flugverspätung.

In beiden Fällen buchten die Kläger bei der Beklagten, jeweils einer Fluggesellschaft mit Sitz außerhalb der Europäischen Union, einen Fernflug ab Frankfurt am Main. Im ersten Fall sollten die Kläger das Endziel Bélem (Brasilien) über São Paulo, im anderen Fall das Endziel Bangkok über Muskat (Oman) erreichen. Jeweils erfolgte der Flug von Frankfurt am Main zum Abflughafen des Anschlussflugs planmäßig, jedoch verspätete sich der Start des Anschlussfluges, und die Kläger trafen erst rund acht Stunden später als vorgesehen am Endziel ein. Die Kläger haben geltend gemacht, jedem von ihnen stehe eine Ausgleichszahlung in Höhe von 600 € nach der Verordnung zu, da sie wegen der Ankunftsverspätung am Endziel nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) hinsichtlich des Ausgleichsanspruchs den Fluggästen annullierter Flüge gleichgestellt werden müssten. Es liege ein einheitlicher Flug von Frankfurt am Main zu dem jeweiligen Endziel vor. Daher sei die Verordnung gemäß deren Art. 3 Abs. 1a*** anwendbar.

Das Amtsgericht hat im Fall X ZR 12/12 die Beklagte antragsgemäß verurteilt, im Fall X ZR 14/12 die Klage abgewiesen. Auf die jeweilige Berufung hat das Landgericht in beiden Fällen die Klage abgewiesen. Der Ausgleichsanspruch bestehe nicht, da die Verordnung nicht anwendbar sei. Die Verspätung sei bei dem Anschlussflug eingetreten, den die Kläger nicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union angetreten hätten.

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat hat die Berufungsurteile bestätigt und entschieden, dass die Ausgleichsansprüche nicht bestehen, da die Verspätung jeweils bei dem Anschlussflug eintrat, den die Fluggäste außerhalb der Europäischen Union antraten und auf den daher die Verordnung nach deren Art. 3 Abs. 1a nicht anwendbar ist. Dies gilt, auch wenn der jeweils erste Flug in Frankfurt am Main gestartet ist, dieser und der Anschlussflug von derselben Fluggesellschaft durchgeführt und als Anschlussverbindung gemeinsam gebucht wurden. Besteht eine Flugreise aus zwei oder mehr Flügen, die jeweils von einer Fluggesellschaft unter einer bestimmten Flugnummer für eine bestimmte Route angeboten werden, ist die Anwendbarkeit der Verordnung für jeden Flug gesondert zu prüfen.

*Art. 7 der Verordnung [Ausgleichsanspruch]
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:…
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen. …

**Art. 5 der Verordnung [Annullierung]
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen …
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt …

*** Artikel 3 der Verordnung [Anwendungsbereich]
(1) Diese Verordnung gilt
a) für Fluggäste, die auf Flughäfen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegt, einen Flug antreten;
b) sofern das ausführende Luftfahrtunternehmen ein Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft ist, für Fluggäste, die von einem Flughafen in einem Drittstaat einen Flug zu einem Flughafen im Gebiet eines Mitgliedstaats, das den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union unterliegt, antreten, es sei denn, sie haben in diesem Drittstaat Gegen- oder Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen erhalten. ...

Urteile vom 13. November 2012 – X ZR 12/12
LG Frankfurt am Main – 2-24 S 133/11 – Urteil vom 5. Januar 2012
AG Frankfurt am Main – 29 C 102/11 (46) – Urteil vom 29. April 2011
und
X ZR 14/12
LG Frankfurt am Main – 2-24 S 145/11 – Urteil vom 5. Januar 2012
AG Frankfurt am Main – 31 C 291/11 (83) – Urteil vom 9. Juni 2011

Karlsruhe, den 13. November 2012

(Pressestelle des Bundesgerichtshofs
76125 Karlsruhe)

Mietrecht - Eigenbedarf für berufliche Zwecke berechtigt zur Kündigung (BGH, 26.09.2012)

Benötigung der Mietwohnung für berufliche Zwecke als Kündigungsgrund des Vermieters

(Bundesgerichtshof, Pressemitteilung Nr. 159/2012 vom 26.09.2012)

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob die Absicht des Vermieters, die Mietwohnung zu rein beruflichen Zwecken zu nutzen, ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses darstellen kann.

Die Beklagten sind Mieter einer Wohnung des Klägers in Berlin. Mit Schreiben vom 2. November 2009 kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 30. April 2010 und begründete dies damit, dass seine Ehefrau beabsichtige, ihre Anwaltskanzlei nach Berlin in die von den Beklagten gemietete Wohnung zu verlegen. Die Beklagten widersprachen der Kündigung und machten Härtegründe geltend.

Das Amtsgericht hat die Räumungsklage des Klägers abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Landgericht zurückgewiesen.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision des Klägers hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass auch dann, wenn der Vermieter die vermietete Wohnung ausschließlich für seine berufliche Tätigkeit oder die eines Familienangehörigen nutzen will, ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses gemäß § 573 Abs. 1 BGB* vorliegen kann. Dieses ist aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit nicht geringer zu bewerten als der in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB* gesetzlich geregelte Eigenbedarf des Vermieters zu Wohnzwecken. Das gilt umso mehr, wenn sich – wie hier nach dem Vortrag des Klägers revisionsrechtlich zu unterstellen ist - die selbst genutzte Wohnung des Vermieters und die vermietete Wohnung in demselben Haus befinden.

Der Bundesgerichtshof hat die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da dieses zu den für die Beurteilung der Wirksamkeit der Kündigung maßgeblichen Umständen keine Feststellungen getroffen und nicht geprüft hat, ob Härtegründe nach § 574 BGB** vorliegen.

*§ 573 BGB: Ordentliche Kündigung des Vermieters
(1) Der Vermieter kann nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. …
(2) Ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses liegt insbesondere vor, wenn
1. der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat,
2. der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt oder
3. der Vermieter durch die Fortsetzung des Mietverhältnisses an einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung des Grundstücks gehindert und dadurch erhebliche Nachteile erleiden würde; …

**§ 574 BGB: Widerspruch des Mieters gegen die Kündigung
(1) Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.
(2) Eine Härte liegt auch vor, wenn angemessener Ersatzwohnraum zu zumutbaren Bedingungen nicht beschafft werden kann.

Urteil vom 26. September 2012 - VIII ZR 330/11
AG Charlottenburg - Urteil vom 8. Dezember 2010 - 212 C 72/10
LG Berlin - Urteil vom 8. November 2011 - 65 S 475/10
Karlsruhe, den 26. September 2012
(Pressestelle des Bundesgerichtshofs, 76125 Karlsruhe)

Verkehrsrecht - Häufiges Falschparken kann Führerschein kosten (VG Berlin, 10.09.2012)

Eine Fahrerlaubnis kann nach einem Eilbeschluss des VG Berlin ungeachtet der im Verkehrszentralregister eingetragenen Punktzahl auch dann entzogen werden, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nur bloße Ordnungsvorschriften hartnäckig nicht einhält.

(Pressemitteilung des VG Berlin Nr. 38 v. 13. 9. 2012)

Zum Sachverhalt
Zwischen November 2010 und Juni 2012 waren mit zwei auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeugen insgesamt 144 Verkehrsordnungswidrigkeiten (127 Parkverstöße, 17 Geschwindigkeitsüberschreitungen) begangen worden. Daraufhin entzog das Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten sofort vollziehbar die Fahrerlaubnis des Antragstellers. Dieser machte hiergegen geltend, Parkverstöße brächten keine Gefahr für die Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer mit sich. Die Verstöße hätten zum größten Teil seine Mitarbeiter verursacht. Soweit er das Fahrzeug gefahren habe, seien lediglich 42 Verstöße auf ihn zurückzuführen. Die von ihm begangenen Parkuhrverstöße hätten häufig ihren Grund darin, dass er entweder keine Zeit oder aber kein Münzgeld gehabt habe.
Entscheidung des VG
Die 4. Kammer des VG bestätigte die Entscheidung der Behörde. Eine Fahrerlaubnis könne nicht nur bei Eintragungen im Verkehrszentralregister, sondern auch demjenigen entzogen werden, der sich aus anderen Gründen als ungeeignet erwiesen habe. Verstöße gegen Vorschriften des ruhenden Verkehrs seien für die Beurteilung der Fahreignung relevant, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum derart häuften, dass dadurch eine laxe Einstellung und Gleichgültigkeit gegenüber Verkehrsvorschriften jedweder Art offenbar werde. Dies sei dann anzunehmen, wenn – wie hier – auf ein Jahr gesehen nahezu wöchentlich ein geringfügiger Verstoß anfalle. Der Antragsteller verkenne die von ihm ausgehende Gefahr, die in seiner unangemessenen Einstellung zu den im Interesse eines geordneten Straßenverkehrs erlassenen Rechtsvorschriften liege. Die nicht von ihm begangenen Verstöße habe er jedenfalls ermöglicht, weil er als Halter das rechtswidrige Verhalten Dritter mit auf seinen Namen zugelassenen Fahrzeugen nicht rechtzeitig und im erforderlichen Umfang unterbunden habe.
VG Berlin, Beschl. v. 10. 9. 2012 – 4 L 271/12

Arbeitsrecht - Ehrenamt begründet kein Arbeitnehmerstatus (BAG, 29.08.2012)

Ehrenamt und Arbeitnehmerstatus


(Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 62/12 vom 29.08.2012)
 

Durch die Ausübung ehrenamtlicher Tätigkeit wird kein Arbeitsverhältnis begründet. Das hat das Bundesarbeitsgericht heute entschieden.

Der Beklagte des entschiedenen Falles ist Träger einer örtlichen Telefonseelsorge. Zu diesem Zweck unterhält er Räumlichkeiten, in denen ein hauptamtlicher und rund fünfzig ehrenamtliche Mitarbeiter den Seelsorgedienst verrichten. Nach der Dienstordnung für die ehrenamtlichen Kräfte wird deren regelmäßige Beteiligung erwartet. Jeweils im Vormonat legt der Beklagte Dienstpläne für den Folgemonat aus, in die sich die ehrenamtlichen Mitarbeiter eintragen. Die Klägerin war auf der Grundlage von schriftlichen „Beauftragungen“ seit dem 26. April 2002 als ehrenamtliche Telefonseelsorgerin unentgeltlich im Umfang von zehn Stunden im Monat für den Beklagten tätig. Die Klägerin erhielt lediglich einen Unkostenersatz von 30,00 Euro monatlich. Am 22. Januar 2010 wurde die Klägerin mündlich von ihrem Dienst entbunden.

Die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage blieb vor dem Bundesarbeitsgericht - wie schon in den Vorinstanzen - erfolglos. Zwischen den Parteien bestand kein Arbeitsverhältnis. Die Vereinbarung der Unentgeltlichkeit von Dienstleistungen ist - bis zur Grenze des Missbrauchs - rechtlich zulässig, wenn eine Vergütung, wie bei ehrenamtlicher Tätigkeit, nicht zu erwarten ist. Die Ausübung von Ehrenämtern dient nicht der Sicherung oder Besserung der wirtschaftlichen Existenz. Sie ist Ausdruck einer inneren Haltung gegenüber Belangen des Gemeinwohls und den Sorgen und Nöten anderer Menschen. Im Streitfall besteht kein Anhaltspunkt für die Umgehung zwingender arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften.

 

 

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. August 2012 - 10 AZR 499/11 -
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht Urteil vom 20. Mai 2011 - 3 Sa 579/10 -

Reiserecht - Keine Ausgleichszahlung für Flugausfall wegen Pilotenstreiks (BGH, 21.08.2012)

Keine Ausgleichszahlung nach der Fluggastrechteverordnung für Flugannullierung wegen von der Vereinigung Cockpit angekündigten Pilotenstreiks

(Pressestelle des Bundesgerichtshofs, Pressemitteilung Nr. 133/12 vom 21.08.2012)
 
Die Kläger der beiden Verfahren verlangen Ausgleichszahlungen nach Art. 7 Abs. 1c, Art. 5 Abs. 1c der Verordnung (EG) Nr. 261/2004* (nachfolgend: Fluggastrechteverordnung), weil ihre für Februar 2010 vorgesehenen Flüge von Miami nach Deutschland von der beklagten Lufthansa AG wegen eines Streikaufrufs der Vereinigung Cockpit annulliert worden waren.

In der Sache X ZR 138/11 wurde der für den 22. Februar 2010 vorgesehene Rückflug nach Düsseldorf annulliert und die Reisenden wurden auf einen anderen Rückflug umgebucht, mit dem sie am 25. Februar 2010 in Düsseldorf eintrafen. In der Sache X ZR 146/11 wurde der für den 23. Februar 2010 vorgesehene Rückflug nach Frankfurt am Main annulliert die Reisenden wurden auf einen Flug am 1. März 2010 umgebucht. In beiden Fällen geht es nicht um die Unterstützungsleistungen (Mahlzeiten, Hotelunterbringung), die das Luftverkehrsunternehmen bei Annullierung eines Flugs anbieten muss, sondern – jedenfalls in der Revisionsinstanz – ausschließlich um die Frage, ob Lufthansa auch die pauschale Ausgleichsleistung in Höhe von 600 Euro je Fluggast zu zahlen hat, die die Fluggastrechteverordnung grundsätzlich vorsieht, wenn ein Interkontinentalflug annulliert wird.

Nach Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung** entfällt diese Verpflichtung, wenn eine Annullierung auf "außergewöhnliche Umstände" zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Lufthansa hat geltend gemacht, von der Pflicht zu Ausgleichszahlungen nach der Verordnung befreit zu sein, weil es sich bei dem Streik ihrer Piloten um ein außergewöhnliches und für sie unabwendbares Ereignis gehandelt habe und sie alle zumutbaren Maßnahmen zur Reduzierung der Zahl der annullierten Flüge ergriffen habe.

Die in erster Instanz zuständigen Amtsgerichte haben Lufthansa in beiden Fällen zur Leistung der Ausgleichszahlungen verurteilt. Im Verfahren X ZR 138/11 hat das Landgericht Köln die Berufung zurückgewiesen, weil ein Streik eigener Mitarbeiter des ausführenden Luftfahrtunternehmens kein außergewöhnliches Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung darstelle. Dagegen hat im Verfahren X ZR 146/11 das Landgericht Frankfurt am Main auf die Berufung das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Ein Streik, auch derjenige des eigenen Personals des Luftverkehrsunternehmens stelle ein unabwendbares Ereignis im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung dar. Lufthansa habe die Annullierung des Rückfluges auch nicht durch zumutbare Maßnahmen vermeiden können. Insbesondere sei sie nicht verpflichtet gewesen, andere Piloten zur Aushilfe anzustellen.

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat hat nunmehr entschieden, dass außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung anzunehmen sein können, wenn der Flugplan eines Luftverkehrsunternehmens infolge eines Streiks ganz oder zu wesentlichen Teilen nicht wie geplant durchgeführt werden kann. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Zweck des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung und steht im Einklang mit der Auslegung dieser Vorschrift durch die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Die vom EuGH für technische Defekte entwickelten Maßstäbe sind auch für andere als Ursache außergewöhnlicher Umstände in Betracht kommende Vorkommnisse, wie etwa die in Erwägungsgrund 14*** der Fluggastrechteverordnung genannten, heranzuziehen. Auch insoweit ist maßgeblich, ob die Annullierung auf ungewöhnliche, außerhalb des Rahmens der normalen Betriebstätigkeit des Luftverkehrsunternehmens liegende und von ihm nicht zu beherrschende Gegebenheiten zurückgeht. Dabei spielt es bei einem Streik, der in Erwägungsgrund 14 ausdrücklich als Ursache außergewöhnlicher Umstände genannt ist, grundsätzlich keine Rolle, ob der Betrieb des Unternehmens durch eine Tarifauseinandersetzung zwischen Dritten (z.B. beim Flughafenbetreiber oder einem mit der Sicherheitskontrolle betrauten Unternehmen) oder dadurch beeinträchtigt wird, dass eigene Mitarbeiter des Luftverkehrsunternehmens in den Ausstand treten. Ein Streikaufruf einer Gewerkschaft wirkt – auch soweit er zu einem Ausstand der eigenen Beschäftigten führt – "von außen" auf das Luftverkehrsunternehmen ein und ist nicht Teil der normalen Ausübung seiner Tätigkeit, die durch den Streik als Arbeitskampfmittel gerade gezielt beeinträchtigt oder gar lahm gelegt werden soll. Eine solche Situation ist in aller Regel von dem betroffenen Luftverkehrsunternehmen auch nicht beherrschbar, da die Entscheidung zu streiken, von der Arbeitnehmerseite im Rahmen der ihr zukommenden Tarifautonomie und damit außerhalb des Betriebs des ausführenden Luftverkehrsunternehmens getroffen wird.

In den entschiedenen Fällen war dementsprechend die Streikankündigung der Vereinigung Cockpit geeignet, außergewöhnliche Umstände im Sinne des Art. 5 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung herbeizuführen. Lufthansa hatte, nachdem zu erwarten war, dass die überwiegende Zahl der angesprochenen Mitarbeiter dem Streikaufruf nachkommen und somit keine zur Einhaltung des gesamten Flugplans ausreichende Anzahl von Piloten zur Verfügung stehen würde, Anlass, den Flugplan so zu reorganisieren, dass zum einen die Beeinträchtigungen der Fluggäste durch den Streik so gering wie unter den gegebenen Umständen möglich ausfallen würden und sie zum anderen in der Lage sein würde, nach Beendigung des Streiks sobald wie möglich zum Normalbetrieb zurückzukehren. Schöpft ein Luftverkehrsunternehmen unter Einhaltung dieser Anforderungen die ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen in dem gebotenen Umfang aus, kann die Nichtdurchführung eines einzelnen Flugs in der Regel nicht allein deshalb als vermeidbar angesehen werden, weil stattdessen ein anderer Flug hätte annulliert werden können.

Danach hat der Bundesgerichtshof im Verfahren X ZR 146/11 die Revision der Kläger zurückgewiesen, weil das Landgericht Frankfurt festgestellt hat, dass Lufthansa mit einem Sonderflugplan geeignete und zumutbare Maßnahmen ergriffen hatte, um Annullierungen infolge des Streiks auf das unvermeidbare Maß zu beschränken, und daher rechtsfehlerfrei angenommen hat, dass die Absage des Fluges der Kläger nicht zu vermeiden war. Im Verfahren X ZR 138/11 konnte der Bundesgerichtshof dagegen nicht abschließend über die geltend gemachten Ausgleichsansprüche entscheiden, da vom Landgericht Köln Feststellungen zu den von Lufthansa ergriffenen Maßnahmen noch zu treffen sind.

(Urteil vom 21. August 2012 – X ZR 138/11)

AG Köln - Urteil vom 25. Oktober 2010 – 142 C 153/10
LG Köln - Urteil vom 27. Oktober 2011 – 6 S 282/10
Urteil vom 21. August 2012 – X ZR 146/11
AG Frankfurt am Main - Urteil vom 24. März 2011 – 32 C 2262/10-41
LG Frankfurt am Main - Urteil vom 8. November 2011 – 2-24 S 80/11

Karlsruhe, den 21. Aug. 2012

*Art. 7 der Verordnung: "Ausgleichsanspruch"
(1) Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so erhalten die Fluggäste Ausgleichszahlungen in folgender Höhe:
c) 600 EUR bei allen nicht unter Buchstabe a) oder b) fallenden Flügen.

**Art. 5 der Verordnung: "Annullierung"
(1) Bei Annullierung eines Fluges werden den betroffenen Fluggästen …
c) vom ausführenden Luftfahrtunternehmen ein Anspruch auf Ausgleichsleistungen gemäß Artikel 7 eingeräumt …
(3) Ein ausführendes Luftfahrtunternehmen ist nicht verpflichtet, Ausgleichszahlungen gemäß Artikel 7 zu leisten, wenn es nachweisen kann, dass die Annullierung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

***Erwägungsgrund 14 der Verordnung:
Wie nach dem Übereinkommen von Montreal sollten die Verpflichtungen für ausführende Luftfahrtunternehmen in den Fällen beschränkt oder ausgeschlossen sein, in denen ein Vorkommnis auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht, die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären. Solche Umstände können insbesondere bei politischer Instabilität, mit der Durchführung des betreffenden Fluges nicht zu vereinbarenden Wetterbedingungen, Sicherheitsrisiken, unerwarteten Flugsicherheitsmängeln und den Betrieb eines ausführenden Luftfahrtunternehmens beeinträchtigenden Streiks eintreten.

(Pressestelle des Bundesgerichtshofs, 76125 Karlsruhe)

Arbeitsrecht - Beamter kann Betriebsrat in Privatbetrieb werden (BAG, 15.08.2012)

Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen mindestens sechs Monate tätig sind, können dort in den Betriebsrat gewählt werden.
 
(Bundesarbeitsgericht, Pressemitteilung Nr. 58/12 vom 15.08.2012)

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG sind für den Betriebsrat alle Wahlberechtigten wählbar, die sechs Monate dem Betrieb angehören. Wahlberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 BetrVG alle Arbeitnehmer des Betriebs, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Arbeitnehmer im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes sind nach dessen § 5 Abs. 1 Satz 1 Arbeiter und Angestellte einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten. Nach dem mit Wirkung vom 4. August 2009 in das BetrVG eingefügten § 5 Abs. 1 Satz 3 gelten als Arbeitnehmer auch Beamte, Soldaten sowie Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einschließlich der zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigten, die in Betrieben privatrechtlich organisierter Unternehmen tätig sind. Sie können daher, obwohl sie in keinem Arbeitsverhältnis zu diesen Unternehmen stehen, nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit in den Betriebsrat gewählt werden. Voraussetzung ist lediglich, dass sie in den Betrieb eingegliedert sind.

Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts erklärte daher, ebenso wie bereits die Vorinstanzen, die Betriebsratswahl im Betrieb eines privaten Unternehmens für unwirksam, in dem neben eigenen Arbeitnehmern auch Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes tätig sind. Das Unternehmen erbringt Dienstleistungen für ein in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführtes Universitätsklinikum und beschäftigt aufgrund eines Gestellungsvertrags auch knapp 300 beim Universitätsklinikum angestellte Arbeitnehmer. Der Wahlvorstand hielt diese Arbeitnehmer nicht für den Betriebsrat wählbar und wies einen Wahlvorschlag zurück, auf dem einige dieser Arbeitnehmer kandidierten. Die hierauf gestützte Wahlanfechtung einer in dem Betrieb vertretenen Gewerkschaft war begründet. Die gestellten Arbeitnehmer besaßen im Einsatzbetrieb das passive Wahlrecht.
 
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. August 2012 - 7 ABR 34/11 -

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 5. April 2011 - 2 TaBV 35/10 –

Hinweis: Am selben Tag wurde noch ein ähnlich gelagerter Fall entschieden.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 15. August 2012 - 7 ABR 24/11 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Februar 2011 - 15 TaBV 2347/10 -

Verkehrsrecht - Keine Streupflicht außerorts zur Nachtzeit (OLG Frankfurt/M. 09.08.2012)

Straßen außerhalb geschlossener Ortschaften müssen nachts auch an besonders gefährlichen Stellen grundsätzlich nicht gestreut werden. (...).

[OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 09.08.2012 - 1 U 222/11 (Auszüge)]

In dem Rechtsstreit
(...)
hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main durch den Richter am Oberlandesgericht (...) als Einzelrichter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 9. August 2012 für Recht erkannt:

Die Berufung des Klägers gegen das am 7.7.2011 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
(...)
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.
Der Kläger verunfallte am 10.2.2004 gegen 3.55 h mit seinem Pkw auf der Fahrt von seiner Arbeitsstätte nach Hause zwischen T1. und W1. Die Straße war glatt. Er geriet in einem Abschnitt mit Gefälle auf die Gegenfahrbahn, wo er mit einem anderen Pkw kollidierte und schwer verletzt wurde. In einem ersten Rechtsstreit, in dessen Rahmen er dem beklagten Land (nachfolgend als „Beklagter“ bezeichnet) den Streit verkündete, nahm er den Unfallgegner auf Schadensersatz in Anspruch; dieser Rechtsstreit wurde vergleichsweise beendet. Mit der vorliegenden Klage beansprucht er weiteren Schadensersatz von dem Beklagten, dem er im Kern eine Verletzung seiner Streupflicht für die Straße vorwirft.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Seine Berufung stützt der Kläger im Wesentlichen auf Rechtsausführungen. Angesichts der Absehbarkeit einer Eisglätte und der Gefährlichkeit der streitgegenständlichen Gefällstrecke hätte der Beklagte diese streuen oder sperren müssen. Das Landgericht habe die Sorgfaltspflichten des Klägers hinsichtlich seiner Fahrgeschwindigkeit überspannt und den Beklagten zu Unrecht nach § 254 BGB vollständig von der Haftung frei angesehen. Die Streitverkündung im Vorprozess sei zulässig und deshalb zur Hemmung der Verjährung geeignet gewesen. Der im Vorprozess abgeschlossene Vergleich berühre die Klageforderung nicht.

Der Kläger beantragt, den Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Wiesbaden vom 07.07.2011 zu verurteilen, an den Kläger zu zahlen (...).

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. (...).

B.
Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das landgerichtliche Urteil wird jedenfalls durch seine Ausführungen zur fehlenden Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht (nachfolgend I) und zur Verjährung (nachfolgend II) getragen.

I.
Der außerordentlich bedauerliche Unfall des Klägers beruht nicht auf einer Verkehrssicherungspflichtverletzung des Beklagten, insbesondere nicht auf einer Verletzung der Streupflicht.

1.
Nach der ständigen höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung, der der Senat folgt, ist außerorts nur an besonders gefährlichen Straßenstellen zu streuen, dies grundsätzlich nicht zur Nachtzeit, sondern so, dass der Hauptverkehr einschließlich des morgendlichen Hauptberufsverkehrs gesichert wird; eine ausnahmsweise Streupflicht zur Nachtzeit ist allenfalls in Extremfällen denkbar, etwa beim nächtlichen Ende einer Großveranstaltung mit einem absehbaren völligen Zusammenbruch des Kraftfahrzeugverkehrs (vgl. BGHZ 40, 379, 382 ff.; BGH VersR 1985, 271; 1972, 563; BeckRS 1964, 31189565 [unter II 2 der Entscheidungsgründe]; OLG München BeckRS 2010, 20743 [unter I 1, 3 der Entscheidungsgründe]; 2008, 6256; OLG Hamm NVwZ-RR 2001, 798; OLG Celle OLGR 1998, 191).

2.
Nach diesen gesicherten Grundsätzen bestand zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfalls keine Streupflicht des Beklagten.

a) Eine besondere Gefährlichkeit der Unfallstelle lässt sich nicht allein daraus herleiten, dass diese in einer Gefällestrecke liegt, denn dies ist für jeden Verkehrsteilnehmer erkennbar und durch eine Ermäßigung der Geschwindigkeit grundsätzlich beherrschbar. Dem Klagevortrag ist zudem nicht zu entnehmen, wie steil es dort ist.

b) Jedenfalls ereignete sich der Unfall mit 3.55 h zu einer Zeit, als an der außerorts gelegenen Unfallstelle nicht gestreut sein musste. Ganz besondere Umstände im o. a. Sinne fehlen. Die Absehbarkeit einer Glättebildung reicht hierfür nicht aus, handelt es sich hierbei im Winter doch eher um einen gewöhnlichen denn um einen besonderen Umstand. Abgesehen davon ist der Kläger für die konkrete Vorhersehbarkeit einer Glätte beweisfällig. Einen diese ankündigenden Wetterbericht hat er entgegen seiner Ankündigung weder in erster noch in zweiter Instanz vorgelegt. Das - zudem nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO nicht zu berücksichtigende - rund 2 ½ Jahre später erstattete Gutachten des Deutschen Wetterdienstes (Bl. 180 ff. d. A.) besagt zur Vorhersehbarkeit nichts.

II. (…)

Arbeitsrecht - Urlaub in lange ruhendem Arbeitsverhältnis kann verfallen (BAG, 07.08.2012)

Bei langjährig arbeitsunfähigen Arbeitnehmern ist § 7 III 3 BUrlG*, wonach im Fall der Übertragung der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden muss, unionsrechtskonform so auszulegen, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach Ablauf des Urlaubsjahres verfällt.

(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 56/12 v. 7. 8. 2012)

Die als schwerbehindert anerkannte Klägerin war vom 1. 7. 2001 bis zum 31. 3. 2009 in der Rehabilitationsklinik der Beklagten gegen eine monatliche Bruttovergütung in Höhe von zuletzt 2737,64 Euro als Angestellte beschäftigt. Im Jahr 2004 erkrankte sie, bezog ab dem 20. 12. 2004 eine befristete Rente wegen Erwerbsminderung und nahm bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses ihre Tätigkeit für die Beklagte nicht mehr auf. Nach dem aTVöD, der auf das Arbeitsverhältnis Anwendung fand, ruht das Arbeitsverhältnis während des Bezugs einer Rente auf Zeit und vermindert sich die Dauer des Erholungsurlaubs einschließlich eines etwaigen tariflichen Zusatzurlaubs für jeden Kalendermonat des Ruhens um ein Zwölftel. Die Klägerin hatte die Abgeltung von 149 Urlaubstagen aus den Jahren 2005 bis 2009 mit 18841,05 Euro brutto beansprucht.

Die Vorinstanzen haben der Klage bezüglich der Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und des Zusatzurlaubs für schwerbehinderte Menschen stattgegeben, die Beklagte zur Zahlung von 13 403,70 Euro brutto verurteilt und die Klage hinsichtlich der Abgeltung des tariflichen Mehrurlaubs abgewiesen.

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Neunten Senat des BAG größtenteils Erfolg. Die Klägerin hat gem. § 7 IV BUrlG** nur Anspruch auf Abgeltung des gesetzlichen Erholungsurlaubs und Zusatzurlaubs aus den Jahren 2008 und 2009 mit 3919,95 Euro brutto. In den Jahren 2005 bis 2007 sind die nicht abdingbaren gesetzlichen Urlaubsansprüche trotz des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zwar entstanden. Ihrer Abgeltung steht jedoch entgegen, dass sie vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach § 7 III 3 BUrlG mit Ablauf des 31. 3. des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres verfallen sind.

Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 7 8. 2012 - 9 AZR 353/10
 
(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 56/12 v. 7. 8. 2012)
 
 
* / ** § 7 Bundesurlaubsgesetz [Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs]
(1) ...
(2) ...
(3) Der Urlaub muß im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muß der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahres gewährt und genommen werden. Auf Verlangen des Arbeitnehmers ist ein nach § 5 Abs. 1 Buchstabe a entstehender Teilurlaub jedoch auf das nächste Kalenderjahr zu übertragen.
(4) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

Verkehrsrecht - Führerscheinentzug bei einmaligem Drogenkonsum (VG Neust. 06.08.2012)

VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschluss vom 06.08.2012 - 1 L 650/12.NW (Auszüge)

Nach der Systematik der FeV genügt bereits die einmalige Einnahme eines Betäubungsmittels i. S. d. BtMG (ausgenommen Cannabis) zur Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr. (amtlicher Leitsatz)


Der Vortrag, ein Betäubungsmittel unbewusst eingenommen zu haben, muss von Anfang an schlüssig und widerspruchsfrei erfolgen. Zum Einzelfall eines unschlüssigen Vortrags. (amtlicher Leitsatz)

Die behauptete Trennung des Antragstellers von seinem bisherigen "Freundeskreis" und dessen behauptete Abstinenz sind vor Ablauf der Jahresfrist gem. Ziff. 9.4 Anhang 4 FeV für die Beurteilung seiner Fahreignung regelmäßig unbeachtlich. (amtlicher Leitsatz)

Im Zusammenhang mit dem Konsum von Amphetamin kommt es nicht darauf an, ob den Antragssteller ein Vorsatz oder Verschulden trifft. (amtlicher Leitsatz)

Die regelmäßige berufsbedingte Teilnahme am Straßenverkehr stellt ein höheres Gefahrenpotential dar, als so genannte Gelegenheitsfahrten, weshalb im Eilrechtsschutz etwaige berufliche Nachteile zurück treten hinter die zu schützenden Rechtsgüter der übrigen Verkehrsteilnehmer. (amtlicher Leitsatz)

[VG Neustadt a. d. Weinstraße, Beschluss vom 06.08.2012 - 1 L 650/12.NW (Auszüge)]

In dem Verwaltungsrechtsstreit (…) hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße aufgrund der Beratung vom 6. August 2012, an der teilgenommen haben Präsidentin des Verwaltungsgerichts (…), Richter am Verwaltungsgericht (…), Richter am Verwaltungsgericht (…) beschlossen:

Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 2.500,- € festgesetzt.

Gründe

Der vorliegende Antrag, mit dem der Antragsteller sich gegen die für sofort vollziehbar erklärte Entziehung seiner Fahrerlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen der Klassen B, L, M und S wendet, ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Ihm bleibt jedoch der Erfolg versagt.

Der Antragsgegner hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung der Fahrerlaubnisentziehung gemäß § 80 Abs. 3 VwGO ausreichend begründet. Es kann insofern dahingestellt bleiben, ob die gesonderte Begründung der Sofortvollzugsanordnung in der Verfügung des Antragsgegners vom 10. Juli 2012 für sich allein, ohne die Aussagen zur Begründung der Fahrerlaubnisentziehung mit in den Blick zu nehmen, hinreichend deutlich macht, warum unter den hier gegebenen Umständen das öffentliche Interesse die sofortige Unterbindung der weiteren Verkehrsteilnahme des Antragstellers gebietet. Im Fahrerlaubnisrecht decken sich nämlich häufig - und das gilt auch hier - die Gründe für den Erlass der vom Gesetzgeber zwingend geforderten Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Eignung weitestgehend mit den Gründen für deren sofortige Durchsetzung, weswegen sich in Fällen dieser Art die Begründung zur Anordnung des Sofortvollzugs sogar in der bloßen Bezugnahme auf die Ausführungen zur Fahrerlaubnisentziehung erschöpfen kann, sofern aus der Begründung der Verfügung bereits die besondere Dringlichkeit des Einschreitens auch unter Berücksichtigung der gegenläufigen Interessen hervorgeht. Genügt dies, so kann nichts anderes gelten, wenn in einem solchen Fall statt einer Bezugnahme auf die Darlegungen in der Sache selbst eine lediglich formelhafte Sofortvollzugsbegründung erfolgt; auch dann wird der Antragsteller in die Lage versetzt, seine Rechte wirksam wahrzunehmen und die Erfolgsaussichten eines Rechtsbehelfs abschätzen zu können. In diesem Fall erschließt sich aus dem Bescheid, dass der Behörde der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung bewusst gewesen ist und sie sich zur Prüfung veranlasst gesehen hat, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse gegeben ist (vgl. OVG RP, Beschluss vom 21. Juli 2009 - 10 B 10508/09.OVG -).

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis überwiegt vorliegend das private Interesse des Antragstellers, von der Fahrerlaubnis bis zur Entscheidung im Verfahren zur Hauptsache Gebrauch machen zu können. Das vorrangige öffentliche Interesse folgt daraus, dass sich die Entziehungsverfügung des Antragsgegners beim gegenwärtigen Sachstand, aufgrund der im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO allein möglichen summarischen Prüfung, als offensichtlich rechtmäßig erweist. Denn der Antragsteller hat sich gem. § 46 Abs. 1 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i. V. m. Anlage 4 Ziffer 9.1 FeV als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen.
Nach der Systematik der FeV genügt bereits die einmalige Einnahme eines Betäubungsmittels i. S. d. Betäubungsmittelgesetzes (ausgenommen Cannabis) zur Annahme der Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr. Eine weitere Begutachtung ist in diesem Falle nicht angezeigt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Januar 2012 - 10 B 11430/11.OVG - und Beschluss vom 12. April 2012 - 10 A 11296/11.OVG -).

Besonderheiten des Einzelfalls, die unter Beachtung der Vorbemerkung Nr. 3 zur Anlage 4 FeV die Regelwirkung von Ziffer 9.1 Anlage 4 FeV in Zweifel ziehen könnten, liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Zwar hat der Antragsteller vorgetragen, er habe unbewusst Amphetamin eingenommen. Dieser Vortrag ist jedoch weder schlüssig noch widerspruchsfrei erfolgt (vgl. zu diesem Erfordernis OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Januar 2012, a. a. O.). Denn der Antragsteller hat zunächst anlässlich der Blutentnahme am 27. März 2012, bezüglich Alkohol-, Medikamenten-, Betäubungsmitteleinnahme sowie Nahrungsaufnahme „gar nichts“ angegeben. Zudem hat er im Rahmen des Verwaltungsverfahrens angegeben, das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren sei eingestellt worden: dies könne insbesondere auch deshalb nur der Fall sein, weil die Menge gering gewesen sei. Danach trug der Antragsteller jedoch vor, dass man ihm anlässlich des Besuches bei Freunden „etwas gegen Unterzuckerung“ gegeben habe. Ungeklärt bleibt dabei die Feststellung der mit der Blutentnahme befassten Ärztin - Frau ... - wonach bei der Untersuchung mit Hilfe einer Schwarzlichtlampe in den Nasenlöchern des Antragstellers deutlich fluoreszierende Anhaftungen festgestellt wurden; diese ließe vermuten, dass der Konsum noch nicht allzu lange zurückliege. Schließlich hat der Antragsteller keinerlei Zeugen oder sonstige Beweismittel angeboten, die seinen Vortrag bestätigen könnten, dass ihm unbewusst durch die Nase (!) - vermeintlich als Medikament gegen seine Unterzuckerung - Amphetamin verabreicht worden sein soll. Der Vortrag ist insoweit insgesamt unglaubhaft, in sich widersprüchlich und nicht geeignet, die Anforderungen zu erfüllen, die das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz in seinem Beschluss vom 25. Januar 2012 (a. a. O.) im Einzelnen dargestellt hat.

Weiter ist darauf zu verweisen, dass es im Zusammenhang mit dem Konsum von Amphetamin nicht darauf ankommt, ob den Antragsteller ein Vorsatz oder Verschulden trifft (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25. Januar 2012, a. a. O., Beschluss vom 25. Juli 2008 - 10 B 10646/08.OVG - und Beschluss vom 15. Mai 2002 - 7 B 10448/02.OVG -). Zudem kommt es nicht darauf an, ob der Antragsteller sich nunmehr von seinem „Freundeskreis“ getrennt hat oder seit dem Vorfall vom 27. März 2012 abstinent geblieben ist. Denn da bereits derjenige, der nur einmal harte Drogen einnimmt, zu der Befürchtung Anlass gibt, er werde auch künftig am Straßenverkehr teilnehmen, obwohl er noch den Wirkungen des Drogenkonsums ausgesetzt ist, bleibt es auch in seinem Falle beim Erfordernis einer einjährigen Abstinenz (vgl. Ziff. 9.5 der Anlage 4 zur FeV).

An diesem Ergebnis ändert letztlich auch der Vortrag des Antragstellers nichts, er erleide im Falle der Fahrerlaubnisentziehung unzumutbare berufliche Nachteile. Denn gerade bei der regelmäßigen Teilnahme am Straßenverkehr stellt der Antragsteller ein höheres Gefahrenpotential dar, als ein so genannter „Gelegenheitsfahrer“ (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 11. September 2006 - 10 B 10734/06.OVG -). Die von dem Antragsteller somit vorgetragenen beruflichen Nachteile treten zurück hinter die zu schützenden Rechtsgüter der übrigen Verkehrsteilnehmer (vgl. hierzu OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 21. November 2008 - 10 B 11094/08.OVG -). Zudem ist der Antragsteller darauf zu verweisen, dass er auch ohne Fahrerlaubnis mit Blick auf das von ihm betriebene Gewerbe (Schuhbesohlung und stationärer Schlüsseldienst) nicht ohne Einnahmen bleiben wird. (…).

Vertragsrecht - Entgeltklausel für Eintrag in Branchenbuch unwirksam (BGH, 26.07.2012)

Überraschende Entgeltklausel für Eintrag in ein Internet - Branchenverzeichnis unwirksam
 
(Mitteilung der Pressestelle des Bundesgerichtshofs Nr. 123/2012 vom 26.07.2012)
 
Der Bundesgerichtshof hat heute (Anm.: 26.07.2012) eine Entscheidung zu der Frage getroffen, ob eine Entgeltklausel in einem Antragsformular für einen Grundeintrag in ein Branchenverzeichnis im Internet nach dem Erscheinungsbild des Formulars überraschenden Charakter hat und deshalb nicht Vertragsbestandteil wird (§ 305c Abs. 1 BGB*).

Die Klägerin unterhält ein Branchenverzeichnis im Internet. Um Eintragungen zu gewinnen, übersendet sie Gewerbetreibenden ein Formular, welches sie als "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank…" bezeichnet. In der linken Spalte befinden sich mehrere Zeilen für Unternehmensdaten. Nach einer Unterschriftszeile, deren Beginn mit einem fettgedruckten "X" hervorgehoben ist, heißt es in vergrößerter Schrift: "Rücksendung umgehend erbeten" und (unterstrichen) "zentrales Fax". Es folgt die fett und vergrößert wiedergegebene Faxnummer der Klägerin. Die rechte Seite des Formulars besteht aus einer umrahmten Längsspalte mit der Überschrift "Hinweise zum Ersteintragungsantrag, Leistungsbeschreibung sowie Vertragsbedingungen, Vergütungshinweis sowie Hinweis nach § 33 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz)". In dem sich anschließenden mehrzeiligen Fließtext ist unter anderem folgender Satz enthalten: "…Vertragslaufzeit zwei Jahre, die Kosten betragen 650 Euro netto pro Jahr…."

Der Geschäftsführer der Beklagten füllte das ihm unaufgefordert zugesandte Formular aus und sandte es zurück. Die Klägerin trug die Beklagte in das Verzeichnis ein und stellte dafür 773,50 € brutto in Rechnung. Die auf Zahlung dieses Betrages gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben.

Der u. a. für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Mit Rücksicht darauf, dass Grundeinträge in ein Branchenverzeichnis im Internet in einer Vielzahl von Fällen unentgeltlich angeboten werden, wird eine Entgeltklausel, die nach der drucktechnischen Gestaltung des Antragsformulars so unauffällig in das Gesamtbild eingefügt ist, dass sie von dem Vertragspartner des Klauselverwenders dort nicht vermutet wird, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil. Im vorliegenden Fall machte bereits die Bezeichnung des Formulars als "Eintragungsantrag Gewerbedatenbank" nicht hinreichend deutlich, dass es sich um ein Angebot zum Abschluss eines entgeltlichen Vertrages handelte. Die Aufmerksamkeit auch des gewerblichen Adressaten wurde durch Hervorhebung im Fettdruck und Formulargestaltung zudem auf die linke Spalte gelenkt. Die in der rechten Längsspalte mitgeteilte Entgeltpflicht war demgegenüber drucktechnisch so angeordnet, dass eine Kenntnisnahme durch den durchschnittlich aufmerksamen gewerblichen Adressaten nicht zu erwarten war. Die Zahlungsklage ist daher zu Recht als unbegründet abgewiesen worden.

*§ 305c BGB Überraschende und mehrdeutige Klauseln
(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die nach den Umständen, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht zu rechnen braucht, werden nicht Vertragsbestandteil.
(2) ….


Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. Juli 2012 - VII ZR 262/11
AG Recklinghausen - Urteil vom 24. Mai 2011 - 13 C 91/11
LG Bochum - Urteil vom 15. November 2011 - 11 S 100/11

(Pressestelle des Bundesgerichtshofs, 76125 Karlsruhe)

Kanzlei im Rebland - Artikel im Amtsblatt Schliengen Nr. 30 vom 26.07.2012

Kanzlei im Rebland - Artikel im Oberbadischen Volksblatt Nr. 171 vom 26.07.2012

Aktuelles - Neufassung des Bundeswahlgesetzes verfassungswidrig (BVerfG, 25.07.2012)

Neuregelung des Sitzzuteilungsverfahrens für die Wahlen zum Deutschen Bundestag verfassungswidrig

(Bundesverfassungsgericht, Pressestelle, Pressemitteilung Nr. 58/2012 vom 25. Juli 2012)
 
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit seinem heute
verkündeten Urteil entschieden, dass das mit der Änderung des
Bundeswahlgesetzes (BWG) neu gestaltete Verfahren der Zuteilung der
Abgeordnetensitze des Deutschen Bundestages gegen die Grundsätze der
Gleichheit und Unmittelbarkeit der Wahl sowie der Chancengleichheit der
Parteien verstößt. Dies betrifft zunächst die Zuweisung von
Ländersitzkontingenten nach der Wählerzahl (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BWG), weil
sie den Effekt des negativen Stimmgewichts ermöglicht. Darüber hinaus
sind die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit
der Parteien auch insoweit verletzt, als nach § 6 Abs. 2a BWG
Zusatzmandate vergeben werden und soweit § 6 Abs. 5 BWG das
ausgleichslose Anfallen von Überhangmandaten in einem Umfang zulässt,
der den Grundcharakter der Bundestagswahl als Verhältniswahl aufhebt.
 
Der Senat hat die Vorschriften des § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2a BWG für
nichtig und die Regelung über die ausgleichslose Zuteilung von
Überhangmandaten (§ 6 Abs. 5 BWG) für unvereinbar mit dem Grundgesetz
erklärt. Es fehlt somit an einer wirksamen Regelung des
Sitzzuteilungsverfahrens für die Wahlen zum Deutschen Bundestag. Die
zuvor geltenden Bestimmungen leben nicht wieder auf, weil das
Bundesverfassungsgericht sie mit Urteil vom 3. Juli 2008 (BVerf¬GE 121,
266) ebenfalls für verfassungswidrig und nur für eine - zwischenzeitlich
verstrichene - Übergangsfrist weiter anwendbar erklärt hat.
 
Über den Sachverhalt, der den drei miteinander verbundenen Verfahren
zugrunde liegt, informiert die Pressemitteilung Nr. 28/2012 vom 7. Mai
2012. Sie kann auf der Homepage des Bundesverfassungsgerichts eingesehen
werden.
 
Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
 
I. Effekt des negativen Stimmgewichts
Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag darf die Verteilung der Mandate
auf die Parteien entsprechend dem Verhältnis der Summen der
Wählerstimmen im Grundsatz nicht dazu führen, dass die Sitzzahl einer
Partei erwartungswidrig mit der auf diese oder eine konkurrierende
Partei entfallenden Stimmenzahl korreliert (Effekt des negativen
Stimmgewichts). Solche widersinnigen Wirkungszusammenhänge zwischen
Stimmabgabe und Stimmerfolg beeinträchtigen nicht nur die
Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit der Parteien, sondern
verstoßen auch gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl, da es
für den Wähler nicht mehr erkennbar ist, wie sich seine Stimmabgabe auf
den Erfolg oder Misserfolg der Wahlbewerber auswirken kann. Ein
Sitzzuteilungsverfahren ist mit der Verfassung unvereinbar, soweit es
solche Effekte nicht nur in seltenen und unvermeidbaren Ausnahmefällen
herbeiführt.
 
§ 6 Abs. 1 Satz 1 BWG sieht vor, dass jedem Land ein nach der Wählerzahl
bemessenes Kontingent von Sitzen zugewiesen wird, um die nur noch die
Landeslisten der in dem Land angetretenen Parteien konkurrieren. Die
Bildung der Ländersitzkontingente nach der Wählerzahl ermöglicht den
Effekt des negativen Stimmgewichts, weil die auf das Land entfallende
Sitzzahl nicht von einer vor der Stimmabgabe feststehenden Größe - wie
etwa der Bevölkerung oder der Zahl der Wahlberechtigten - bestimmt wird,
sondern an die jeweilige Wahlbeteiligung anknüpft. Der Effekt des
negativen Stimmgewichts kann immer dann auftreten, wenn sich ein Zuwachs
an Zweitstimmen der Landesliste einer Partei nicht auf deren Zahl an
Sitzen auswirkt - weil die zusätzlichen Stimmen für die Zuteilung eines
weiteren Sitzes nicht ausreichen oder weil der Landesliste aufgrund des
Erststimmenergebnisses bereits mehr Wahlkreismandate als Listenmandate
zustehen -, wenn jedoch zugleich eine mit dem Zweitstimmenzuwachs
einhergehende Erhöhung der Wählerzahl das Sitzkontingent des Landes
insgesamt um einen Sitz vergrößert. Dann kann der in diesem Land
hinzugekommene Sitz auf eine konkurrierende Landesliste entfallen, oder
die Landesliste derselben Partei kann in einem anderen Land einen Sitz
verlieren. Entsprechendes gilt umgekehrt, wenn sich der
Zweitstimmenverlust der Landesliste einer Partei auf deren
Sitzzuteilungsergebnis nicht auswirkt, die damit einhergehende
Verringerung der Wählerzahl aber das Sitzkontingent des Landes um einen
Sitz verkleinert. Mit dem Eintritt derartiger Effekte ist immer dann zu
rechnen, wenn - was mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist
- eine Veränderung der Zweitstimmenzahl mit einer entsprechenden
Veränderung der Wählerzahl einhergeht, etwa weil Wähler der Wahl
fernbleiben.
 
Der Effekt des negativen Stimmgewichts kann nicht etwa deshalb
hingenommen werden, weil er sich nicht konkret vorhersehen lässt und von
dem einzelnen Wähler kaum beeinflusst werden kann. Denn bereits objektiv
willkürliche Wahlergebnisse lassen den demokratischen Wettbewerb um
Zustimmung bei den Wahlberechtigten widersinnig erscheinen. Des Weiteren
ist der Effekt des negativen Stimmgewichts keine zwangsläufige Folge
einer mit der Personenwahl verbundenen Verhältniswahl in
Listenwahlkreisen auf Landesebene unter Verzicht auf bundesweite
Listenverbindungen. Der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, diesen
Ursachenzusammenhang innerhalb des von ihm geschaffenen Wahlsystems zu
unterbinden, indem er zur Bemessung der Ländersitzkontingente statt der
Wählerzahl etwa die Größe der Bevölkerung oder die Zahl der
Wahlberechtigten als Grundlage für die Bestimmung der
Ländersitzkontingente heranzieht.
 
II. Zusatzmandate
Die Vergabe von Zusatzmandaten nach § 6 Abs. 2a BWG verletzt ebenfalls
die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der Chancengleichheit der
Parteien. Die Regelung zielt darauf ab, Rundungsverluste bei der
Zuteilung von Sitzen auf Landesebene im Rahmen einer bundesweiten
Verrechnung auszugleichen (sog. Reststimmenverwertung).
 
An der Vergabe dieser zusätzlichen Bundestagssitze kann nicht jeder
Wähler mit gleichen Er-folgschancen mitwirken. Denn durch die
Reststimmenverwertung wird einem Teil der Wählerstimmen eine weitere
Chance auf Mandatswirksamkeit eingeräumt. Diese Ungleichbehandlung ist
nicht gerechtfertigt. Das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel,
Erfolgswertunterschiede, die durch die länderinterne Sitzzuteilung
entstehen, auszugleichen, ist zwar von Verfassungs wegen nicht zu
beanstanden. Die Regelung ist jedoch zur Erreichung dieses Ziels nicht
geeignet. Sie berücksichtigt nur einseitig die Abrundungsverluste der
Landeslisten einer Partei und lässt deren Aufrundungsgewinne außer
Betracht. Dadurch werden zwar die bislang ohne Stimmerfolg gebliebenen
Stimmen unter Umständen mandatswirksam, die vergleichsweise größere
Erfolgskraft der bislang übergewichteten Stimmen bleibt jedoch
unverändert bestehen. Somit werden Zusatzmandate nicht zur Herstellung
von Erfolgswertgleichheit, sondern in Abweichung hiervon vergeben. Die
Regelung ist auch nicht geeignet, eine mit den Überhangmandaten
verbundene Verzerrung der Erfolgswertgleichheit auszugleichen.
 
III. Überhangmandate
Die Regelung des § 6 Abs. 5 BWG zu den Überhangmandaten verstößt
insoweit gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit und der
Chancengleichheit der Parteien, als ausgleichslose Überhangmandate in
einem Umfang zugelassen werden, der den Grundcharakter der
Bundestagswahl als Verhältniswahl aufheben kann. Dies ist der Fall, wenn
die Zahl der Überhangmandate etwa die Hälfte der für die Bildung einer
Fraktion erforderlichen Zahl von Abgeordneten überschreitet.
 
Das vom Gesetzgeber geschaffene Wahlsystem trägt - unbeschadet der
Direktwahl der Wahlkreiskandidaten nach dem Verteilungsprinzip der
Mehrheitswahl - den Grundcharakter einer Verhältniswahl. Denn durch die
Anrechnung der Wahlkreismandate auf die Listenmandate der jeweiligen
Partei wird die Gesamtzahl der Sitze so auf die Parteien verteilt, wie
es dem Verhältnis der Summen der für sie abgegebenen Zweitstimmen
entspricht, während die Erststimme grundsätzlich nur darüber
entscheidet, welche Personen als Wahlkreisabgeordnete in den Bundestag
einziehen. Übersteigt die Zahl der von einer Partei in den Wahlkreisen
errungenen Sitze die ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehende
Sitzzahl, so verbleiben die Sitze der Partei gleichwohl. Die Gesamtzahl
der Sitze des Deutschen Bundestages erhöht sich in diesem Fall um die
Unterschiedszahl, ohne dass ein erneuter Verhältnisausgleich
stattfindet.
 
Die Zuteilung von Überhangmandaten ohne Ausgleich oder Verrechnung
behandelt Wählerstimmen im Sitzzuteilungsverfahren ungleich, weil
dadurch neben der Zweitstimme auch die Erststimme Einfluss auf die
Sitzverteilung im Bundestag gewinnt. Diese ungleiche Gewichtung der
Wählerstimmen ist durch das verfassungslegitime Ziel, dem Wähler im
Rahmen einer Verhältniswahl die Wahl von Persönlichkeiten zu
ermöglichen, zwar grundsätzlich gerechtfertigt. Jedoch sind in dem vom
Gesetzgeber geschaffenen System der mit der Personenwahl verbundenen
Verhältniswahl Überhangmandate nur in einem Umfang hinnehmbar, der den
Grundcharakter der Wahl als einer Verhältniswahl nicht aufhebt.
 
Bei einem Anfallen von Überhangmandaten im Umfang von mehr als etwa
einer halben Fraktionsstärke sind die Grundsätze der Gleichheit der Wahl
sowie der Chancengleichheit der Parteien verletzt. Diese Größenordnung
orientiert sich zum einen an dem nach der Geschäftsordnung des Deutschen
Bundestages für den Fraktionsstatus erforderlichen Quorum von mindestens
fünf vom Hundert der Mitglieder des Deutschen Bundestages und
berücksichtigt zum anderen den mit der Neuregelung der sog. Berliner
Zweitstimmen (§ 6 Abs. 1 Satz 4 letzte Alt. BWG) erneut bekräftigten
Willen des Gesetzgebers, den Einfluss der Erststimme auf die Verteilung
der Listenmandate möglichst einzudämmen. Im Hinblick auf die
Notwendigkeit, den Wahlen zu den kommenden Bundestagen eine verlässliche
rechtliche Grundlage zu geben und dem Risiko einer Auflösung des
Parlaments im Wahlprüfungsverfahren zu begegnen, hält der Senat es für
geboten, die gesetzlichen Wertungen in einem handhabbaren Maßstab
zusammenzuführen, an den der Gesetzgeber anknüpfen kann. Daraus ergibt
sich eine zulässige Höchstgrenze von etwa 15 Überhangmandaten.
 
Unter Berücksichtigung der tatsächlichen Entwicklung bei den
Überhangmandaten, deren Zahl seit der Wiedervereinigung deutlich
zugenommen und zuletzt ein erhebliches Ausmaß erreicht hat, und
angesichts der veränderten politischen Verhältnisse, die den Anfall von
Überhangmandaten zunehmend begünstigen, ist mit beachtlicher
Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass die Zahl der Überhangmandate den
verfassungsrechtlich hinnehmbaren Umfang auf absehbare Zeit regelmäßig
deutlich übersteigen wird. Der Gesetzgeber ist daher gehalten,
Vorkehrungen zu treffen, die ein Überhandnehmen ausgleichsloser
Überhangmandate unterbinden.

Kanzlei im Rebland - Artikel in der Badischen Zeitung vom 25.07.2012

WEG-Recht - Keine Tagesmuttertätigkeit ohne Genehmigung der WEG (BGH, 13.07.2012)

Von der Wohnungseigentümergemeinschaft ungenehmigte Tagesmuttertätigkeit in einer Eigentumswohnung darf nach bestandskräftigem Untersagungsbeschluss nicht fortgeführt werden
 
(Mitteilung Nr. 111/2012 der Pressestelle des Bundesgerichtshofs vom 13.07.2012)

Der u.a. für Wohnungseigentumssachen zuständige V. Zivilsenat hat heute (Anm.: 13.07.2012) über die Revision von zwei beklagten Wohnungseigentümern entschieden, deren Mieterin in der Wohnung eine Tagespflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder betreibt (vgl. Pressemitteilung 85/12 vom 12. Juni 2012). Auf die Klage einer Wohnungseigentümerin waren sie vom Landgericht verurteilt worden, die Nutzung der Wohnung als Kindertagespflegestelle zu unterlassen.

Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Ein Unterlassungsanspruch der Klägerin folgt bereits daraus, dass den Beklagten die Ausübung der Tagesmuttertätigkeit ihrer Mieterin durch einen in der Eigentümerversammlung vom 28. September 2009 gefassten Beschluss der Wohnungseigentümer untersagt worden war. Dieser Beschluss ist nicht angefochten worden und daher für die Beklagten verbindlich.

Der Senat hat im Wesentlichen ausgeführt:
Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Nutzung einer Wohnung zum Betrieb einer entgeltlichen Tagespflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder die "Ausübung eines Gewerbes oder Berufes in der Wohnung" im Sinne der Teilungserklärung darstellt und daher der Zustimmung des Verwalters oder einer ¾-Mehrheit der hierüber abstimmenden Wohnungseigentümer bedarf. Zwar gehört zum Wohnen auch die Möglichkeit, in der Familie neben den eigenen Kindern fremde Kinder zu betreuen, etwa bei regelmäßigen Besuchen von Freunden der Kinder oder im Wege der Nachbarschaftshilfe. Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Nutzung der Wohnung zur (werk-)täglichen Erbringung von Betreuungsdienstleistungen gegenüber Dritten in Form einer Pflegestelle für bis zu fünf Kleinkinder, bei der der Erwerbscharakter im Vordergrund steht. Eine solche teilgewerbliche Nutzung der Wohnung wird vom Wohnzweck nicht mehr getragen.

Auf die vom Berufungsgericht geprüfte Frage, ob die Verwalterin zu Recht die Zustimmung zum Betrieb einer Tagespflegestelle in der Wohnung der Beklagten verweigert hat, kommt es aber nicht an. Denn ein Unterlassungsanspruch der Klägerin (§ 15 Abs. 3 WEG) folgt bereits daraus, dass den Beklagten die weitere Ausübung der Tagesmuttertätigkeit ihrer Mieterin durch einen in der Eigentümerversammlung vom 28. September 2009 gefassten, nicht angefochtenen Beschluss der Wohnungseigentümer untersagt wurde.

Den Beklagten, die sich bisher zu keinem Zeitpunkt um die Erteilung einer Zustimmung zum Betrieb einer – nach Anzahl der zu betreuenden Kinder und zeitlichem Umfang konkret beschriebenen – Kindertagespflegestelle in ihrer Wohnung bemüht haben, bleibt es aber unbenommen, bei der Verwalterin oder der Wohnungseigentümergemeinschaft einen entsprechenden Antrag zu stellen. Über diesen wäre unter Berücksichtigung der tatsächlichen konkreten Gegebenheiten innerhalb der Wohnungseigentumsanlage, der Wertungen des § 22 Abs. 1a BImSchG, der nach dem Willen des Gesetzgebers auch auf das Wohnungseigentumsrecht ausstrahlen soll, und der in der Teilungserklärung ausdrücklich vorgesehenen Möglichkeit der Erteilung von Auflagen zu entscheiden. Solange eine erforderliche Zustimmung aber nicht vorliegt, darf die Tagesmuttertätigkeit aufgrund des bestandskräftigen Untersagungsbeschlusses nicht fortgesetzt werden.

(BGH, Urteil vom 13. Juli 20212 – V ZR 204/11)

Mietrecht - Vermieter-Kündigung wegen irrtümlicher Minderung wirksam (BGH, 11.07.2012)

Bundesgerichtshof zum Verschulden des Mieters bei Nichtzahlung der Miete
 
(Mitteilung Nr. 108/2012 der Pressestelle des Bundesgerichtshofs)

Der Bundesgerichtshof hat sich am 11.07.2012  in einer Entscheidung (Urt. v. 11.07.1012, VIII ZR 138/11) mit der Frage befasst, ob dem Mieter auch dann fristlos wegen eines Mietrückstands gekündigt werden kann, wenn er die Miete aufgrund eines Irrtums über die Ursache eines Mangels nicht entrichtet.

Die Beklagten sind Mieter eines Einfamilienhauses der Kläger. Im Dezember 2008 teilten sie den Klägern mit, dass sich im Haus aufgrund baulicher Mängel Schimmel und Kondenswasser bilden würden. Anlässlich eines Ortstermins im Dezember 2008 brachten die Kläger gegenüber den Beklagten zum Ausdruck, dass ihrer Ansicht nach das Heiz- und Lüftungsverhalten der Beklagten dafür verantwortlich sei. Die Beklagten minderten die vertraglich vereinbarte Bruttomiete in Höhe von 1.550 € pro Monat für die Monate März 2009 bis Juni 2010 um jeweils 310 € (20 %). Die Kläger kündigten das Mietverhältnis mit Schriftsatz vom 7. Januar 2010 wegen des bis dahin aufgelaufenen Mietrückstands in Höhe von 3.410 € fristlos.

Mit ihrer Klage haben die Kläger Zahlung des bis Januar 2010 aufgelaufenen Mietrückstands nebst Zinsen sowie die Räumung des Hauses verlangt. Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Urteil vom 27. Mai 2010 einen zur Minderung berechtigenden Mangel verneint und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die Beklagten glichen daraufhin im Juni 2010 den für die Monate Februar 2010 bis Mai 2010 aufgelaufenen Mietrückstand aus und zahlten ab Juli 2010 unter Vorbehalt wieder die volle Miete. Während des Berufungsverfahrens glichen die Beklagten im Februar 2011 den zu diesem Zeitpunkt noch offenen Mietrückstand vollständig aus.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Beklagten – nachdem die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache in Höhe von 3.410 € übereinstimmend für erledigt erklärt hatten - zur Zahlung von Zinsen verurteilt und die Klage hinsichtlich der Räumung abgewiesen. Bei der Begründung hat es darauf abgestellt, dass die Beklagten kein Verschulden an der Nichtzahlung der Miete treffe und sie sämtliche Rückstände im Februar 2011 ausgeglichen hätten.

Die vom Bundesgerichtshof zugelassene Revision der Kläger hatte Erfolg. Der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass auch im Rahmen des § 543 Abs. 2 BGB** der Mieter die Nichtzahlung der Miete zu vertreten hat, wenn ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt. Das ist der allgemeine Sorgfaltsmaßstab des § 276 Abs. 1 Satz 1 BGB.* Für eine mildere Haftung und damit eine Privilegierung des Mieters besteht auch in den Fällen kein Anlass, in denen der Mieter die Ursache eines Mangels, hier der Schimmelpilzbildung, fehlerhaft einschätzt. Der Mieter kann bei Zweifeln die Miete unter Vorbehalt zahlen, so dass ihm die Möglichkeit bleibt, eine gerichtliche Klärung seiner Rechte herbeizuführen, ohne dem Risiko einer fristlosen Kündigung ausgesetzt zu sein. Im vorliegenden Fall kann der Zahlungsverzug nicht wegen fehlenden Verschuldens der Beklagten verneint werden. Den Beklagten musste sich die Vermutung aufdrängen, dass das Vorhandensein von zwei Aquarien sowie eines Terrariums mit Schlangen eine die Schimmelbildung begünstigende höhere Luftfeuchtigkeit in der gemieteten Wohnung bedingte und somit an das Lüftungsverhalten entsprechend höhere Anforderungen zu stellen waren.
Die Mietrückstände wurden erst im Februar 2011 vollständig ausgeglichen. Da diese Zahlung nicht mehr innerhalb der Schonfrist des § 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB*** erfolgte, ließ sie die Wirksamkeit der Kündigung vom 7. Januar 2010 unberührt, so dass die Beklagten zur Räumung verpflichtet sind.

*§ 276 BGB Verantwortlichkeit des Schuldners
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos zu entnehmen ist. …
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
...
** § 543 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Jede Vertragspartei kann das Mietverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos kündigen. …
(2) Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
...

3.der Mieter

b) in einem Zeitraum, der sich über mehr als zwei Termine erstreckt, mit der Entrichtung der Miete in Höhe eines Betrages in Verzug ist, der die Miete für zwei Monate erreicht.

***§ 569 BGB Außerordentliche fristlose Kündigung aus wichtigem Grund

(3) Ergänzend zu § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 gilt:

2. Die Kündigung wird auch dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546a Abs. 1 befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet. ….

Urteil vom 11. Juli 2012 - VIII ZR 138/11
AG Freising - Urteil vom 27. Mai 2010 – 7 C 848/09
LG Landshut - Urteil vom 23. März 2011 – 13 S 1954/10

Karlsruhe, den 11. Juli 2012
Pressestelle des Bundesgerichtshofs

Verkehrsrecht - Fahrtenbuchanordnung gegen Autovermietung (OVG Lüneburg, 11.07.2012)

Es gehört zu den Mitwirkungspflichten einer Autovermietung, im Falle eines Verkehrsverstoßes jene Person zu benennen, an die das Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt vermietet worden ist.

Das hat das OVG Lüneburg mit Beschluss vom 11.07.2012 (Az.: 12 LA 169/11) entschieden. Was war geschehen? 
 
Mit dem auf die Klägerin - eine Autovermietung - zugelassenen Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen D. wurde am 16. Oktober 2009 in E. ein Rotlichtverstoß begangen. Mit Verfügung vom 20. Juli 2010 ordnete die Beklagte nach Anhörung der Klägerin für das genannte Fahrzeug oder ein Ersatzfahrzeug das Führen eines Fahrtenbuchs für die Dauer von zwölf Monaten an, weil der verantwortliche Fahrzeugführer bei dem Verkehrsverstoß nicht habe ermittelt werden können.

Das Verwaltungsgericht hat die gegen diese Verfügung und den folgenden Kostenbescheid über 79,10 Euro gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es u. a. ausgeführt: Der angegriffene Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO lägen vor. Mit dem Fahrzeug der Klägerin sei am 16. Oktober 2009 eine Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften begangen worden. Die Klägerin sei auch trotz Überlassung des Fahrzeuges an eine andere Person Halterin des betroffenen Fahrzeugs im Sinne von § 31a Abs. 1 StVZO geblieben. Die Feststellung des Fahrzeugführers sei der zuständigen Ordnungsbehörde darüber hinaus i. S. d. § 31a Abs. 1 StVZO nicht möglich gewesen. Die Bußgeldbehörde habe hier die angemessenen und zumutbaren Maßnahmen zur Ermittlung des Fahrzeugführers getroffen; weitere Ermittlungen seien nicht erforderlich gewesen. Die Klägerin habe an der Feststellung, wer das Fahrzeug am Tag des Vorfalls gefahren habe, nicht hinreichend mitgewirkt. Die Klägerin habe im Bußgeldverfahren weder den Kreis der das Fahrzeug benutzenden Personen eingegrenzt noch diese Personen konkret benannt. Sie sei als gewerbliche Autovermietung schon aufgrund ihrer handelsrechtlichen Pflichten zur sorgfältigen Archivierung der Mietverträge verpflichtet. Sie habe jedenfalls den Kreis der das Fahrzeug nutzenden Personen eingrenzen und diese konkret benennen müssen; ihre Mitwirkungspflicht sei nicht deshalb ausgeschlossen gewesen, weil die Benennung des Mieters für sie einen gewissen Arbeitsaufwand bedeutet hätte. Dass mit der Ermittlung des Mieters ein erhöhter unternehmerischer Aufwand für die Klägerin verbunden sei, führe nicht dazu, dass sich ihre Mitwirkungspflicht reduziere. Insoweit obliege es der Klägerin, die notwendigen organisatorischen Vorkehrungen dafür zu treffen, dass auch noch nach längerer Zeit festgestellt werden könne, welche Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein bestimmtes Fahrzeug benutzt habe. Die Reduzierung des dazu erforderlichen Aufwandes sei für die Klägerin z. B. durch die Anschaffung einer leistungsfähigeren Software möglich. Dies sei wegen des öffentlichen Interesses an der Aufklärung von Verkehrsverstößen gerechtfertigt und belaste den kaufmännischen Wirtschaftsbetrieb nicht in unzumutbarer Weise. 

Der gegen dieses Urteil gerichtete Zulassungsantrag der Klägerin wurde vom Oberverwaltungsgericht u. a. mit folgender Begründung zurückgewiesen:

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) seien insbesondere dann begründet, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird. Der Rechtsmittelführer müsse darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit unrichtig ist. Die Richtigkeitszweifel müssten sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen. Es müsse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (BVerfG, Beschluss vom 20.12.2010 - 1 BvR 2011/10 -, NVwZ 2011, 546, juris; Beschluss vom 24.1.2007 - 1 BvR 382/05 -, juris; Beschluss vom 23.2.2011 - 1 BvR 500/07 -, juris). Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht erfüllt. 

Der Einwand der Klägerin, der Mieter eines von ihr gemieteten Pkw unternehme seine Fahrten im eigenen Interesse, während die mit einem Firmenfahrzeug unternommenen Fahrten üblicherweise im Interesse des Halters lägen, greift zu kurz. Anders als die Klägerin meint, kann bei der Betrachtung nicht auf die einzelne Nutzung abgestellt werden, zumal auch bei Firmenfahrzeugen ggf. nicht jede Strecke im unmittelbaren Interesse des Halters erfolgt. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klägerin ein erhebliches Interesse an der Vermietung ihrer Pkw hat. Entscheidend ist, dass es in der Sphäre der Leitung des Betriebs liegt und deren Aufgabe ist sicherzustellen, dass im Falle einer Verkehrszuwiderhandlung ermittelt werden kann, welcher Person zu einem bestimmten Zeitpunkt das betreffende Fahrzeug überlassen worden ist. Demgegenüber ist es nicht Sache der Behörde, innerbetrieblichen Vorgängen und Unterlagen nachzuspüren, denen die Führung des Betriebes ungleich näher steht (vgl. dazu auch OVG Bremen, Beschl. v. 12.1.2006 - 1 A 236/05 -, VD 2006, 245, juris, m. w. N.).

Darüber hinaus führt die Klägerin aus, anders als ihre Mitarbeiter könnten die Mitarbeiter eines Firmenfahrzeuge unterhaltenden Betriebs in der Regel schon durch einen Blick auf das Fahrerfoto oder jedenfalls durch einen Blick in laufende Unterlagen feststellen, um welchen Mitarbeiter es sich handele. Angesichts der Vielzahl der Vermietungsvorgänge könnten sich ihre Mitarbeiter dagegen an den konkreten Vorgang in der Regel nicht erinnern. Auch seien die entsprechenden Unterlagen zu dem Vorgang stets bereits archiviert. Diese Argumentation trägt schon deshalb nicht, weil in vielen Fällen ein (aussagekräftiges und zur Identifikation des Fahrers geeignetes) Lichtbild nicht vorliegt und es mithin auf das Erkenntnisvermögen der Firmenmitarbeiter oftmals nicht ankommt.

Soweit die Klägerin meint, eine Dokumentationspflicht nach dem Abschluss des Mietvorgangs könne ihr schon deshalb nicht abverlangt werden, weil diese allein dem Strafverfolgungsinteresse der Straf- und Ordnungswidrigkeitenbehörden diente, wird auf die Darlegungen des Verwaltungsgerichts verwiesen. Dieses hat zutreffend darauf hingewiesen, dass (weiterhin) keine Dokumentationspflicht besteht, aber die Auferlegung eines Fahrtenbuchs in der Regel rechtmäßig ist, wenn sich dann nicht klären lässt, wer mit dem Fahrzeug den Verkehrsverstoß begangen hat. Es führt zu keinem anderen Ergebnis, dass die Klägerin meint, sie sei zwar gehalten, die Behörden bei ihren Aufgaben zu unterstützen, ihr dürfe aber kein Nachteil dadurch entstehen und es stelle einen unzulässigen Eingriff in ihr Eigentumsrecht dar, wenn sie gezwungen wäre, auf eigene Kosten besondere Strukturen zu schaffen, um den Anforderungen des Urteils im Hinblick auf ihre Mitwirkungspflichten zu genügen. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und überzeugend dargelegt, dass und aus welchen Gründen es davon ausgeht, dass der Klägerin die in der Benennung des Mieters liegende Mitwirkung zumutbar ist.

Ob es - wie die Klägerin meint - grob unbillig wäre, ihr ein Fahrtenbuch aufzuerlegen, wenn sie (in Zukunft) den Mieter benennt, der Fahrer aber gleichwohl nicht ermittelt werden kann, kann dahinstehen. Denn ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Der Hinweis der Klägerin, sie könne den Mieter zwar u. U. privatrechtlich verpflichten, ein Fahrtenbuch ordnungsgemäß zu führen, jedoch nicht überprüfen, ob dieser sich daran halte, ist ebenfalls nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils zu wecken. Zunächst ist von einer Rechtstreue des Vertragspartners und damit davon auszugehen, dass dieser die übernommenen Vertragsverpflichtungen erfüllt; mithin die entsprechenden Eintragungen vornimmt. Darüber hinaus hätte es die Klägerin in der Hand, die Pflichten ggf. auch mit geeigneten Mitteln durchzusetzen. Der Senat teilt ferner die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass eine mit der Fahrtenbuchauflage einhergehende Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des betroffenen Fahrzeugs der Klägerin zumutbar ist, auf die diesbezüglichen Darlegungen im Urteil wird verwiesen.

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Frage, welche Mitwirkungshandlungen einem Fahrzeughalter bzw. hier einer Autovermietung zumutbar sind, kann nicht abstrakt, sondern nur anhand der Gegebenheiten des Einzelfalls beantwortet werden. Dies wird schon dadurch deutlich, dass - anders als die Klägerin, die ihre EDV als „sicherlich antiquiert“ bezeichnet hat - viele Fahrzeugvermieter über eine Software verfügen dürften, die es ohne nennenswerten Zeitaufwand ermöglicht festzustellen, wer ein Fahrzeug zu einem bestimmten Zeitpunkt gemietet hat. Dass Behörden ggf. das ihnen bei der Frage, ob dem Halter eines Pkw nach einem nicht aufklärbaren Verkehrsverstoß ein Fahrtenbuch auferlegt wird, zustehende Ermessen im Einzelfall unterschiedlich ausüben, kann einen grundsätzlichen Klärungsbedarf ebenso wenig auslösen wie die Veröffentlichung des erstinstanzlichen Urteils.

Kanzlei im Rebland - Eröffnungsanzeige im Amtsblatt Bad Bellingen, Nr. 25 - 27.06.2012


Mit entsprechenden Anzeigen gab Rechtsanwalt Hugenschmidt die Eröffnung seiner Rechtsanwaltskanzlei in den Amtsblättern von Schliengen, Kandern, Neuenburg, Auggen und Efringen-Kirchen bekannt.

Arbeitsrecht - Diebstahl kein absoluter Kündigungsgrund (BAG, 10.06.2010)

Fristlose Kündigung wegen unrechtmäßigem Einlösen aufgefundener Leergutbons unwirksam

(Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 42/10 vom 10.06.2010)

Ein vorsätzlicher Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Vertragspflichten kann eine fristlose Kündigung auch dann rechtfertigen, wenn der damit einhergehende wirtschaftliche Schaden gering ist. Umgekehrt ist nicht jede unmittelbar gegen die Vermögensinteressen des Arbeitgebers gerichtete Vertragspflichtverletzung ohne Weiteres ein Kündigungsgrund. Maßgeblich ist § 626 Abs. 1 BGB. Danach kann eine fristlose Kündigung nur aus „wichtigem Grund“ erfolgen.
 
Das Gesetz kennt in diesem Zusammenhang keine „absoluten Kündigungsgründe“. Ob ein „wichtiger Grund“ vorliegt, muss vielmehr nach dem Gesetz „unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile“ beurteilt werden. Dabei sind alle für das jeweilige Vertragsverhältnis in Betracht kommenden Gesichtspunkte zu bewerten. Dazu gehören das gegebene Maß der Beschädigung des Vertrauens, das Interesse an der korrekten Handhabung der Geschäftsanweisungen, das vom Arbeitnehmer in der Zeit seiner unbeanstandeten Beschäftigung erworbene „Vertrauenskapital“ ebenso wie die wirtschaftlichen Folgen des Vertragsverstoßes; eine abschließende Aufzählung ist nicht möglich. Insgesamt muss sich die sofortige Auflösung des Arbeitsverhältnisses als angemessene Reaktion auf die eingetretene Vertragsstörung erweisen. Unter Umständen kann eine Abmahnung als milderes Mittel zur Wiederherstellung des für die Fortsetzung des Vertrags notwendigen Vertrauens in die Redlichkeit des Arbeitnehmers ausreichen.

In Anwendung dieser Grundsätze hat der Zweite Senat des Bundesarbeitsgerichts - anders als die Vorinstanzen - der Klage der Kassiererin eines Einzelhandelsgeschäfts stattgegeben, die ihr nicht gehörende Pfandbons im Wert von insgesamt 1,30 Euro zum eigenen Vorteil eingelöst hat. Die Klägerin war seit April 1977 bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerinnen als Verkäuferin mit Kassentätigkeit beschäftigt. Am 12. Januar 2008 wurden in ihrer Filiale zwei Leergutbons im Wert von 48 und 82 Cent aufgefunden. Der Filialleiter übergab die Bons der Klägerin zur Aufbewahrung im Kassenbüro, falls sich ein Kunde noch melden sollte. Sie lagen dort sichtbar und offen zugänglich. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen reichte die Klägerin die beiden Bons bei einem privaten Einkauf zehn Tage später bei der kassierenden Kollegin ein. Diese nahm sie entgegen, obwohl sie, anders als es aufgrund einer Anweisung erforderlich gewesen wäre, vom Filialleiter nicht abgezeichnet worden waren.
 
Im Prozess hat die Klägerin bestritten, die Bons an sich genommen zu haben, und darauf verwiesen, sie habe sich möglicherweise durch Teilnahme an gewerkschaftlichen Aktionen Ende 2007 unbeliebt gemacht. Vor der Kündigung hatte sie zur Erklärung ins Feld geführt, die Pfandbons könnten ihr durch eine ihrer Töchter oder eine Kollegin ins Portemonnaie gesteckt worden sein. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis ungeachtet des Widerspruchs des Betriebsrats wegen eines dringenden Tatverdachts fristlos, hilfsweise fristgemäß.

Die Kündigung ist unwirksam. Die mit einer sogenannten „Verdachtskündigung“ verbundenen Fragen stellten sich dabei in der Revisionsinstanz nicht, weil das Landesarbeitsgericht - für den Senat bindend - festgestellt hat, dass die Klägerin die ihr vorgeworfenen Handlungen tatsächlich begangen hat. Der Vertragsverstoß ist schwerwiegend. Er berührte den Kernbereich der Arbeitsaufgaben einer Kassiererin und hat damit trotz des geringen Werts der Pfandbons das Vertrauensverhältnis der Parteien objektiv erheblich belastet. Als Einzelhandelsunternehmen ist die Beklagte besonders anfällig dafür, in der Summe hohe Einbußen durch eine Vielzahl für sich genommen geringfügiger Schädigungen zu erleiden. Dagegen konnte das Prozessverhalten der Klägerin nicht zu ihren Lasten gehen. Es lässt keine Rückschlüsse auf eine vertragsrelevante Unzuverlässigkeit zu. Es erschöpfte sich in einer möglicherweise ungeschickten und widersprüchlichen Verteidigung. Letztlich überwiegen angesichts der mit einer Kündigung verbundenen schwerwiegenden Einbußen die zu Gunsten der Klägerin in die Abwägung einzustellenden Gesichtspunkte. Dazu gehört insbesondere die über drei Jahrzehnte ohne rechtlich relevante Störungen verlaufene Beschäftigung, durch die sich die Klägerin ein hohes Maß an Vertrauen erwarb. Dieses Vertrauen konnte durch den in vieler Hinsicht atypischen und einmaligen Kündigungssachverhalt nicht vollständig zerstört werden. Im Rahmen der Abwägung war auch auf die vergleichsweise geringfügige wirtschaftliche Schädigung der Beklagten Bedacht zu nehmen, so dass eine Abmahnung als milderes Mittel gegenüber einer Kündigung angemessen und ausreichend gewesen wäre, um einen künftig wieder störungsfreien Verlauf des Arbeitsverhältnisses zu bewirken.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10. Juni 2010 - 2 AZR 541/09 -
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. Februar 2009 - 7 Sa 2017/08 -

Kanzlei im Rebland - Frischer Wind für Ihr gutes Recht




Rechtsanwalt Hugenschmidt vertritt Privatpersonen und Unternehmen unter anderem aus Schliengen, Auggen, Müllheim, Neuenburg, Kandern, Bad Bellingen und Efringen-Kirchen.
 
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